Von: APA/dpa/AFP
Freude von Paris bis Kiew: Nach dem Wahlsieg des pro-europäischen Politikers Nicușor Dan bei der Präsidentenwahl in Rumänien zeigen sich europäische Spitzenpolitiker erleichtert. Am späten Abend gratulierten der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dessen moldauische Kollegin Maia Sandu dem 55-Jährigen zum Sieg gegen den Rechtspopulisten George Simion.
Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen wünschte seinem künftigen Amtskollegen “alles Gute”. “Ich freue mich darauf, die exzellenten Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern bilateral und innerhalb der EU weiter zu stärken”, schrieb der Bundespräsident am Montag in der Früh in sozialen Medien. Mit dem Sieg Dans endet eine monatelange innenpolitische Krise, nachdem die Präsidentenwahl Ende November wegen Wahlmanipulationen über TikTok vom Verfassungsgericht aufgehoben worden war. Den Urnengang hatte überraschend der pro-russische Rechtsextremist Călin Georgescu gewonnen, dem in der Folge ein neuerliches Antreten untersagt wurde.
Dan erzielte nach Auszählung der Stimmen aller Wahllokale rund 53,60 Prozent, Simion rund 46,40 Prozent. Am späten Abend gestand Simion seine Niederlage nach langem Zögern ein. Dan rief Tausenden jubelnden Fans vor dem Bukarester Rathaus zu: “Dieser Sieg gehört Euch!” Die begeisterte Menge antwortete im Chor: “Russland, Russland, Rumänien gehört nicht dir!” Dies bezog sich darauf, dass Dans Rivale Simion den Kremlfreund Georgescu für das Amt des Ministerpräsidenten hatte durchsetzen wollen. Dan amtiert derzeit noch als Bürgermeister von Bukarest.
Kreml wertet Wahl als “seltsam”
Als “gelinde gesagt seltsam” kritisierte der Kreml die Wahl. Georgescu sei unfair disqualifiziert worden, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag. “Wir kennen die Geschichte des Kandidaten, der die besten Chancen hatte zu gewinnen. Ohne sich um eine Rechtfertigung zu bemühen, wurde er einfach gewaltsam aus dem Rennen genommen”, sagte Peskow.
Dan warnt vor schweren Zeiten
Dan betonte am Wahlabend mehrfach, dass wegen des hohen Budgetdefizits und wegen einer voraussichtlich schwierigen Regierungsbildung viel Arbeit auf ihn zukomme. “Es wird eine schwierige Zeit sein, die notwendig ist, um die Wirtschaft (…) ins Gleichgewicht zu bringen, um die Grundlagen für eine gesunde Gesellschaft zu schaffen. Bitte haben Sie dafür Geduld”, sagte er.
Der sozialdemokratische Ministerpräsident Marcel Ciolacu war am 5. Mai wegen der Niederlage seines Kandidaten in der ersten Runde der Präsidentenwahl vom 4. Mai zurückgetreten. Dan rief nun “alle pro-europäischen Parteien” im Parlament zur Kooperation auf. Allerdings haben drei extrem rechte Parteien zusammen mehr als ein Drittel der Sitze im Parlament, darunter die Partei AUR von Simion.
Mit Simion wären die Zeichen auf Unberechenbarkeit gestanden
Der Rechtspopulist Simion gestand seine Niederlage erst nach langem Zögern ein. Er gratulierte Dan in einer Videobotschaft bei Facebook und sprach dabei von seiner “bitteren Niederlage”. Weit vor dem Ende der Auszählung hatte sich Simion noch zum Sieger erklärt. “Wir sind die klaren Gewinner dieser Wahl. Wir beanspruchen diesen Sieg im Namen des rumänischen Volkes”, sagte er. Vor den Wahlen hatte Simion den Behörden Versuche des Wahlbetrugs unterstellt, ohne Beweise vorzulegen.
