Lebensnotwendige Hilfe unter lebensgefähgrlichen Bedingungen

Mindestens 27 Tote bei Ausgabestelle für Hilfsgüter in Rafah

Dienstag, 03. Juni 2025 | 20:56 Uhr

Von: APA/dpa/AFP/Reuters

Israelische Soldaten sollen im Gazastreifen palästinensischen Angaben zufolge erneut viele Menschen in der Nähe eines Verteilungszentrums für humanitäre Hilfe erschossen haben. Mindestens 27 Palästinenser seien nahe der südlichen Stadt Rafah getötet und rund 90 weitere verletzt worden, teilte die von der islamistischen Terrororganisation Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde mit. Eine Bestätigung der Opferzahl kam am Dienstag vom Roten Kreuz.

Das israelische Militär erklärte, es untersuche den Vorfall. Demnach haben Soldaten bei einem Einsatz Warnschüsse abgegeben, um “mehrere Verdächtige am Näherkommen zu hindern”. Das Militär hindere die Bewohner des Gazastreifens nicht daran, zu Hilfszentren zu gelangen.

Rotes Kreuz bestätigt 27 Tote nach Schüssen

Nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sind durch Schüsse in der Nähe eines Verteilzentrums am Dienstag 27 Menschen getötet worden. Mehr als 180 Menschen seien in ein Feldlazarett in Rafah im Süden des Gazastreifens eingeliefert worden, von denen 19 Menschen bei ihrer Einlieferung für tot erklärt worden seien, erklärte das IKRK. Acht weitere Menschen seien kurz darauf ihren Verletzungen erlegen.

Eine absichtliche Hinderung der Bevölkerung des Gazastreifens, an Nahrungsmittel zu gelangen, könnte nach Angaben der Vereinten Nationen ein Kriegsverbrechen sein. Angriffe auf Zivilisten, die versuchten, an Lebensmittel zu kommen, seien skrupellos, teilte das UNO-Büro für Menschenrechte mit. Sein Leiter Volker Türk fordert eine sofortige und unabhängige Untersuchung der Vorfälle. “Angriffe gegen Zivilisten stellen einen schweren Verstoß gegen das Völkerrecht und ein Kriegsverbrechen dar”, erklärte Türk.

Nach den Berichten UNO-Generalsekretär António Guterres Konsequenzen. “Der Generalsekretär fordert weiterhin eine sofortige, unabhängige Untersuchung dieser Ereignisse und die Rechenschaftspflicht der Täter”, sagte UNO-Sprecher Stéphane Dujarric in New York. Er sprach von einem unvorstellbaren Verlust an Menschenleben.

UNO und Israel immer härter im Clinch

Der Streit zwischen der UNO und Israel über den Umgang mit der militanten Palästinenserorganisation Hamas spitzt sich weiter zu. Der Sprecher von Israels Außenministerium, Oren Marmorstein, bezeichnete auf X ein Statement von Guterres als Schande und fragte, ob es den Vereinten Nationen wirklich wichtig sei, den Menschen in Gaza Hilfe zu leisten – oder ob sie sich eher darauf konzentrierten, die Hamas und ihre Kriegsmaschinerie zu unterstützen.

Zuvor hatte UNO-Generalsekretär Guterres eine sofortige und unabhängige Untersuchung von Vorfällen wie am Dienstag verlangt, bei denen schon zuvor nach Hamas-Darstellung Menschen bei Verteilzentren von Hilfsgütern durch israelische Angriffe im Gazastreifen getötet worden sein sollen.

Am Sonntag hatte das Medienbüro der Hamas mitgeteilt, dass bei israelischen Angriffen dort insgesamt 30 Menschen getötet worden seien. Die israelische Armee dementierte die Angaben der Terrororganisation. Eine vorläufige Untersuchung habe ergeben, dass das Militär nicht auf Zivilisten geschossen habe, während diese sich in der Nähe oder innerhalb des Verteilungszentrums für humanitäre Hilfe aufhielten, hieß es seitens der Armee. Die Angaben lassen sich derzeit allesamt nicht unabhängig überprüfen.

Versorgung von mit Hilfsgütern

Guterres schrieb auf X, er sei entsetzt über die Berichte der Palästinenser, nach denen Menschen am Sonntag auf der Suche nach Hilfe getötet oder verletzt worden seien. “Es ist inakzeptabel, dass Palästinenser ihr Leben für Lebensmittel riskieren müssen.” Israel habe gemäß dem humanitären Völkerrecht die klare Verpflichtung, humanitäre Hilfe zuzulassen und zu erleichtern.

Marmorstein antwortete auf Guterres mit den Worten: “Was für eine Schande.” In der gesamten Mitteilung des UNO-Generalsekretärs tauche das Wort Hamas kein Mal auf. “Kein Wort, dass es die Hamas ist, die Zivilisten erschießt und versucht, sie daran zu hindern, Hilfsgüter zu erhalten.” Auch darüber, dass die Hamas einen weiteren Waffenruhe-Vorschlag und die Freilassung der Geiseln abgelehnt habe, erwähne Guterres nicht. “Die eigentliche Untersuchung, die durchgeführt werden muss, ist, warum die UNO sich weiter jedem Versuch widersetzt, den Menschen in Gaza direkt Hilfe zu leisten.”

Israel ermöglicht der Stiftung Gaza Humanitarian Foundation (GHF) die Verteilung überlebensnotwendiger Hilfsgüter im Gazastreifen, um auf diese Weise Hilfsorganisationen der UNO und anderer Initiativen zu umgehen. Die UNO hat dies kritisiert und Israel vorgeworfen, humanitäre Hilfe als Waffe einzusetzen. Israel hatte nach fast drei Monaten Blockade wieder Hilfslieferungen an die hungernde Bevölkerung in begrenztem Umfang erlaubt.

Israelischer Soldat gefallen

Indes meldete die israelische Armee den Tod von drei israelischen Soldaten im Norden des Palästinensergebiets. Damit steigt die Zahl der im Gazastreifen seit Beginn des Krieges getöteten israelischen Soldaten auf 424.

Der Gaza-Krieg war durch den Großangriff der Hamas und mit ihr verbündeter Kämpfer auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden, bei dem nach israelischen Angaben rund 1.210 Menschen getötet wurden. 251 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Als Reaktion auf den Hamas-Überfall geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums bisher mehr als 54.000 Menschen getötet.

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