Ein neues Beteiligungsgesetz für Südtirol

Direkte Demokratie im Landtag: Reaktionen

Mittwoch, 25. Juli 2018 | 20:18 Uhr

Bozen – “Nach vier Jahre dauerndem Ringen mit Bürgerinnen und Bürgern und ihren Organisationen und, vor allem zuletzt, zwischen den Parteien und innerhalb der Parteien um einen tragbaren Kompromiss, ist vom Landtag ein neues Gesetz zur Direkten Demokratie beschlossen worden. Festzuhalten ist, dass trotz weiter bestehender Mängel jetzt zweifellos ein besseres Gesetz zur Ausübung des Mitbestimmungsrechtes zur Verfügung steht, als das seit 2005 geltende”, so die Initiative für mehr Demokratie.

“Veranlasst vom Referendum 2014 gegen ein nur von der SVP gewolltes Gesetz, sind jetzt die Mitbestimmungsrechte auf eine anwendbare Weise geregelt worden: Vor allem mit dem auf 25 % abgesenkten Beteiligungsquorum und mit einer auf sechs Monate verlängerten Sammelzeit für die leider weiterhin erforderlichen 13.000 Unterschriften (anstatt der ursprünglich im Gesetzentwurf vorgesehenen 8.000); eine bessere Anwendbarkeit ist auch mit dem sog. Abstimmungsheft garantiert, mit dem alle Haushalte im Land über den Inhalt von Volksabstimmungen und über die befürwortende und ablehnende Position informiert werden”, so die Initiative für mehr Demokratie weiter.

“Mit der Einführung des echten (bestätigenden) Referendums über Landesgesetze ruht Direkte Demokratie in Südtirol jetzt wirklich auf ihren zwei Säulen: auf dem Recht zur Volksinitiative, mit der Gesetzesvorschläge aus dem Volk diesem zur Volksabstimmung vorgelegt werden können, und auf dem Referendumsrecht, d.h. mit der Möglichkeit, vor Inkrafttreten eines vom Landtag beschlossenen Gesetzes in einer Volksabstimmung festzustellen, ob das Gesetz von einer Mehrheit der Wähler angenommen wird und ob es in Kraft treten soll. Das ist genauso ein Novum in Italien, wie mit dem Gesetz von 2005 die Einführung der „gesetzeseinführenden Volksabstimmung“ (Volksinitiative), mit der den Bürgerinnen und Bürgern gesetzgebende Gewalt übertragen worden ist. Südtirol bleibt mit dieser neuen Regelung Vorreiter der Direkten Demokratie in Italien”, meint die Initiative für mehr Demokratie.

“Beschämend war jedoch die Art und Weise der Behandlung dieses Gesetzentwurfes im Plenum des Landtages. Sie ist in das Ende der Legislatur gedrängt worden, so dass jede Zeit, zum Teil aber auch der Wille gefehlt hat, sich angemessen mit den Verbesserungsvorschlägen der Landtagsminderheit auseinanderzusetzen, die grundsätzlich alle von der Mehrheit abgewiesen worden sind, obwohl sie großteils nur technischer Art waren. Eine parteiübergreifende Behandlung der Materie hat nicht stattgefunden und „Daumen rauf/Daumen runter“ hat munter regiert. Besonders schmerzlich ist die Streichung aus dem Gesetzentwurf der beratenden Volksabstimmung über Beschlüsse und damit über Projekte der Landesregierung. Das ist der Mangel am neuen Gesetz, an dem die Notwendigkeit weiterer Arbeit am deutlichsten sichtbar wird”, kritisiert die Initiative für mehr Demokratie.

“Es ist jedenfalls in jederlei Hinsicht ein Gesetz der Bürgerinnen und Bürger verabschiedet worden. Es wäre nicht entstanden ohne die jahrelange Tätigkeit der Initiative für mehr Demokratie mit fünf Volksbegehren und zwei Volksabstimmungen, wenn nicht viele Organisationen viele Jahre lang die Bestrebungen unterstützt hätten, wenn im vergangenen Sommer nicht wieder12.000 Bürgerinnen und Bürger diesen Gesetzentwurf im Landtag eingebracht hätten, aber freilich auch nicht, wenn es nicht eine mutige Abgeordnete der SVP und eine Parteigrenzen überwindende der Grünen gegeben hätte, eine Opposition, die jetzt zusammengehalten hat und eine SVP, die, vom Landeshauptmann zur Konsenssuche angehalten, zuletzt doch noch über ihren Schatten gesprungen ist. Direkte Demokratie bringt die Demokratie schon auf dem Weg ihres Zustandekommens in Bewegung, jetzt wird sie diese allein schon mit ihrer besseren Anwendbarkeit in Bewegung halten”, abschließend die Initiative für mehr Demokratie.

Grüne: Erfolg für die Direkte Demokratie im Landtag

“Heute wurde im Südtiroler Landtag Demokratiegeschichte geschrieben: Nach jahrelangem Tauziehen, vielen Treffen mit BürgerInnen und Interessensvertretungen und langwieriger Kleinarbeit ist es heute gelungen, ein gemeinsam gestaltetes Gesetz zu beschließen”, so die Grüne Landtagsfraktion.

“Im Sinne einer Politik der kleinen Schritte, die ein großes Ziel vor Augen hat, ist der verabschiedete Gesetzentwurf „Direkte Demokratie, Partizipation und politische Bildung“ der Abgeordneten Magdalena Amhof, Brigitte Foppa und Josef Noggler ein großer Erfolg. Das Gesetz stellt inhaltlich eine eindeutige Verbesserung der jetzigen Situation dar, die partizipative Gesetzeserstellung verleiht ihm zusätzlich ein breites Fundament”, so die Grünen weiter.

Folgende Neuerungen, welche die demokratische Praxis in Südtirol grundlegend reformieren, befinden sich im Gesetz:

Die Möglichkeiten der Mitbestimmung:

·      Die aufhebende, einführende, beratende und bestätigende Volksabstimmung.

Erleichterung der Direkten Demokratie:

·      Die Unterschriftensammlung wird erleichtert, das Quorum gesenkt (von 40% auf 25%) und die Vergütung (1 Euro statt 50 Cent pro Unterschrift) erhöht.

·      Für die BürgerInnen wird die Fragestellung in eine verständliche Kurzformulierung „übersetzt“.

Neue Formen der BürgerInnenbeteiligung:

·      Für den Bürgerrat werden aus der Bevölkerung mindestens 12 Personen eingeladen, über einen bestimmten Sachverhalt eine Empfehlung auszusprechen.

Mehr Informationen für die BürgerInnen und mehr Support für InitiatorInnen:

·      Am Landtag wird das Büro für politische Bildung und Bürgerbeteiligung eingerichtet, das über laufende Volksabstimmungen informiert, die Informationsbroschüre für die Haushalte redigiert und die politische Bildung im Lande koordiniert.

“Nach vier Jahren Arbeitszeit hat das Amhof/Foppa/Noggler-Gesetz einen deutlichen Fortschritt für die Direkte Demokratie und die politische Kultur in Südtirol erzielt sowie die Grenze zwischen Politik und BürgerInnen überwunden”, so die Grünen abschließend.

Abstimmung Votazioni DirDem

Von: ka

Bezirk: Bozen