Ehemaliger Vize bewirbt sich ums höchste Amt

Ex-US-Vize Pence startet mit Attacken auf Trump in Wahlkampf

Mittwoch, 07. Juni 2023 | 20:45 Uhr

Zum Auftakt seines Präsidentschaftswahlkampfes hat der frühere US-Vizepräsident Mike Pence seinen stärksten parteiinternen Konkurrenten und ehemaligen Chef Donald Trump scharf kritisiert. Mit Blick auf den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Jänner 2021 warf er Trump vor, ihn und seine Familie mit seinen Worten in Gefahr gebracht zu haben. Trump habe sich dabei über die Verfassung gestellt, griff Pence den Ex-Präsidenten frontal an.

“Das amerikanische Volk verdient es zu wissen, dass Präsident Trump an diesem schicksalhaften Tag auch von mir verlangte, zwischen ihm und der Verfassung zu entscheiden”, sagte Pence über den 6. Jänner 2021. Nun würden die Wählerinnen und Wähler wieder vor die gleiche Entscheidung gestellt. “Jeder, der sich selbst über die Verfassung stellt, sollte niemals Präsident der Vereinigten Staaten sein”, sagte er. Und auch jeder, der jemand anderen darum bitte, ihn über die Verfassung zu stellen, sollte nie wieder Präsident werden.

Trump-Anhänger erstürmten am 6. Jänner 2021 den Kongresssitz, während dort unter Vorsitz von Pence der Sieg des Demokraten Biden bestätigt werden sollte. Trump hatte in den Tagen davor behauptet, dass Pence in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des US-Senats Wahlergebnisse aus einzelnen Bundesstaaten einfach ablehnen könnte, was Rechtsexperten und auch der Vizepräsident für unrechtmäßig hielten. Während des Kapitol-Sturms twitterte Trump, Pence habe “nicht den Mut gehabt, das zu tun, was getan werden sollte”. Aus dem Mob kamen Rufe wie “Hängt Pence”. Nach dem Ende der Attacke schloss der Kongress unter Pence’ Vorsitz die Bestätigung von Bidens Sieg ab. Pence bezeichnete Trumps damalige Äußerungen und auch sein Verhalten später als gefährlich.

Pence äußerte sich wenige Stunden nach der öffentlichen Bekanntgabe seiner Präsidentschaftskandidatur. Darin hatte er seinen früheren Chef noch ausgespart. “Ich gebe heute vor Gott und meiner Familie bekannt, dass ich für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten kandidiere”, sagte Pence in einem am Mittwoch, an seinem Geburtstag, auf Twitter veröffentlichten Video. Der 64-Jährige hatte bereits am Montag die erforderlichen Unterlagen bei der Bundeswahlkommission eingereicht. Am Abend wollte er sich bei einer Bürgerfragestunde des Fernsehsenders CNN in Iowa den Fragen von Wählerinnen und Wählern stellen.

Pence will mit seiner Bewerbung ein Comeback seines früheren Chefs Trump vereiteln. Dieser gilt Umfragen zufolge als haushoher Favorit in den Vorwahlen der Republikaner. Pence werden kaum Chancen gegeben, doch könnte er Trump aufgrund seiner Erfahrungen aus erster Hand über den umstrittenen Ex-Präsidenten im Wahlkampf ungemütlich werden.

In seinem Bewerbungsvideo nahm Pence US-Präsident Joe Biden und dessen Demokraten ins Visier. “Unser Land steckt heute in großen Schwierigkeiten. Präsident Joe Biden und die radikale Linke haben Amerika im Inland wie im Ausland geschwächt”, sagte er. Der amerikanische Traum werde von einer “aus der Kontrolle geratenen Inflation” zerstört. Die Löhne sänken, eine Rezession zeichne sich ab. Die Südgrenze der USA werde von Migranten belagert und die “Feinde der Freiheit” seien weltweit auf dem Vormarsch, so Pence. Gott aber habe mit Amerika noch nicht abgeschlossen. Gemeinsam könne man das Land zu alter Stärke zurückbringen. “Die besten Tage für die großartigste Nation der Welt stehen noch bevor”, sagt er.

Die prominentesten republikanischen Präsidentschaftskandidaten sind neben Trump der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, und die ehemalige US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley. Weitere Bewerber sind der Senator Tim Scott, der frühere Gouverneur des Südstaates Arkansas, Asa Hutchinson, und der Pharma-Unternehmer Vivek Ramaswamy. Die Präsidentenwahl steht am 5. November 2024 an. Wer am Ende der offizielle Kandidat wird, entscheidet eine parteiinterne Vorwahl.

Bei den Demokraten ist weniger Bewegung zu erwarten. Präsident Biden tritt zur Wiederwahl an, und als Amtsinhaber dürfte er aus den eigenen Reihen kaum ernstzunehmende Konkurrenz im Wahlkampf bekommen.

Pence versteht sich als klassischer Konservativer, der die Republikanische Partei zu ihren Wurzeln zurückbringen will. Er ist tiefgläubig, spricht gerne und viel über Religion, pflegt das Image des braven Staatsdieners. Für Trump deckte der evangelikale Christ damals diese wichtige Wählergruppe ab. Pence unterstützt auch ein landesweites Abtreibungsverbot, was vielen Konservativen, gerade am äußeren Rand, sehr wichtig ist.

“Andere Zeiten erfordern eine andere Führung”, betont Pence in seinem Video. Es wäre zwar “einfach, an der Seitenlinie zu bleiben”, aber so sei er nicht erzogen worden – deshalb wolle er Präsident werden.

Pence hat durch seine Amtszeit als Vizepräsident zwar einen hohen Bekanntheitsgrad, allerdings hat er mit schlechten Beliebtheitswerten zu kämpfen. Jahrelang trat Pence als treu ergebener Weggefährte Trumps auf. Weit mehr noch als andere Vizepräsidenten vor ihm war er darauf erpicht, seinen Chef ständig zu loben und auf eine Art Podest zu heben. Doch spätestens in den Wirren nach der Präsidentschaftswahl 2020 wurde das Verhältnis der beiden nachhaltig beschädigt.

Trotzdem äußerte sich Pence zuletzt wieder gemäßigt über seinen ehemaligen Chef. So lehnte er etwa eine Anklage Trumps wegen dessen Rolle beim Sturm auf das Kapitol ab. “Das würde unheimlich spalten in einem Land und zu einer Zeit, in der das amerikanische Volk sehen will, dass wir heilen”, sagte Pence. Mit der gleichen Begründung verteidigte er Trump gegen die Anklage wegen Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar.

Von: APA/dpa/AFP