Ukrainische Soldaten auf einem Panzerfahrzeug im Raum Saporischschja

Kämpfe und erste Erfolge in Gegenoffensive in der Ukraine

Montag, 12. Juni 2023 | 16:07 Uhr

Die Ukraine berichtet von schweren Kämpfen und ersten kleineren Erfolgen im Zuge ihrer Gegenoffensive. Seit Sonntag seien vier Dörfer im Südosten zurückerobert worden, teilte Kiew am Montag mit. Es ist der schnellste Vorstoß der ukrainischen Truppen seit sieben Monaten. Ein Durchbruch der tiefen russischen Verteidigungslinien ist das aber nicht. In der Nacht auf Montag habe es rund 25 Gefechte in der Nähe von Bachmut im Osten gegeben, erklärte der ukrainische Generalstab.

Auch weiter südlich in der Nähe von Awdijwka und Marjinka sei es zu Kämpfen gekommen. Die drei Ortschaften liegen in der ostukrainischen Oblast Donezk. Auch bei Bilohoriwka in der Oblast Luhansk hätten sich ukrainische und russische Einheiten Gefechte geliefert. Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, in Donezk und Saporischschja sei der Versuch einer ukrainischen Offensive zurückgeschlagen worden. Unabhängig überprüfen lassen sich solche Mitteilungen über das Kampfgeschehen nicht.

Während das ukrainische Militär in der vergangenen Woche weitgehend Stillschweigen über seine Gegenoffensive bewahrt hatte, meldete es nun Erfolge auf dem Schlachtfeld. “In der vergangenen Woche erlitten die russischen Invasoren in Richtung Bachmut erhebliche Verluste”, erklärte der Generalstab. Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar veröffentlichte ein Foto, das nach ihren Angaben Soldaten zeigt, wie sie die ukrainische Flagge im Dorf Storoschewe in Donezk hissen. Maljar dankte in ihrem Post der 35. Separaten Marinebrigade dafür, dass sie Storoschewe befreit hätten – es ist das mittlerweile vierte Dorf.

Bereits am Sonntag hatte die Ukraine erklärt, ihre Truppen seien auf drei Dörfer in Donezk vorgerückt und hätten sie befreit: Blahodatne, Neskuchne und Makariwka. Ein Sprecher des ukrainischen Militärs sagte im Fernsehen, bei der Rückeroberung des Dorfes Blahodatne handle es sich um die ersten, örtlich begrenzten Erfolge der jüngsten Gegenangriffe. Es war das erste Mal, seit diese Gegenangriffe in den vergangenen Tagen gestartet wurden, dass die Befreiung eines Ortes von russischer Besatzung bekanntgegeben wurde.

Der von der Führung in Kiew dargelegte Vorstoß verläuft auf einer Strecke von nur fünf Kilometern. Der Schauplatz der Gefechte ist von der Küste des Asowschen Meeres noch rund 90 Kilometer entfernt. Damit ist auch eine Teilung der von russischen Truppen besetzten Landbrücke zur annektierten Halbinsel Krim noch längst nicht erreicht.

Einige bekannte russische Militärblogger teilten mit, dass die ukrainischen Streitkräfte zwar die Ortschaften Blahodatne und Neskuchne eingenommen hätten, dass die Kämpfe um Makariwka jedoch weitergingen. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Freitag erklärt, die Ukraine habe es nicht geschafft, die russische Verteidigung zu durchbrechen. Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte am Sonntag mitgeteilt, die russischen Truppen hätten mehrere Leopard-Kampfpanzer und andere Ausrüstung zerstört, die die Ukraine vom Westen erhalten hatte.

Die Ukraine muss militärische Fortschritte vorweisen, wenn sie auch weiterhin in gleichem Maße vom Westen in militärischer, finanzieller und moralischer Weise unterstützt werden will. Die Regierung in Kiew hofft insbesondere auf Kampfjets vom US-Typ F-16. Verteidigungsminister Olexij Resnikow sagte, die ukrainische Regierung wolle Einzelheiten der sogenannten Flugzeugkoalition mit ihren Verbündeten beim nächsten Treffen der Verteidigungskontaktgruppe am 15. Juni in Brüssel besprechen. “Zu diesem Zeitpunkt sprechen wir über die Ausbildung von Piloten … und unseren Technikern und Ingenieuren”, erklärte er nach Militärangaben. Präsident Wolodymyr Selenskyj dringt seit langem auf die Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen und argumentiert, dies wäre ein sicheres Signal der Welt, dass die russische Invasion mit einer Niederlage enden würde.

Es ist zu früh, um aus den ersten Gefechten Rückschlüsse auf einen Erfolg oder Misserfolg der ukrainischen Gegenoffensive zu ziehen. Möglicherweise geht es dabei auch eher darum, die russische Verteidigung zunächst auf die Probe zu stellen, als um einen größeren Vormarsch.

Das in den USA ansässige Institute for the Study of War erklärte, die Ukraine versuche “eine außerordentlich schwierige taktische Operation – einen Frontalangriff auf vorbereitete Verteidigungspositionen, der durch mangelnde Luftüberlegenheit noch erschwert wird”. Diese ersten Angriffe sollten nicht überbewertet werden.

Ben Hodges, ein ehemaliger Kommandant der US-Streitkräfte in Europa, schätzt, dass ein Hauptangriff wohl mehrere Hundert Panzer und Infanterie-Kampffahrzeuge umfassen würde. “Die Offensive hat eindeutig begonnen, aber meiner Meinung nach ist es nicht der Hauptangriff”, schrieb er in einem Artikel für das in Washington ansässige Center for European Policy Analysis. “Wenn wir sehen, dass sich große Panzerformationen dem Angriff anschließen, dann werden wir meiner Meinung nach wissen, dass der Hauptangriff wirklich begonnen hat.”

Von: APA/Reuters