Von: ka
Bozen – Auf mehreren Wegen will Südtirol im Ehrenamt Eigenständigkeit sichern beziehungsweise zurückgewinnen: durch Einflussnahme auf die staatliche Gesetzgebung und mit eigenen Durchführungsbestimmungen.
Das Ehrenamt und die Besonderheiten des Südtiroler Ehrenamt vor dem Hintergrund der staatlichen Reform des Dritten Sektors standen heute Abend (24. Juli) im Mittelpunkt eines Gesprächs im Innenhof des Landhauses 1. Landeshauptmann Arno Kompatscher hatte die Vertreterinnen und Vertretern der Südtiroler Dachverbände eingeladen, um diese über die angestrebten Änderungen des Kodex des Dritten Sektors zu informieren und um über die Umsetzung der Reform zu sprechen. Mit dabei war auch Senator Meinhard Durnwalder, der über die Initiativen auf römischer Ebene informierte.
Skepsis gegenüber der Reform
Die Reform des Dritten Sektors wurde 2016 per Gesetzesdekret italienweit eingeleitet (Nr. 106/2016). Im Jahr darauf wurde der Kodex des Dritten Sektors erlassen (GvD Nr. 117/2017). “Südtirol hat die vom staatlichen Gesetzgeber initiierte Reform bereits im Vorfeld mit einer gewissen Distanz betrachtet”, sagte Landeshauptmann Kompatscher zu den Vertreterinnen und Vertretern der Südtiroler Dachverbände, “und war und ist darauf bedacht, die eigene Gestaltungshoheit in einem für unser Land so zentralen Bereich zu verteidigen.” Kompatscher verwies dabei auf die “Südtiroler Handschrift” im Kodex des Dritten Sektors. So sei es gelungen, in den Kodex eine Schutzklausel einzuschreiben, um die Beachtung von Autonomiestatut und das Recht auf Muttersprache zu gewährleisten. Auch konnten Verfahrensvereinfachungen sowie die Anerkennung der Freiwilligen Feuerwehren und des Verbraucherschutzes als Organisationen des Ehrenamtes durchgesetzt werden. Weitere Südtiroler Interessen konnten 2019 im Rahmen der staatlichen Korrektur-Dekrete durchgesetzt werden. So etwa die Schaffung eines eigenen regionalen Kontrollgremiums für das Dienstleistungszentrums des Ehrenamts (DZE) oder die Ausnahmeregelung für die ehrenamtlichen Ambulanzdienste.
Vereinsarbeit erleichtern
“Wir sind uns aber durchaus bewusst, dass die Reform die Vereinstätigkeit übermäßig belastet und davon abschreckt, Vereinsämter zu übernehmen”, sagte Kompatscher zu den Anwesenden, was die ehrenamtliche Kultur und Tradition unseres Landes gefährden würde. Daher habe er der Vizeministerin für Arbeit, Maria Teresa Bellucci, abermals Vorschläge zur Abänderung des Kodex des Dritten Sektors unterbreitet, welche die Vereinstätigkeit erleichtern sollen. So peile man eine Anhebung der Schwellenwerte an: Vereine sollten bei bis zu Jahreseinnahmen von 500.000 Euro die vereinfachte Rechnungslegung nach Kassaprinzip anwenden können. Zudem mache man sich für die Berücksichtigung der Funktion auf Landesebene tätiger Verbände von Vereinen, für die Halbierung der Verwaltungsstrafen und für den Ausbau steuerfreier Tätigkeiten der ehrenamtlichen Organisationen stark.
“Diese vier Punkte stufen wir als äußerst dringlich ein”, betonte der Landeshauptmann. “Wir haben in Rom aber noch zwei weitere Vorschläge eingebracht, welche die Rechtslage zugunsten der Vereine im Land deutlich verbessern würden.” Diese betreffen zum einen Vereine ohne Gewinnabsichten, die sich nicht in das Einheitsregister des Dritten Sektors eintragen lassen. Diese sollten weiterhin das Pauschalsystem bei der Besteuerung gewerblicher Einkünfte nutzen können. Zum anderen sollten die strengen Vorschriften zur Zusammensetzung der ehrenamtlichen Organisationen und der Vereine zur Förderung des Gemeinwesens gelockert werden.
Zwei Durchführungsbestimmungen
Senator Durnwalder schilderte im Detail die Schritte, die auf parlamentarischer Ebene sowie in der Sechserkommission und im Austausch mit den zuständigen Ministerien erfolgt sind. “Wir arbeiten dabei auf mehreren Ebenen, zum einen durch Einflussnahme auf die staatliche Gesetzgebung, zum anderen über eigene Durchführungsbestimmungen.” Durnwalder berichtete über die zwei Durchführungsbestimmungen, die bereits die Zustimmung der Sechserkommission erhalten haben und für die er im Herbst mit einer Genehmigung durch den Ministerrat rechne. Die eine erkenne die Sportorganisationen VSS und USSA als regionale Artikulierung des Coni an, die andere sehe für Organisationen ohne Gewinnabsicht, für die der Verwaltungsaufwand einer Eintragung ins neue Einheitsregister die steuerrechtlichen Vorteile übersteigt, ein zusätzliches Südtiroler Verzeichnis vor. “Diese Bestimmung ermöglicht Organisationen, die nicht ins staatliche Einheitsregister eingetragen sind, Steuererleichterungen, Beiträgen und wirtschaftlichen Vergünstigungen auf Landes- und Gemeindeebene zu beanspruchen”, informierte Durnwalder. Der Senator berichtete auch über einen im Parlament aufliegenden Gesetzentwurf, der den Musikkapellen (wie den Sportvereinen) eine Rückkehr zum Pauschalsystem ermöglichen solle.
Hilfestellungen auf Landesebene
Auf die Umsetzung der Reform gingen im Anschluss die Direktorin des Amtes für Außenbeziehungen und Ehrenamt, Judith Notdurfter, und der Leiter des Dienstleistungszentrums für das Ehrenamt, Ulrich Seitz, ein. Amtsdirektorin Notdurfter berichtete, dass derzeit 2221 Körperschaften im staatlichen Einheitsregister des Dritten Sektors in Südtirol eingetragen seien, darunter 1667 ehrenamtliche Organisationen, 261 Vereine zur Förderung des Gemeinwesens, 263 Sozialunternehmen bzw. Sozialgenossenschaften, 6 philanthropische Körperschaften und 18 andere. 218 Vereinen wurden abgelehnt oder gestrichen, für 280 läuft das Eintragungsverfahren noch. Neben der ordentlichen Verwaltung bezeichnete sie die Mitgliederstruktur als große Herausforderung. DZE-Leiter Seitz berichte von einer kontinuierlich ansteigenden Unterstützungsnachfrage, die von 2021 auf 2022 um 17 Prozent auf 6260 Stunden angestiegen sei. Ein Trend, der auch 2023 anhalte.