Hätte Simion die Wahl gewonnen, wäre auf Rumänien und auch die EU wohl ein weitgehend unberechenbarer Staatschef zugekommen. Kritiker werfen dem Populisten vor, flatterhaft und launisch zu sein. Er vertrat mitunter widersprüchliche politische Ansichten. Einerseits wollte er etwa dem rechtsextremen Kremlfreund Georgescu zur Macht verhelfen und ihn zum Regierungschef machen, wie er am Wahlabend bestätigte. Andererseits hatte Simion zuletzt Russland im Ukraine-Konflikt als Aggressor bezeichnet, aber auch weiteren Hilfen für die Ukraine eine Absage erteilt.
Simion äußerte in der Vergangenheit Bewunderung für die Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und hätte Experten zufolge wahrscheinlich diesen in seinen Konflikten mit der EU-Kommission unterstützt. Im Europäischen Rat wird Rumänien vom Staatspräsidenten vertreten. Zugleich aber war der Nationalist Simion auch als Gegner der in Rumänien lebenden ungarischen Minderheit aufgetreten. Eine Rede Orbáns kurz vor der Wahl, die Unterstützung für Simion bekundete, sorgte für Bestürzung in den Reihen der ungarischen Minderheit. Diese galt seit langem als stramme Verbündete Orbáns. In den mehrheitlich ungarischsprachigen Gebieten Rumäniens und auch unter den (meist ungarischsprachigen) rumänischen Staatsbürgern in Ungarn siegte Dan mit überwältigender Mehrheit.
Glückwünsche für Dan aus Kiew, Brüssel und Chisinau
Der ukrainische Präsident Selenskyj gratulierte Dan zu seinem “historischen Sieg”, wie er auf der Kurznachrichten-Plattform X schrieb. “Wir werden immer einen hohen Respekt für Rumänien und seine Menschen haben, insbesondere angesichts der Hilfe, die wir während der schwersten Zeit unserer Geschichte bekommen haben”, fügte er hinzu. Rumänien unterstützt das vom russischen Angriffskrieg heimgesuchte Nachbarland Ukraine vor allem in der Logistik und bietet sein Territorium als Transportweg an.
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen schrieb auf X, die Rumänen hätten mit der Entscheidung für Dan “das Versprechen eines offenen, wohlhabenden Rumänien in einem starken Europa gewählt”. Frankreichs Präsident Macron rief seinen künftigen neuen Kollegen in Bukarest an, wie er auf X mitteilte. Die Rumänen hätten “trotz zahlreicher Manipulationsversuche (…) den Weg der Demokratie” gewählt.
Glückwünsche kamen auch aus der ebenfalls von Russland bedrängten Republik Moldau. Präsidentin Maia Sandu hatte ihre Bürger aufgerufen, für Dan zu stimmen. Viele Moldauer haben auch einen rumänischen Pass. “Die ganze Welt sieht, wie stark wir sind, wenn wir zusammenhalten”, schrieb Sandu auf Facebook. Dan erhielt fast 88 Prozent der Stimmen der in Moldau wählenden Rumänen.
Die Wahl bestätigte auch die tiefe Kluft zwischen Rumänien und seiner großen ausländischen Diaspora. In vielen westeuropäischen Ländern setzte sich nämlich der Rechtskandidat Simion durch. So erhielt er auch in Österreich 66,1 Prozent der Stimmen.
FPÖ-Europaabgeordnete Petra Steger griff indes eine Behauptung des Telegram-Gründers Pawel Durow auf, wonach ein westeuropäischer Staat im Vorfeld der Wahl versucht haben soll, konservative Stimmen auf der Plattform zum Schweigen zu bringen oder gezielt zu zensurieren. Dies sei “nichts anderes als ein Angriff auf die Demokratie selbst”. Steger forderte die EU-Kommission auf, “diesen schwerwiegenden Vorwürfen unverzüglich nachzugehen, Transparenz herzustellen und offenzulegen, wer in diese versuchte Wahlbeeinflussung involviert war”.
Aktuell sind 5 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen