Im Niger hat sich das Militär an die Macht geputscht

Planungen für ECOWAS-Intervention im Niger werden konkreter

Dienstag, 15. August 2023 | 23:09 Uhr

Die Planungen der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS für ein militärisches Eingreifen im Niger werden konkreter. Die Militärchefs der 15 Mitgliedstaaten kommen am Donnerstag und Freitag in Ghana zusammen, teilte ECOWAS am Dienstag mit. Ziel eines Einsatzes sei, die verfassungsgemäße Ordnung im Niger nach dem Militärputsch wieder herzustellen. Der von den Militärs eingesetzte Ministerpräsident Ali Mahaman Lamine Zeine ist indes überraschend im Tschad eingetroffen.

Zeine führt im Nachbarland Gespräche mit Regierungschef Saleh Kebzabo und Präsident Mahamad Idriss Deby, wie Regierung und Präsidentschaft in der Hauptstadt N’Djamena mitteilten. Zeine habe dem “Bruderland Tschad” eine persönliche Botschaft des neuen nigrischen Machthabers Abdourahamane Tiani überbringen wollen, um die genauen Umstände des Staatsstreichs zu erklären, hieß es in einer Mitteilung der nigrischen Präsidentschaft.

Zeine war vergangene Woche von den Verantwortlichen des Staatsstreichs zum nigrischen Ministerpräsidenten ernannt worden. Der Wirtschaftswissenschaftler hatte bereits rund zehn Jahre in einer früheren Regierung im Niger als Kabinettschef und Finanzminister gedient, bevor diese im Jahr 2010 durch einen Putsch abgelöst wurde. Der Tschad, eine wichtige afrikanische Militärmacht, hatte angekündigt an, sich nicht an einer Intervention im Niger zu beteiligen.

Das bereits für den vergangenen Samstag angekündigte und dann kurzfristig verschobene Treffen der ECOWAS-Militärchefs werde am Donnerstag und Freitag in Ghanas Hauptstadt Accra stattfinden, hieß es am Dienstag aus Militärkreisen. Die Staats- und Regierungschefs der ECOWAS hatten in der vergangenen Woche nach einem Sondergipfel in Nigeria die Aufstellung der Eingreiftruppe angekündigt, um “die verfassungsmäßige Ordnung im Niger wiederherzustellen”. Zugleich sprach sich die Staatengemeinschaft für eine friedliche Lösung im Niger aus.

Analysten bezeichneten ein mögliches militärisches Eingreifen der ECOWAS angesichts unterschiedlicher Positionen innerhalb der Gruppe als riskant und politisch gefährlich.

Ende Juli hatten Militärs im Niger den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum gestürzt und die Macht im Land übernommen. Daraufhin drohte die ECOWAS mit einem militärischen Eingreifen als “letzte Option”, sollte Bazoum nicht wiedereingesetzt werden. Ein Ultimatum verstrich jedoch, ohne dass es zunächst zu einem Militäreinsatz kam.

Russlands Präsident Wladimir Putin rief dem Kreml zufolge am Dienstag in einem Telefonat mit dem Chef des in Nigers Nachbarland Mali regierenden Militärs, Assimi Goïta (Goita), zu einer “friedlichen politischen und diplomatischen” Lösung des Konflikts auf. Seit einem Putsch im Jahr 2020 pflegt die Militärregierung in Mali enge Beziehungen zu Russland.

Russland ist enger Verbündeter von Goïta, der gegen Terrormilizen in Mali auch auf russische Wagner-Söldner setzt. Offiziell ist nur von Militärausbildern die Rede. Das Militär hatte sich 2020 und 2021 an die Macht geputscht und die Zusammenarbeit unter anderem mit Ex-Kolonialmacht Frankreich beendet. Auch Burkina Faso verfügte nach zwei Putschen 2022 den Abzug der Franzosen und wandte sich Moskau zu.

Die Sahel-Allianz, eine internationale Plattform für Hilfsprogramme in der Region, äußerte sich am Dienstag besorgt über die Situation der Menschen nach dem Staatsstreich im Niger. Besonders besorgt sei die Allianz über die Auswirkungen “auf die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen und über Berichte über die zunehmende Einschränkung der Menschen- und Bürgerrechte”, erklärte die derzeitige Vorsitzende der Plattform, die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze. Schulze hält sich derzeit in Westafrika auf, geplant war unter anderem ein Besuch in Nigeria.

Die Sahel-Zone gehört zu den ärmsten Regionen der Welt. Zudem leiden die westafrikanischen Staaten extrem unter den Folgen des Klimawandels.

Die Putschisten hatten am Sonntag angekündigt, Anklage gegen Bazoum wegen Hochverrats erheben zu wollen. Die ECOWAS reagierte empört und erklärte, dabei handle es sich um eine Provokation der Putsch-Anführer, die einem Willen zur friedlichen Lösung der Krise widerspreche.

Die Partei des entmachteten Präsidenten kritisierte die von Putschisten angekündigte Anklage wegen Hochverrats. Bei dem Vorwurf gegen Bazoum handle es sich um “eine reine, kindische und groteske Lügenerfindung, die jeglicher Grundlage entbehrt”, teilte die Partei PNDS am Dienstag mit. Sie forderte ihre Anhänger sowie “alle Demokraten” zu Demonstrationen auf.

Die Putschisten unter der Führung des Generals Tiani hatten Bazoum am 26. Juli gestürzt und unlängst eine neue Regierung vorgestellt. Die Wahl Bazoums im Jahr 2021 war der erste demokratische Machtwechsel in dem westafrikanischen Land, in dem das Militär seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1960 vier Mal geputscht hat.

Von: APA/Reuters/AFP/dpa