Die Waffen sollen vorübergehend schweigen

Israel: Gericht lehnt Einspruch gegen Geisel-Deal ab

Mittwoch, 22. November 2023 | 22:58 Uhr

Israels Oberstes Gericht hat Medienberichten zufolge einen Einspruch gegen die Vereinbarung zum Austausch von Geiseln aus Israel gegen palästinensische Häftlinge abgelehnt. Die Richter sahen keinen Grund für ein Eingreifen des Gerichts gegen den Beschluss der Regierung, im Zuge eines Abkommens mit der islamistischen Hamas palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen für in den Gazastreifen verschleppte Geiseln aus Israel auszutauschen.

Dies berichteten die israelische Zeitung “Haaretz” und der TV-Sender N12 am Mittwoch. Die Regierung sei befugt, solche Abkommen zu schließen.

Mit dieser Entscheidung wird eine wichtige Hürde für die Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas genommen. Nach israelischem Recht können Angehörige von Terroropfern gegen die Freilassung bestimmter palästinensischer Häftlinge Einspruch einlegen. Für eine solche Petition beim Obersten Gericht haben sie 24 Stunden nach einem solchen Regierungsbeschluss Zeit.

Der Prozess der Geisel-Freilassung ist nach Angaben des israelischen Armeesprechers komplex und noch nicht abgeschlossen. Das Militär bereite die Umsetzung dieser ersten Phase der Vereinbarung zwar vor, sagte Daniel Hagari. Die Rückführung der in den abgeriegelten Küstenstreifen verschleppten Menschen könne allerdings Zeit in Anspruch nehmen und in mehreren Etappen ablaufen.

Es sei die Pflicht der israelischen Armee, alles zu tun, um die Geiseln – Frauen, Männer, ältere Menschen und Kinder – zurück nach Hause zu bringen, sagte Hagari. Der israelischen Öffentlichkeit würden jedoch Tage bevorstehen, die sowohl von Erleichterung als auch von Schmerz geprägt sein würden. Hagari warnte vor Falschnachrichten und rief dazu auf, nur offiziellen Ankündigungen und Nachrichten zu glauben.

Die Vereinbarung zwischen Israel und der islamistischen Hamas sieht auch eine maximal zehntägige Feuerpause in Israel und dem abgeriegelten Gazastreifen vor. Das israelische Kabinett stimmte in der Nacht auf Mittwoch dem Abkommen zu. Konkret geht es dabei den Austausch von bis zu 100 Geiseln aus Israel gegen bis zu 300 palästinensische Insassen israelischer Gefängnisse. Die Kampfpause soll nach Angaben der Hamas am Donnerstag um 10.00 Uhr Ortszeit (9.00 Uhr MEZ) beginnen.

Zuvor hatte Israel weitere Details zum Abkommen mit der Hamas über eine Feuerpause sowie den Austausch israelischer Geiseln gegen palästinensische Häftlinge veröffentlicht. Für den gesamten Austausch von bis zu 300 palästinensischen Häftlingen gegen bis zu 100 lebende Geiseln aus Israel sind maximal zehn Tage vorgesehen, hieß es in dem am Mittwoch veröffentlichten Kabinettsbeschluss dazu.

Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben Einrichtungen des militärischen Geheimdienstes der Hamas im Gazastreifen zerstört. Bei der Operation seien mehrere Hamas-Terroristen getötet sowie Anlagen zur Waffenproduktion freigelegt worden, teilte das Militär am Mittwochabend mit. Bei dem Einsatz in den Vierteln Issa und Tel el-Hawa konnten außerdem Geheimdienstmaterial, technische Instrumente sowie wichtige Informationen über die Untergrundinfrastruktur der Terrororganisation gesammelt werden, hieß es in der Mitteilung weiter.

Hilfsorganisationen kritisierten die viertägige Waffenruhe im Gazastreifen als ungenügend. Sie forderten mehr Zeit zur Lieferung lebenswichtiger Hilfsgüter in das Gebiet. Die vereinbarte Waffenruhe sei “nicht genug und ganz sicher nicht ausreichend mit Blick auf die Menschenrechte”, sagte Paul O’Brien von Amnesty International am Mittwoch bei einer Videokonferenz mit weiteren Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen, Oxfam und Save the Children.

Die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist seit Kriegsbeginn nach Angaben der islamistischen Hamas auf mehr als 14.500 gestiegen. Mehr als 35.000 Menschen seien verletzt worden, teilte die Regierungspressestelle in Gaza am Mittwochabend mit. Tausende Menschen würden außerdem weiter vermisst. Diese Zahlen lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen. Die Hamas wird von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft. Es handelt sich den Angaben nach um die mit Abstand höchste Zahl getöteter Palästinenser während eines Kriegs in der Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts.

Auslöser des Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt haben. Auf israelischer Seite sind mehr als 1200 Menschen getötet worden, darunter mindestens 850 Zivilisten.

Von: APA/dpa/AFP