Bezeichnung "Slot-System" nicht mehr enthalten

Euregio-Dreierlandtag stimmt Verkehrsantrag ohne “Slot-System” zu

Donnerstag, 15. Juni 2023 | 15:55 Uhr

Riva – Der Dreierlandtag der Euregio aus Tirol-Südtirol-Trentino hat am Donnerstag in Riva am Gardasee nach zähen Verhandlungen mehrheitlich einen Antrag zum Dauerbrenner Transit angenommen. Zankapfel war das von Tirol, Südtirol und Bayern befürwortete “Slot-System” – einer buchbaren Autobahn für Lkw. Die ursprünglich enthaltene Bezeichnung “Slot-System” kam im zur Abstimmung gelangten Antrag nicht mehr vor – es war nun von einem “digitalen Verkehrsmanagementsystem” die Rede.

Der Antrag sieht vor, dass die Landesregierungen den Nationalstaaten ein Verkehrskonzept für den Brennerkorridor vorlegen sollen. Neben der “Umsetzung eines digitalen Verkehrsmanagementsystems am Brennerkorridor auf Basis einer entsprechenden Vereinbarung mit den Staaten” soll dabei u.a. auch eine “Simulation der Auswirkung einer Mauterhöhung am Brennerkorridor im Falle der Einführung einer Korridor- und Umweltmaut” erfolgen. Darüber hinaus beschlossen die drei Landtage – jeweils mehrheitlich – dass künftig das Baustellenmanagement abgestimmt und eine halbjährliche Berichterstattung an die jeweiligen Landesregierungen erfolgen solle. Außerdem sollen etwa weiterhin finanzielle Mittel zur Unterstützung der Rollenden Landstraße (Rola) zur Verfügung gestellt werden und eine möglichst starke, grenzüberschreitende Öffi-Verbindung realisiert werden.

Seitens der Tiroler Parteien stimmten dem Antrag nur Grüne und Liste Fritz nicht zu. Der grüne Klubobmann Gebi Mair zeigte sich nach der Abstimmung “erzürnt” und sprach gar vom “Verrat von Riva am Tiroler Transit-Konsens”. Der Antrag sei von allen Tiroler Landtagsabgeordneten eingebracht worden, ÖVP und SPÖ seien dann aber in den vergangenen Tagen “nach Bedenken der Trentiner Frächter scheibchenweise vom Allparteienkonsens” abgewichen, sagte Mair. Der Antrag durfte dann beispielsweise nicht mehr “Gesamtkonzept” heißen.

“Ein Dreierlandtag, der das ‘Slot-System’ nicht mehr unterstützen will und eine Korridormaut nicht mehr einführen, sondern nur mehr simulieren will, der braucht überhaupt keine Anträge mehr gegen den Transit zu beschließen”, ärgerte sich Mair. “Dieser Verrat an der gemeinsamen Position in Tirol schwächt jede Initiative gegen den Transit”, meinte er.

Ganz anders hingegen Mairs früherer Koalitionspartner, die ÖVP. Sie rückte mit ihrer obersten Spitze aus, um zu betonen, dass es keine inhaltliche Abweichung von der “Kufsteiner Erklärung” gebe, bei der sich Tirol, Bayern und Südtirol de facto auf ein “Slot-System” geeinigt hatten. Landeshauptmann und ÖVP-Chef Anton Mattle erklärte gegenüber der APA, dass der Dreierlandtag trotz unterschiedlicher Positionen einen “gemeinsamen Standpunkt” gebracht habe. “Für mich war es wesentlich, dass auch das Trentino die Belastung durch den Transitverkehr erkennt und es kein ‘weiter so’ geben darf. Wir bekennen uns zur Verlagerung auf die Schiene und ein digitales Verkehrsmanagementsystem, wie wir es schon mit Bayern vereinbart haben”, so Mattle. Es handle sich um einen “Kompromiss”, der “keine Niederlage und kein Sieg, sondern eine Notwendigkeit” sei. Schützenhilfe leistete ÖVP-Klubobmann Jakob Wolf. Erstmals würden sich auch die Trentiner zu einem gemeinsamen “intelligenten Verkehrsleitsystem” am Brennerkorridor bekennen, es könne keine Rede davon sein, dass inhaltlich von der Kufsteiner Vereinbarung abgewichen worden sei, meinte Wolf zur APA. Das Wort “Slot” würde zudem auch in der Kufsteiner Vereinbarung letztlich nicht vorkommen, hieß es aus der Partei.

