Keine bequemen Partner – ein Kommentar

Qual der Wahl

Donnerstag, 08. November 2018 | 05:42 Uhr

Bozen – Nach einer ersten Schnupperrunde mit allen Parteien kommen die Koalitionsverhandlungen nun so richtig ins Rollen. Dank eines Wahlergebnisses, das zwei vollkommen konträre Möglichkeiten zur Koalitionsbildung eröffnet, befindet sich die Volkspartei in der bequemen Lage, die Qual der Wahl zu haben.

APA/EXPA/JOHANN GRODER

Aber ist sie wirklich bequem? Beide Möglichkeiten – eine Zweckehe mit der Lega oder mit den Grünen und Roten – birgt viele Gefahren in sich. Bereits vor der Wahl wurde landauf landab gemunkelt, dass die Ehe mit Salvinis Lega bereits ausgemachte Sache sei. Fürwahr spricht vieles für die Leghisti. Da die Lega in Rom regiert, würden die SVP-ler automatisch vom Oppositionslager quasi in das der Regierung schlüpfen und hätten wie früher in Rom wieder einen Fuß in der Tür. Da die Lega auch im Trentino haushoch gewonnen hat, würde ein Bündnis in Bozen auch die Regionalregierungsbildung in Trient erleichtern. Zudem würde sich die Lega auch als Partner für die Europawahlen im Frühjahr anbieten. Unnötig auch zu erwähnen, dass ihr Sieg am 21. Oktober die Lega in Südtirol praktisch zur „Partei der Italiener“ gemacht hat. Damit wären alle Probleme um Repräsentativität und „disagio“ – das Unbehagen der Italiener, in Südtirol nicht ausreichend berücksichtigt zu werden – automatisch ausgeräumt.

lega

Aber die Nachteile wiegen ebenso schwer. Die brachiale Wortwahl, die Fremdenfeindlichkeit und der antieuropäische Kurs der Lega bereiten der konservativen, christlich-sozialen SVP große Sorgen. Keiner in der Brennerstraße will wie Salvini den Konflikt mit der EU auf die Spitze treiben und das Vabanquespiel der Lega mitmachen.

Und die Hochzeit mit Grün-Rot? Den PD kennen die SVPler seit Jahren als seriösen und nicht zuletzt pflegeleichten Partner. Letzterer Umstand dürfte allerdings auch zur Wahlniederlage der heimischen Sozialdemokraten beigetragen haben. Das wahre Schwergewicht wären in dieser Dreierkonstellation aber die Grünen. Dank gemeinsamer Verantwortung auf Gemeindeebene in Bozen und Meran haftet auch den Grünen der Hauch der Seriosität und des Pragmatismus an. Zudem wären die Grünen und die Roten des PD auch in Europa präsentierbar.

Aber auch in diesem Fall ist die Skepsis groß. In zentralen Autonomiefragen – Punkte, die in der Gemeindepolitik keine Rolle spielen – stehen sich die SVPler und Grüne seit Jahrzehnten diametral gegenüber. Ziele der Grünen wie Abschaffung des Proporzes und gemischte Schulen sind für die SVPler ein rotes Tuch. Auch die Wirtschaft und besonders die Bauern goutieren diese Variante nicht. Eine andere Frage ist auch, ob eine wacklige Dreierkoalition von Wahlverlierern überhaupt fünf Jahre halten wird.

Verdi Grüne Vërc

Zwei Dinge bereiten den Entscheidungsträgern in der Edelweiß-Partei schlaflose Nächte. Angesichts des Verlusts der absoluten Mehrheit wird erstens die Koalition eine echte sein und zweitens wird es – ganz gleich für welche Braut sich die SVP entscheiden wird – massive Probleme geben. Es gibt also keinen bequemen Partner.

Bereiten wir uns also auf politisch turbulente Jahre vor.

Von: ka

Bezirk: Bozen