Von: mk
Bozen – Weil im Juni 2016 sich die Südtiroler mit deutlicher Mehrheit bei einer Volksbefragung dagegen ausgesprochen, dass in den Bozner Flugplatz weitere öffentliche Gelder fließen, will das Land seine Anteile an der Betreibergesellschaft ABD verkaufen. Die Landesregierung beschließt heute die Ausschreibung. Der Verkauf des Flugplatzes stößt bei Umweltschützern allerdings auf Kritik. Der Grund: Das Land hat die Verlängerung der Piste auf 1.432 Meter in die Ausschreibung mit aufgenommen.
„Die scheidende Landesregierung ignoriert mit dem heutigen Beschluss gleich zwei Referenden zum Bozner Flugplatz. Damit zeigt sie der Südtiroler Bevölkerung einmal mehr, was sie von demokratischer Entscheidungsfindung hält – natürlich pünktlich erst nach den Wahlen!“, kritisiert der Dachverband für Natur- und Umweltschutz in einer Aussendung.
Der Bozner Flugplatz schreibe eine mittlerweile über zwei Jahrzehnte lange Misserfolgs-Geschichte. Die Südtiroler Bevölkerung lehne die „unnütze und sinnlose Struktur“, die bisher weit über 130 Millionen Euro an Steuergeld gekostet hat, unmissverständlich ab. In den beiden Volksabstimmungen von 2009 und 2016 habe das Volk einen klaren Auftrag an die Politik erteilt und Nein zum Bozner Flugplatz gesagt.
Laut Ansicht des Dachverbands würden sich die SVP und die Landesregierung nun weigern, den Willen des Volkes umzusetzen. „Es ist gar zu augenscheinlich, dass die Landtagswahlen mit ein Grund für die Verzögerung der Ausschreibung waren. Hätte die scheidende Landesregierung diesen Beschluss nämlich vor der Wahl getroffen, hätte die SVP sicherlich mit noch größeren Verlusten rechnen müssen“, ist der Dachverband überzeugt.
Fragwürdig sei auch die Praxis der scheidenden Landesregierung. Diese habe nach den Wahlen in erster Linie die Aufgabe, die ordentliche Verwaltung sicherzustellen und nur noch technische Beschlüsse zu fassen. Tatsächlich seien Beschlüsse wie etwa jene zu Sexten oder jetzt zum Bozner Flugplatz aber weitreichend und schwerwiegend. So nehme die scheidende Landesregierung wichtige politische Entscheidungen vorweg, noch bevor sich der Landtag konstituiert hat und eine neue Landesregierung steht, meint der Dachverband.
Mit der nun medial kolportierten Ausschreibung wolle man entgegen dem Wählerwillen nun doch die Pistenverlängerung auf 1.432 Meter durchboxen, indem man die „Schuld“ dafür der italienischen Flughafenbehörde ENAC gibt. „Man vergisst dabei allerdings zu erwähnen, dass der Staat bereits im Jahr 2015 mit dem Flughafenplan den Weg frei gemacht hat, um jene Flugplätze an die Regionen bzw. autonomen Provinzen abzutreten, welche nicht strategisch und von nationalem Interesse sind. So hätte der Wählerwillen ohne Wenn und Aber umgesetzt werden können, indem die Nutzung des Bozner Flugplatzes ausnahmslos auf die Zwecke des Zivilschutzes, der Gesundheitsversorgung und der öffentlichen Sicherheit beschränkt worden wäre, was wiederum die in Anspruch genommene Fläche drastisch reduziert hätte“, sind die Umweltschützer überzeugt.
Wie sich die Verpflichtung der Pistenverlängerung mit dem Kaufpreis der ABD und den dafür notwendigen Flächen, die das Land Südtirol vor Jahren um gut neun Mio. Euro angekauft hat, vereinbaren lässt, werde hoffentlich der Rechnungshof genauestens prüfen. Inkompatibel erschein zudem auch die von der Gemeinde Leifers bereits eingeleitete Bauleitplanänderung dieser Flächen mit der jetzt zu beschließenden Ausschreibung.
„Die scheidende Landesregierung sträubt sich mit dieser Ausschreibung gegen jede Lösung, die im Einklang mit dem Wählerwillen der beiden Volksabstimmungen steht. Die Entscheidung erst zum jetzigen Zeitpunkt zu fällen, bedeutet aber nicht nur eine Geringschätzung der Entscheidungen der Volksabstimmungen, sondern auch, dass man die Wähler vor den Landtagswahlen diese Absichten bewusst vorenthalten hat. Daraus ergeben sich die Fragen, ob dies nicht schon an Wählertäuschung grenzt und wie wohl unter diesen Prämissen eine transparente und bürgerfreundliche Politik in der kommenden Legislatur umgesetzt werden wird“, erklären die Umweltschützer abschließend.
