Die EU-Außenminister beraten am Montag zu Entwicklungen in Russland

EU beobachtet Lage in Russland “wachsam”

Montag, 26. Juni 2023 | 19:45 Uhr

Die Europäische Union beobachtet die Lage in Russland nach der gescheiterten Revolte der Söldnertruppe Wagner “wachsam”. Das sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag nach Beratungen der EU- Außenminister in Luxemburg. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) verglich Putin mit dem Zauberlehrling aus der gleichnamigen Ballade von Johann Wolfgang von Goethe: “Er wird die Geister nicht los, die er rief”, sagte Schallenberg.

Es “ist nicht schlecht, wenn er von der Bildfläche verschwindet. Putin sollte sich ein Vorbild an Prigoschin nehmen und auch umkehren”, erklärte Schallenberg weiter. Die Verantwortung für den Machtkampf sehen die Europäer bei Putin selbst: “Das Monster, das Putin mit Wagner geschaffen hat, beißt ihn nun”, fuhr Borrell fort. Die Lage bleibe “komplex und unvorhersehbar”, betonte der Spanier. Der Aufstand des russischen Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin vom Wochenende hat nach Einschätzung der EU “Risse” im Machtgefüge von Präsident Wladimir Putin deutlich gemacht.

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock sprach in Luxemburg von einem “innenpolitischen Machtkampf in Russland”, der “massive Risse in der russischen Propaganda” offenbare. Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna sagte, die Krise offenbare “Risse, Brüche und Verwerfungen innerhalb des russischen Systems”.

Putin hatte Söldnerchef Prigoschin jahrelang freie Hand gelassen, in russischen Gefängnissen Kriminelle für seine Truppe zu rekrutieren. Wagner-Söldner spielten in den vergangenen Monaten eine wichtige Rolle im Ukraine-Krieg, vor allem bei dem verlustreichen Kampf um die ostukrainische Stadt Bachmut.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba beriet in einer Videoschalte mit seinen EU-Kollegen über die Lage. “In Russland sind Panzer mit geringem Widerstand Richtung Moskau gerollt”, twitterte er danach. Er rief die Europäer auf, “die russische Niederlage durch erhöhte Unterstützung für die Ukraine zu beschleunigen”.

Die Außenminister der Europäischen Union billigten in Luxemburg weitere 3,5 Milliarden Euro für einen gemeinsamen Militärhilfe-Fonds, aus dem bisher 5,6 Milliarden Euro in Waffen für die Ukraine flossen. Borrell sprach von einem “klaren politischen Signal” der militärischen Unterstützung für die Ukraine und andere Partner. Aus den Zusatzmitteln für die sogenannte Europäische Friedensfazilität sollen auch militärische und zivile EU-Missionen auf dem Westbalkan oder in der Sahel-Region finanziert werden.

Ungarn blockiert allerdings weiter die Freigabe einer Tranche von 500 Millionen Euro zu Gunsten der Regierung in Kiew. Borrell nannte dies nach dem Außenrat “bedauerlich”. Die Regierung in Budapest will erzwingen, dass die Ukraine die größte ungarische Bank OTP von einer Liste sogenannter Kriegssponsoren nimmt.

Borrell sprach sich außerdem dafür aus, mehr als die bisher geplanten 30.000 ukrainischen Soldaten auf EU-Gebiet auszubilden. “Der Krieg hält an, und wir werden unsere Unterstützung für die ukrainische Armee ausbauen”, versprach er, ohne konkrete Zahlen zu nennen.

Die neue prowestliche Regierung in Bulgarien will der Ukraine weitere militärische Hilfe leisten. Wie die Regierungspressestelle am Montag mitteilte, billigte das liberal-konservative Kabinett von Ministerpräsident Nikolaj Denkow am vergangenen Freitag ein neues “militärisches und militärtechnisches” Hilfspaket für die Ukraine. Details wurden nicht genannt. Es hieß lediglich, das neue Paket habe einen ähnlichen Umfang wie Bulgariens erstes Hilfspaket für Kiew von Ende 2022. Darüber hatte es damals ebenso keine Einzelheiten gegeben.

Das einstige Ostblockland Bulgarien, das seit 2004 NATO-Mitglied ist, verfügt noch immer über Rüstungsgüter sowjetischer Bauart. Zwischen der seit dem 6. Juni amtierenden Regierung und dem als russlandfreundlich geltenden Staatschef Rumen Radew entflammte bereits ein Streit über die Unterstützung der Ukraine. Radew warnte, dass sich Bulgarien der EU-Initiative zur Lieferung von Munition anschließe. Verteidigungsminister Todor Tagarew hatte eine größere Unterstützung Bulgariens für die Bemühungen der EU angekündigt, die von der Ukraine benötigte Munition zu liefern.

Die EU-Außenminister verschärften bei ihrem Treffen des Weiteren die Sanktionen gegen den Iran. Sie verhängten Einreise- und Vermögenssperren gegen sieben weitere Verantwortliche, denen Menschenrechtsverstöße vorgeworfen werden. Darunter sind unter anderem hochrangige Justizangehörige, die für die Todesurteile gegen regimekritische Demonstranten mitverantwortlich sein sollen.

Von: APA/AFP/dpa