Sorge um Präsenz der Wagner-Söldner in Belarus

Kreml weist Bericht über Vorab-Info zu Aufstand zurück

Mittwoch, 28. Juni 2023 | 18:21 Uhr

Der Kreml hat einen US-Medienbericht als “Spekulation” zurückgewiesen, wonach Russlands Vize-Generalstabschef Sergej Surowikin von dem Aufstandsplan des Wagner-Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin im Vorfeld gewusst haben soll. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko teilte unterdessen mit, den russischen Präsidenten Wladimir Putin von einer Tötung Prigoschins abgehalten zu haben. Lukaschenko kann nach Einschätzung von Militärexperten von den Wagner-Kämpfern profitieren.

“Es gibt jetzt um diese Ereignisse herum viele unterschiedliche Spekulationen und Tratsch”, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. “Ich denke, das ist ein Beispiel dafür.” Die “New York Times” hatte zuvor unter Berufung auf US-Sicherheitskreise berichtet, dass Surowikin im Vorfeld von dem Aufstand der Wagner-Gruppe gewusst habe. US-Beamte wollten nun herausfinden, ob der Armeegeneral bei der Planung geholfen haben könnte. Surowikin gilt als Verbündeter Prigoschins, er hatte sich aber noch in der Nacht auf Samstag auf die Seite des Machtapparats in Moskau geschlagen. In einer Videobotschaft hatte Surowikin Prigoschin dazu aufgerufen, den Machtkampf zu beenden.

Wagner-Chef Prigoschin hatte am Samstag zwischenzeitlich unter anderem die südrussische Stadt Rostow am Don besetzt und ließ seine Kämpfer dann Richtung Moskau marschieren. Rund 200 Kilometer vor der russischen Hauptstadt gab er überraschend auf. Vermittelt hatte in dem Konflikt Lukaschenko. Prigoschin und seinen Söldnern wurde von Putin Straffreiheit und Exil in Belarus zugesichert. Prigoschin soll nach offiziellen Angaben am Dienstag in Belarus eingetroffen sein.

In Warschau gibt es Sorgen über die Anwesenheit der Wagner-Söldner im Nachbarland Belarus. Ihre Anwesenheit sowie die vom Kreml geplante Stationierung von Atomwaffen in Belarus verändern nach Ansicht von Polens Präsident Andrzej Duda die Sicherheitsarchitektur der Region. Die NATO müsse hier sehr wachsam sein, sagte Duda am Mittwoch in Kiew nach einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und dem litauischen Staatschef Gitanas Nauseda.

Die Frage sei, welches Ziel die Verlegung der Wagner-Kämpfer in Polens Nachbarland wirklich habe, fragte Duda: “Sollen sie der Besetzung von Belarus dienen? Sollen sie vom Norden aus eine weitere Bedrohung für die Ukraine bilden(…)? Oder sollen sie auch eine potenzielle Bedrohung für unsere Länder, für NATO-Staaten wie Polen sein?” Belarus betreibe seit zwei Jahren einen “hybriden Angriff” auf die polnische Grenze, verwies Duda auf die Migranten, die 2021 in großer Zahl versuchten, illegal in die EU zu gelangen.

Lukaschenko seinerseits berichtete, er habe bei seinem Gespräch mit Putin herausgehört, dass die Meuterer “ausgelöscht” werden sollen. Er habe Putin vorgeschlagen, nichts zu überstürzen und mit Prigoschin und seinen Befehlshabern zu sprechen. Er habe dem russischen Präsidenten aber geraten, “über den Tellerrand hinauszuschauen”, und gewarnt, dass die Beseitigung Prigoschins zu einem umfassenden Aufstand seiner Söldner führen könnte, sagte Lukaschenko bei einem Treffen mit Armee-Offizieren und Journalisten am Dienstag.

Lukaschenko kann nach Einschätzung von Militärexperten aus den USA von den russischen Wagner-Kämpfern in seinem Land profitieren. Mit diesen versuche er wahrscheinlich, seinen Spielraum zu erweitern und der Absicht des Kremls – nämlich Belarus über den Unionsstaat zu absorbieren – entgegenzuwirken, schrieb das Institut für Kriegsstudien (ISW) mit Sitz in Washington am Dienstag (Ortszeit).

Einige Wagner-Söldner sind nach Worten des ukrainischen Präsidenten zwar immer noch in der Ukraine. Die ukrainische Armee gehe jedoch davon aus, dass die Lage im Norden des Landes unter Kontrolle sei, sagte Selenskyj am Mittwoch. Selenskyj forderte erneut von der NATO ein Bekenntnis zur Aufnahme seines Landes, sobald der russische Angriffskrieg beendet ist. Ein solches Signal müsse der NATO-Gipfel am 11. und 12. Juli in Vilnius der Ukraine geben. Bis zur Aufnahme müsse die NATO seinem Land zudem Sicherheitsgarantien geben, mahnte Selenskyj.

Was mit den Wagner-Söldnern in Afrika passiert, sollen die Staats- und Regierungschefs der afrikanischen Länder nach Angaben Russlands selbst entscheiden. Über die Präsenz der Wagner-Truppen bestimmten die afrikanischen Länder, teilte das russische Außenministerium am Mittwoch mit.

Die Wagner-Truppe war oder ist in einer Vielzahl von Ländern aktiv. Dazu gehören nachgewiesenermaßen Libyen, Mali und die Zentralafrikanische Republik. Aber auch in Simbabwe, dem Sudan und dem Kongo wird der Militärfirma auf die eine oder andere Weise eine Rolle nachgesagt – mal als kämpfende Truppe, mal als Sicherungspersonal etwa für Bergwerke oder russische Unternehmen. Am deutlichsten war ihre Rolle zuletzt in Mali und der Zentralafrikanischen Republik, deren Regierungen bisher Stellungnahmen zu den Entwicklungen in Russland abgelehnt haben. Beide Länder hatten sich seit Jahren um engere Beziehungen zu Russland und um militärische Unterstützung im Kampf gegen islamistische Aufständische und innenpolitische Gegner bemüht.

Von: APA/Reuters/dpa