Als “einzigen Wermutstropfen” bezeichnete es die ÖVP, dass die beiden Oppositionsparteien nicht zugestimmt hatten und ortete “rein parteipolitische Motive”. Der Bevölkerung würden diese “unverantwortlichen Spielchen” aber “keine Entlastung und keinen Lkw weniger” bringen. “Beispielsweise stellen sich die Grünen mit ihrer Blockade auch gegen die erstmals genannte Möglichkeit einer Umweltmaut am Brennerkorridor”, sagte Verkehrssprecher LAbg. Florian Riedl.

Auch der Regierungspartner SPÖ sah die Europaregionen nun an “einem Strang” ziehen. Dass sich auch das Trentino zum Verkehrsmanagement bekannt habe, “ist durchaus ein Durchbruch”, erklärte Verkehrssprecher Philip Wohlgemuth. “Das wird Eindruck machen und den Druck erhöhen – sowohl in Rom als auch in Brüssel”, sagte er. “Allein der gemeinsame Beschluss zum Tiroler Leitantrag war das Zusammenkommen in Riva wert”, meinte Wohlgemuth außerdem.

Enttäuscht zeigte sich Tirols FPÖ-Obmann Markus Abwerzger. Der verkehrspolitische Leitantrag sei “nur eine Alibilösung”, dem man “nicht mit vollem Herzen und voller Seele, sondern des Friedens Willen” zugestimmt habe. “Gerade die Thematiken Verkehr und Transit haben gezeigt, dass mit dem Trentino kein Staat zu machen ist, denn die Interessen des Trentino sind vollkommen anders gelagert”, meinte Abwerzger und sprach sich dafür aus, künftig wieder nur einen “Zweierlandtag” mit Südtirol abzuhalten. Der Dreierlandtag der Europaregion Tirol, zu der das Bundesland Tirol sowie die beiden autonomen Provinzen Bozen und Trient gehören, tritt alle zwei Jahre in einem der drei Mitgliedsländer zusammen.

Liste Fritz-Obfrau und Verkehrssprecherin Andrea Haselwanter-Schneider nannte den Beschluss einen “Kniefall” vor Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) und der italienischen Frächterlobby: “Dieser Beschluss ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht.” Dass die Liste Fritz letztlich nicht zugestimmt habe, sei vor allem auch der Wortwahl geschuldet. “Von einem ‘Slot-System’ will man plötzlich nichts mehr wissen, stattdessen bedient man sich nun des Begriffs eines ‘digitalen Verkehrsmanagementsystems’, ohne dieses genauer zu definieren”, war Haselwanter-Schneider diametral entgegengesetzter Ansicht als die Volkspartei.

Die Landeschefs von Bayern, Tirol und Südtirol – Markus Söder (CSU), Anton Mattle (ÖVP) und Arno Kompatscher (SVP) – hatten im April in Kufstein eine Erklärung über ein “Slot-System” mit buchbaren Lkw-Fahrten präsentiert. Für ein solches digitales, grenzüberschreitendes Verkehrsmanagement müsste ein Staatsvertrag zwischen Österreich, Deutschland und Italien abgeschlossen werden. Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) zeigte sich bisher jedoch strikt ablehnend – er will erst darüber reden, wenn die transiteinschränkenden Maßnahmen und Fahrverbote aufgehoben werden. In diesem Zusammenhang dürfte wohl auch die Ablehnung des expliziten Vorkommens des Slot-Systems im Antrag zu verstehen sein, gehört doch der Trentiner Landeshauptmann Maurizio Fugatti derselben Partei an wie Salvini.

Von: apa

Bezirk: Bozen