Von: apa
20.000 Besucher aus aller Welt haben am Sonntag der Opfer des KZ Mauthausen gedacht, darunter das spanische Königspaar Felipe VI. und Letizia, die kosovarische Präsidentin Vjosa Osmani sowie Bundespräsident Alexander Van der Bellen und ein großer Teil der Bundesregierung. Van der Bellen mahnte, nicht wegzuschauen. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, Oskar Deutsch, geißelte den Iran und die Hamas für Antisemitismus.
Traditionell kommen Delegationen aus aller Welt zur Befreiungsfeier nach Mauthausen und legen Kränze am ehemaligen Appellplatz nieder. Immer spärlicher wird die Riege der Holocaust-Überlebenden, die noch teilnehmen können. Diesmal, zum 80. Jahrestag der Befreiung, führten drei “Mauthausen-Babys” den Gedenkzug an: Hana Berger-Moran, Mark Olsky und Eva Clarke wurden wenige Tage und Wochen vor der Befreiung im KZ bzw. auf Gefangenentransporten zwischen den Lagern geboren.
Van der Bellen: “Am Anfang stand das Wegschauen”
Das offizielle Österreich war neben Van der Bellen durch zahlreiche Mitglieder der Bundesregierung – angeführt von Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP), Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) und Außenministerin Beate Meinl-Reisiger (Neos) – sowie die beiden Nationalratspräsidenten Peter Haubner (ÖVP) und Doris Bures (SPÖ) und den oberösterreichischen Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) vertreten. Politiker halten bei der Veranstaltung traditionell keine Reden, sondern nehmen schweigend an dem Zug teil.
König Felipe VI. und Königin Letizia, legten einen weißen Blumenkranz vor dem Sarkophag nieder. Die Spanier zählten zu einer der ersten großen Häftlingsgruppen und wurden für den Bau der berüchtigten Todesstiege herangezogen. Van der Bellen betonte in einer schriftlichen Stellungnahme, dass Mauthausen eine Mahnung zur Wachsamkeit sei. Denn “am Anfang stand das Schweigen. Am Anfang stand das Wegschauen, als Antisemitismus und Rassismus ihre hässliche Fratze zeigten und schleichend von der Gesellschaft Besitz ergriffen.” Stocker betonte – ebenfalls in einem schriftlichen Statement -, dass Mauthausen “uns immer Mahnung sein muss, wozu autoritäre Ideologien, Hass und Ausgrenzung führen können”.
“Wissen macht uns verantwortlich für ein niemals wieder”
Auch der Vorsitzende des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ), Willi Mernyi, zog Parallelen zur Gegenwart: “Viele Menschen sind in Bezug auf die Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder sehr pessimistisch”, sagte er, “da meinen viele, das führt zu einer Situation wie damals vor dem Nationalsozialismus”. Aber es gebe einen großen Unterschied: “Mag sein, dass einige unserer Vorfahren bei der Machtergreifung Adolf Hitlers nicht wissen konnten oder wissen wollten, wohin der Hass, die Spaltung, der Antisemitismus führen werden. Mag sein, dass einige Vorfahren von uns nicht wissen konnten, was alles möglich sein wird. Aber wir, heute, hier, wir wissen es. Und dieses Wissen macht uns verantwortlich für ein ‘niemals wieder'”, appellierte er an die Besucher. Guy Dockendorf, Präsident des Comité International de Mauthausen, ermunterte angesichts des Erstarkens von rechten Regimen und Oligarchien weltweit, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit bedrohen, angesichts des Rechtsrucks in den USA und der russischen Aggression in der Ukraine, die Jugend, die Lehren aus Mauthausen weiterzutragen.
Tradition haben auch ein ökumenischer Gottesdienst und Feiern diverser Opfergruppen und -nationen vor der offiziellen Zeremonie. Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka erinnerte in seiner Predigt daran, dass “die Erfahrungen, die an Orten wie diesem gemacht wurden, dazu führten, dass nach dem Ende der Nazi-Herrschaft die Menschenrechte international kodifiziert wurden” und mit der Gründung der Vereinten Nationen die Menschenrechte im Völkerrecht verankert worden seien. “Wenn heute die universelle Geltung der Menschenrechte in Frage gestellt wird und das Völkerrecht mit Füßen getreten wird, dann können wir nicht schweigen”, mahnte er.
Deutsch warnt vor “Vernichtungsantisemitismus” im Nahen Osten
Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, Oskar Deutsch, zog in seiner Ansprache vor dem israelischen Denkmal auch Parallelen zum Iran und der Hamas: “Die ideologischen Nachfahren des Nazismus sind heute noch aktiv. Sie singen in ihren Kellern von einer siebenten Million, sie sitzen in ihren Büros des iranischen Regimes in Teheran, wo sie an der Vernichtung des jüdischen Staates Israel arbeiten oder in den Terror-Tunneln der Hamas, wo sie ihren Vernichtungsantisemitismus in die Tat umsetzen und Juden quälen und ermorden.
Im KZ Mauthausen und seinen über 40 Nebenlagern waren zwischen 1938 und 1945 knapp 200.000 Menschen aus mehr als 40 Nationen gefangengehalten worden, rund die Hälfte von ihnen überlebte die Mordmaschinerie nicht. Am 5. Mai 1945 wurde das Lager von der US-Armee befreit. Die Befreiungsfeier in Mauthausen ist die größte in einer ganzen Reihe von ähnlichen Veranstaltungen in den ehemaligen Außenlagern, wie sie etwa am Samstag am Gelände der ehemaligen KZ Gunskirchen, Gusen oder Ebensee stattfanden oder morgen, Montag, in Melk. Alle standen – wie auch das Fest der Freude am vergangenen Donnerstag – oder stehen unter dem Jahresmotto “Gemeinsam für ein ‘Niemals wieder!'”.
20.000 Besucher
Laut gemeinsamer Schätzung des MKÖ und der Polizei haben 20.000 Personen an der Feier teilgenommen. Die nächste Befreiungsfeier wird am 10. Mai 2026 stattfinden.
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