Benedikter: „Volksentscheid 2016 verbietet jegliche Pistenverlängerung“
Laut Stadtviertelrat Rudi Benedikter ist eine Verlängerung der Piste auf 1.432 Meter hingegen überhaupt nicht möglich. Dies sei deshalb der Fall, weil der Volksentscheid 2016 das Landesgesetz Nr.60/2015, das „Flughafenentwicklungskonzept 2015“ und damit die Einstufung in die Kategorie 2/C abgelehnt hat. Der sogenannte „Masterplan 2011“ sei obsolet. Er wäre nur unter der Bedingung zur Anwendung gelangt, wenn die der Volksentscheid das Gesetz bestätigt hätte, ist Benedikter überzeugt
Seiner Ansicht nach sei in Sachen Flugplatz nicht der „Masterplan der ENAC“, sondern die Rechtslage in Südtirol einzuhalten.
Weder die Landesregierung noch private Betreiber des Flughafens könnten – rechtlich gesehen – die Startbahn des Bozner Flugplatzes verlängern. Denn das ‚Nein‘ der Volksabstimmung vom 12. Juni 2016 habe nicht nur die öffentliche Finanzierung des Flugplatzes durch das Land abgelehnt, sondern das gesamte Landesgesetz Nr. 60/2015 mit dessen Artikel 2 („Entwicklungsziele“), der darin enthaltenen Kategorie 2/C („kommerzieller Flugbetrieb“) und dem darin enthaltenen „Flughafenentwicklungskonzept 2015“.
„Eine Verlängerung der Piste auf 1.432 Meter ist deshalb nicht möglich, weil mit dem Volksentscheid auch die Einstufung in die Kategorie 2/C abgelehnt wurde“, betont Benedikter.
Im Übrigen habe das Verkehrsministerium den Bozner Flugplatz als Betrieb schon längst aus der Liste der „Regionalflughäfen von nationalem Interesse“ gestrichen (Legislativdekret Nr. 85 vom 28.05.2010.
STF: „Landesregierung betrügt die Wähler“
Auch die Süd-Tiroler Freiheit äußert sich empört. Dass die Start- und Landebahn des Flughafens in Bozen ausgebaut werden soll, sei genau jenes Szenario, das die Süd-Tiroler Freiheit schon lange vorhergesagt hat, kritisiert Stefan Zelger von der Bezirksgruppe Überetsch-Unterland.
„Die Landesregierung wollte nie etwas anderes, als den Ausbau des Flughafens, obwohl die Bevölkerung mehrmals klar und deutlich Nein dazu gesagt hat. Sie hat diese Entscheidung bewusst bis nach den Landtagswahlen verschleppt und betrügt die Wähler“, fügt Zelger hinzu.
Vor über zwei Jahren am 12. Juni 2016 hätten die Südtiroler mit einer überwältigenden Mehrheit von 70,7 Prozent gegen die Flughafenträume der SVP gestimmt. In einigen betroffenen Gemeinden im Unterland lag das Ergebnis bei bulgarischen 90 Prozent. „Die Bewertung und die Ausschreibung der Flughafen-Betreibergesellschaft ABD wurden offensichtlich in die Länge gezogen, um jetzt nach der Landtagswahl das zu tun, was Kompatscher und Co immer wollten: den Flughafen ausbauen und die Start- und Landebahn verlängern“, zeigt sich Zelger überzeugt.
Anders als es der Landeshauptmann gerne darstellt, habe die Bevölkerung nicht „nur“ gegen die Finanzierung des Flughafens mit Steuergeld gestimmt, sondern gegen das Gesamtkonzept der Landesregierung, enthalten im Gesetz Nr. 60 aus dem Jahr 2015, „Bestimmungen zum Flughafen Bozen“. Darin seien auch der Ausbau und die Verlängerung der Start- und Landebahn abgelehnt worden.
„Mit der Ausschreibung und der Veräußerung der ABD will die Landesregierung die Pistenverlängerung auf 1.432 Meter durchboxen und sie damit fast genauso weit verlängern, wie es im abgelehnten Gesamtkonzept vorgesehen war. Und als Krönung des unwürdigen Schauspiels behauptet der Landeshauptmann ernsthaft, dass man der Volksbefragung Rechnung tragen würde, ‚ohne etwas dazu oder weg zu tun‘. Aber den einzigen, denen Kompatscher Rechnung trägt, sind die Wirtschaftslobbys. Dem Willen des Volkes wird dieses Vorgehen in keiner Weise gerecht“, kritisiert die Bezirksgruppe Überetsch-Unterland der Süd-Tiroler Freiheit abschließend.