EU/Großbritannien-Gipfeltreffen in London

EU und Großbritannien stellen Beziehungen neu auf

Montag, 19. Mai 2025 | 14:37 Uhr

Von: APA/Reuters/dpa

Gut fünf Jahre nach dem Brexit stellen Großbritannien und die EU ihre Beziehungen auf eine neue Grundlage. Das am Montag in London unterzeichnete Abkommen stellt eine Neuausrichtung in den Verteidigungs- und Handelsbeziehungen dar. Es umfasst Großbritanniens Teilnahme an gemeinsamen Beschaffungsprojekten, einen einfacheren EU-Zugang für Lebensmittel, die Jugendmobilität sowie ein neues, jedoch umstrittenes Fischereiabkommen.

“Es ist Zeit, nach vorne zu blicken”, sagte der britische Premierminister Keir Starmer in einer Erklärung. “Wir müssen die alten Debatten und politischen Kämpfe hinter uns lassen und vernünftige, praktische Lösungen finden, die das Beste für das britische Volk herausholen. Wir sind bereit, mit Partnern zusammenzuarbeiten, wenn wir dadurch das Leben der Menschen hier im Land verbessern können.” Unterzeichnet wurde das Abkommen von Starmer – der früher für einen Verbleib Großbritanniens in der EU eintrat – sowie EU-Ratspräsident Antonio Costa und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Von der Leyen bezeichnete die Wiederannäherung von Europäischer Union und Großbritannien als “historischen Moment”. “Wir beginnen ein neues Kapitel in unserer einzigartigen Beziehung”, sagte von der Leyen nach der Unterzeichnung des Abkommens über die engere Zusammenarbeit.

Britische Rüstungsunternehmen bekommen Zugang zum EU-Verteidigungsmarkt

Im Zentrum der Neuausrichtung steht ein Verteidigungs- und Sicherheitspakt, der Großbritannien die Teilnahme an gemeinsamen Beschaffungen ermöglicht. Dies ebnet den Weg für britische Unternehmen wie BAE Systems, Rolls Royce und Babcock, an einem 150 Milliarden Euro schweren EU-Programm zur Wiederbewaffnung Europas teilzunehmen. Die Londoner Regierung erklärte, dass die Neugestaltung mit ihrem größten Handelspartner den bürokratischen Aufwand für Lebensmittel- und Agrarprodukte reduzieren, Lebensmittel günstiger machen, die Energiesicherheit verbessern und bis 2040 fast neun Milliarden Pfund (etwa 10,6 Milliarden Euro) zur Wirtschaft beitragen werde.

In der Fischerei werden britische und EU-Schiffe für zwölf weitere Jahre Zugang zu den Gewässern des jeweils anderen haben. Dieses Zugeständnis nimmt dem Vereinigten Königreich einen seiner stärksten Trümpfe in zukünftigen Verhandlungen, wenn es etwa um eine dauerhafte Reduzierung von Bürokratie und Grenzkontrollen geht, die kleine Lebensmittelproduzenten bisher am Export nach Europa hinderten. Zudem hat Großbritannien den Grundzügen eines begrenzten Jugendmobilitätsprogramms zugestimmt, dessen Details noch ausgearbeitet werden sollen. Enthalten darin soll auch die Teilnahme am Erasmus+-Studentenaustauschprogramm sein.

Mehrheit der Briten bereut Brexit

Aktuelle Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Briten die Brexit-Entscheidung bereut. Es gibt jedoch wenig Interesse an einem Wiedereintritt in die EU. Unter Starmer hat sich Großbritannien kontinuierlich der EU und vor allem Frankreich und Deutschland wieder angenähert. Dies steht in Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und dem neuen US-Präsidenten Donald Trump. In diesem Bereich bemühen sich die Regierungen in London und Paris gemeinsam mit dem neuen Bundeskanzler Friedrich Merz um ein einheitliches Vorgehen, auch zusammen mit Polens Ministerpräsident Donald Tusk.

Beim historischen Referendum 2016 stimmte Großbritannien für den EU-Austritt, was tief verwurzelte Spaltungen im Land offenlegte. Der Austritt des Landes aus der EU erfolgte dann im Jänner 2020. In der Zeit erlebte Großbritannien eine der turbulentesten Perioden seiner politischen Geschichte, mit fünf Premierministern im Amt, bevor Starmer im vergangenen Juli das Ruder übernahm.

Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte, dass neben der EU-Vereinbarung mit Großbritannien auch ein deutsch-britisches Freundschafts- und Partnerschaftsabkommen geplant ist. “Ich kann bestätigen, dass es weiter in der Planung ist und dazu laufen die Gespräche”, sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Einen Zeitpunkt für die Unterzeichnung wollte er nicht nennen. Vergangene Woche hatten die Verteidigungsminister beider Länder bereits ein umfassendes Abkommen im Verteidigungsbereich unterzeichnet.

Europaabgeordnete begrüßen Vereinbarungen

Der SPÖ-EU-Delegationsleiter und Brexit-Berichterstatter des Europaparlaments, Andreas Schieder, begrüßte die Vereinbarungen der EU mit Großbritannien als “historischen Schritt”. “Der geplante Verteidigungspakt kann ein wichtiger Meilenstein für einen gemeinsamen Weg in die Zukunft sein. Wir können Putin und Trump nicht allein Stirn bieten – gemeinsam sind wir stärker!”, teilte Schieder in einer Aussendung mit.

Auch ÖVP-Delegationsleiter Reinhold Lopatka begrüßte das Abkommen. Großbritannien sei ein unverzichtbarer Partner im Bereich von Sicherheit und Verteidigung. “Der Brexit hat nur Nachteile gebracht. Jetzt gilt es, in allen Bereichen so eng wie möglich im Interesse Europas zusammenzuarbeiten”, sagte Lopatka laut Aussendung. Er selbst habe eine Kooperation vergangene Woche mit der früheren Innenministerin Priti Patel von den Tories während einer Tagung der International Democratic Union in Brüssel vereinbart.

Die NEOS-Europaabgeordnete Anna Stürgkh freute sich über die intensivierte Zusammenarbeit. “Eine Mehrheit der britischen Bevölkerung sieht den Brexit als Fehler. In schwierigen geopolitischen Zeiten ist es wichtig, mit unseren engen Partnern zusammenzustehen und die europäische Sicherheit gemeinsam zu stärken”, sagte Stürgkh laut Aussendung.

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