++ ARCHIVBILD ++ Die EU-Klimaziele sind höchst umstritten

EU-Kommission will bis 2040 um 90 Prozent weniger Emissionen

Mittwoch, 02. Juli 2025 | 16:35 Uhr

Von: apa

Nicht nur die vorangegangenen Diskussionen waren heiß, auch die klimatischen Bedingungen, unter denen die EU-Kommission am Mittwoch ihren Vorschlag für ein EU-weites Klimaziel 2040 präsentierte, waren außergewöhnlich. In der Brüsseler Innenstadt hatte es 33 Grad, als Klimakommissar Wopke Hoekstra und Kommissionsvizepräsidentin Teresa Ribera in einem kühlen Konferenzraum präsentierten, wozu sich die EU 2040 bekennen soll: 90 Prozent weniger Emissionen im Vergleich zu 1990.

Zwei Ziele gab es bereits: Bis 2030 will die EU die Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent reduzieren, bis 2050 klimaneutral werden. Die Kommission war verpflichtet, ein Etappenziel für 2040 vorzuschlagen. Angeführt von Frankreich, Polen und Tschechien soll kürzlich beim EU-Gipfel um eine mögliche Verschiebung oder Aufweichung ebenso gerungen worden sein wie in der Kommission selbst. Herausgekommen ist ein Kompromiss, den Hoekstra, der die intensiven Meinungsverschiedenheiten gar nicht in Abrede stellte, so verkaufte: “Wir bleiben auf unserem Kurs der Dekarbonisierung!” Oder, unter Zuhilfenahme von drei Eigenschaftswörtern: “Wir sind ehrgeizig. Wir sind pragmatisch. Wir sind flexibel.”

“Wir sollten nicht dogmatisch sein”

Um größere Flexibilität geht es etwa bei den Sektoren und Instrumenten, deren einzelne Ziele man künftig nicht so streng sehen will. “Wir sollten nicht dogmatisch sein”, meinte der EU-Klimakommissar. Es käme aufs Gesamtergebnis an. Das gilt auch für einen neuen “hoch qualitativen” internationalen Zertifikatehandel, dessen “überprüfbaren und nachweisbaren” Mechanismus die EU aufbauen will und zu dem sich der wissenschaftliche Beirat im Vorfeld kritisch geäußert hatte: “Der Planet macht keinen Unterschied, wo emittiert oder nicht emittiert wird”, sagte Hoekstra. Dieser Handel bezieht sich auf Art. 6 des Pariser Klimaabkommens und soll zusätzlich zum bestehenden innereuropäischen Handel (EU-ETS) aufgesetzt werden. Ab 2036 darf er in einer Höhe von bis zu 3 Prozent der Emissionen von 1990 für die Zielberechnungen mit einbezogen werden.

An der konkreten Umsetzung, die freilich erst angegangen werden muss, wird auch der Erfolg des neuen Systems – und damit des gesamten Klimaziels – gemessen werden. Während Kritiker eine simple Auslagerung des Problems an Länder etwa des Globalen Südens befürchten, sieht Andreas Türk, Forschungsgruppenleiter für Internationale Klimapolitik und Ökonomik am Joanneum Research, auch eine große Chance für einen EU-Technologieexport: Mit einer sorgfältigen Auswahl von Partnerschaften mit Drittländern könnten sich sinnvolle klima- wie wirtschaftspolitische Möglichkeiten ergeben.

Handel von “dauerhaften CO2-Entnahmen”

Experten sehen auch eine weitere interessante Perspektive in den Details zum heute vorgestellten EU-Klimaziel für 2040. Künftig sollen auch Zertifikate für “dauerhafte Entnahmen” von CO2 durch Kohlenstoffsenken, etwa in Wäldern oder Mooren, aber auch durch CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage), gehandelt werden können.

Prompt ließ Österreichs Umwelt- und Klimaminister Norbert Totschnig (ÖVP) wissen, er spreche sich dafür aus, die derzeit in Österreich verbotenen “Möglichkeiten der CO2-Speicherung ernsthaft auszuloten”. Insgesamt beurteilte Totschnig das 90-Prozent-Ziel als “ambitioniert und unter den richtigen Rahmenbedingungen machbar”. Die vorgelegten Spielräume seien “positiv, weil sie das Erreichen der Ziele mit Rücksicht auf unsere Wirtschaft unterstützen”.

Österreich strebt bereits für 2040 Klimaneutralität an. “Anstelle Musterschüler zu spielen, sollte sich Österreich für bessere europaweite klimapolitische Rahmenbedingungen einsetzen”, hagelte es am Mittwoch allerdings seitens der Industriellenvereinigung Kritik an beiden 2040er-Zielen, während NGOs vor Schlupflöchern, Hintertüren und “Scheinklimaschutz” warnten.

Nun kommt der Trilog – und die COP30

Der heutige Kommissionsvorschlag muss nun mit den EU-Mitgliedsländern und dem Europäischen Parlament verhandelt werden. “Ich bin zuversichtlich, dass dieser Vorschlag im Trilog eine Mehrheit bekommen wird”, sagte Klimakommissar Hoekstra. Die nächste Herausforderung wartet jedoch wohl schon früher: Bis November, zur nächsten UN-Klimakonferenz (COP30) im brasilianischen Belém, muss die EU neuerlich ein verbindliches Klimaziel vorlegen. Die Durchschnittstemperaturen in Belém sind im November übrigens genauso hoch wie heute in Brüssel: 33 Grad.

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