Von: apa
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist laut ihrem künftigen Vorsitzland kurzfristig nicht in der Lage, einen möglichen Waffenstillstand in der Ukraine umfassend zu überwachen. “Die OSZE hat nicht die Ressourcen, um sofort die gesamte, mehrere tausend Kilometer lange Kontaktlinie zu überwachen, aber an einigen Punkten wäre es möglich”, sagte der Schweizer OSZE-Botschafter Raphael Nägeli am Dienstag vor Journalisten in Wien.
Bei entsprechendem politischen Willen seien aber “Überraschungen” möglich, so Nägeli. Er spielte damit auf das Jahr 2014 an, als – ebenfalls unter Schweizer Vorsitz – eine große Beobachtungsmission in der Ukraine eingerichtet wurde, in Reaktion auf den ersten russischen Angriff im Donbass und der Krim. “2013 hätte niemand erwartet, dass die OSZE so eine Rolle spielen würde, das war eine Überraschung.” Allerdings ist die Situation heute komplizierter, weil Russland das Völkerrecht offen verletzt und auch einen Teil der Ukraine annektiert habe. Im Jahr 2014 habe Moskau die territoriale Integrität der Ukraine nicht infrage gestellt und eine Mission der OSZE unterstützt. “Deshalb konnten wir unseren Job machen.”
Die OSZE könnte etwa auch Treffen zwischen Militärvertretern beider Seiten organisieren, sagte der Botschafter weiter. Außerdem müsste ein Waffenstillstand auf beiden Seiten überwacht werden. Während für die ukrainische Seite mehrere Organisationen infrage kämen, sei das auf der russisch besetzten Seite anders, skizzierte Nägeli ein mögliches Einsatzgebiet der Sicherheitsorganisation.
Außenminister Cassis am 15. Jänner in Wien
Nägeli übernimmt am 1. Jänner offiziell den Vorsitz in den wöchentlichen Sitzungen der 57 OSZE-Staaten in der Wiener Hofburg. Er betonte, dass die Organisation als einziges regionales Forum, in dem die USA, Europa und Russland an einem Tisch sitzen, “unerlässlich” sei. Der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis wird die Vorsitzprioritäten am 15. Jänner im Ständigen Rat der OSZE vorstellen und danach auch Reisen in die wichtigsten Hauptstädte der Organisation unternehmen, unter anderem auch in die Ukraine.
Die Schweiz plant während ihres Vorsitzjahres Konferenzen zum Thema Antisemitismus (Februar, St. Gallen), dem Umgang mit neuen Technologien (Mai, Genf), der OSZE-Geschichte (September, Genf) und der De-Eskalation im Cyberspace (September, Zug). Das traditionelle Jahrestreffen der OSZE-Außenminister soll Anfang Dezember in Lugano im Kanton Tessin stattfinden, der Heimatregion des Schweizer Chefdiplomaten Cassis.
“Dialog, Vertrauen und Sicherheit”
Das mitteleuropäische Land übernimmt bereits zum dritten Mal den Vorsitz in der Sicherheitsorganisation. Unter dem Motto “Dialog, Vertrauen und Sicherheit” will die Eidgenossenschaft vor allem ihre Erfahrung als Vermittlerin einbringen. Man sei zwar ein neutrales Land, scheue sich aber nicht davor, Verletzungen des Völkerrechts und der Prinzipien der OSZE-Gründungsdokumente klar als solche zu benennen. “Die Schweiz bekennt sich zu einem gerechten Frieden in der Ukraine, der sich auf dem Völkerrecht und den Prinzipien von Helsinki gründet”, betonte Nägeli mit Blick auf die Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die unter anderem die Unverletzlichkeit der Grenzen auf dem Kontinent festgeschrieben hatte.
Nägeli kündigte auch an, dass die Schweiz im Jänner einen neuen Anlauf für den Beschluss eines OSZE-Budgets unternehmen werde. Ein Land stelle sich diesbezüglich quer und fordere eine Kürzung. “Wir hoffen, dass wir einen Konsens beim Budget finden”, sagte der Diplomat. Allgemein will man sich bemühen, dass die OSZE ihre bisherige Tätigkeit – mit vier Institutionen und zwölf Missionen – aufrechterhalten könne. Zur Aufforderung der USA, die OSZE möge sich mehr auf den Aspekt der militärischen Sicherheit konzentrieren, sagte Nägeli, dass “einige” US-Reformvorschläge durchaus sinnvoll seien. Zugleich stärkte der Diplomat den Wahlbeobachtern des OSZE-Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) den Rücken. Zu Spekulationen, wonach die USA für die Kongresswahlen im kommenden November keine ODIHR-Beobachter einladen werden, sagte Nägeli: “Wir werden sehen. Bisher hat man noch immer eingeladen.”




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