Von: mk
Bozen – Sie hat ihren Doktortitel mit Summa cum laude erworben, sie arbeite als Universitätsdozentin in Mathematik und im Jahr 1972 war sie die erste Frau in Italien, die öffentlich zu ihrer Homosexualität stand. Doch dabei hat sie alles verloren: die Frau, die sie liebte, ihre Arbeit und die Bindungen zu ihrer Familie. Vor wenigen Tagen ist Mariasilvia Spolato im Alter von 83 Jahren in einem Altersheim in Bozen gestorben.
Laut einem Bericht von Alto Adige online hat Mariasilvia Spolato, die ursprünglich aus Padua stammte und dann nach Rom zog, für ihren Mut und ihre Ehrlichkeit einen hohen Preis bezahlt. Viele Jahre lebte sie als Obdachlose auf der Straße.
Gemeinsam mit Angelo Pezzana hat sie im Jahr 1971 die Zeitschrift „Fuori“ gegründet, die sich bald zur ersten offen homosexuellen Organisation in Italien entwickelte. Die unermüdliche Aktivistin publizierte das „erste lesbische Gedicht des italienischen Neofeminismus“ und das Buch „I movimenti omosessuali di liberazione“, das noch heute als Standardwerk ziviler Bürgerrechte gilt.
Doch Italien, das auch heute noch in vielerlei Hinsicht rückständig ist, war es in den 70-er Jahren noch mehr. Ohne Geld und ohne Haus wurde Mariasilvia nach und nach an den Rand der Gesellschaft gedrängt.
Zuerst schlief sie bei Freunden, dann auf Bahnhöfen, in Zügen und in Parks. Wie sie nach Bozen kam, ist unklar. Sie ist viel herumgereist in Europa. Sämtliche Lokführer hätten sie gekannt, soll sie einmal erklärt haben. In der Südtiroler Landeshauptstadt hielt sie sich oft am Bahnhofsgelände, in der Stadtbibliothek oder auf der Talferpromenade auf. Stets hatte sie Zeitschriften und Bücher bei sich.
Lange Zeit hatte sie sich anderen Menschen gegenüber verschlossen, wollte nicht von sich erzählen – und schon gar keine Hilfe annehmen. In den 90-er Jahren erlitt sie eine Gewebs-Nekrose an einem Bein und musste im Bozner Krankenhaus behandelt werden. Anschließend nahmen sich die Sozialdienste ihrer an und sie kam im Haus Margareth unter, einer Einrichtung für Frauen in Not. Dann wurde sie in die Villa Harmonie, ein Altersheim in Bozen, verlegt. Doch zunächst kam sie nur zum Schlafen und war untertags ständig unterwegs.
Erst nach drei Jahren öffnete sie sich auch seelisch und ließ die Mitarbeiter der Einrichtung an sich heran.
Die Beerdigung findet am Freitag um 13.45 Uhr in Bozen statt. Organisiert wird das Begräbnis von Angehörigen und vom Betrieb für Sozialdienste Bozen, wie Direktorin Liliana Di Fede auf Facebook mitteilt.
Auch der Fotograf Lorenzo Zambello hat vom Tod der 83-Jährigen erfahren. „Silvia hat das Herz von allen erobert. Als Fotograf war es für mich ein Ehre, sie fotografieren zu dürfen. In Wirklichkeit mochte sie es nicht, fotografiert zu werden“, erklärt Zambello.
Im Frühjahr habe er mehrere Porträts von Senioren im Altersheim angefertigt. Dabei habe er Mariasilvia Spolato kennengelernt.