Beleidigung von Carola Rackete hat womöglich kein Nachspiel

Salvinis Immunität: Aussagen laut Durnwalder durch Artikel 68 gedeckt

Samstag, 04. März 2023 | 13:00 Uhr
Update

Rom – Obwohl Matteo Salvini in seiner Funktion als Innenminister im Jahr 2019 Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete unter anderem als „Komplizin von Schleppern“, als „verwöhnte deutsche Kommunistin“ und als „deutsche Zecke“, bezeichnet hat, muss er sich darüber keine großen Sorgen mehr machen. Der Immunitätsausschuss im Senat hob Salvinis parlamentarische Immunität nicht auf. Nicht zuletzt, weil der Fall auch international für Aufsehen gesorgt hat, ist ein Umstand aus Südtiroler Sicht pikant: Grundlage für die Entscheidung war nämlich ein Bericht von SVP-Senator Meinhard Durnwalder.

Dem Bericht zufolge kann Salvini nicht für Aussagen belangt werden, die in Ausübung seines Amtes getätigt worden sind, schreiben italienische Medien.

Rackete wurde im Dezember 2021 vom Untersuchungsrichter von der Anklage der Beihilfe zur illegalen Einwanderung und Missachtung der Befehle eines Kriegsschiffes freigesprochen. Die Kapitänin habe nur ihre Pflicht erfüllt, hieß es. Der Freispruch ist inzwischen rechtskräftig.

Die heute 42-Jährige hatte bereits zuvor Anzeige gegen Salvini erstattet. Das Gericht in Mailand hat darauf ein Verfahren wegen erschwerter übler Nachrede vorbereitet. Dem wurde nun allerdings ein Riegel vorgeschoben. Im Immunitätsausschuss des Senats haben zehn Senatoren für Durnwalders Bericht gestimmt, der dort ebenfalls vertreten ist. Drei waren dagegen und es gab zwei Enthaltungen.

PD-Senator Alfredo Bazoli reagierte empört. „Diese Abstimmung ist eine Schande. Es ist inakzeptabel, dass die Immunität dazu benutzt wird, um einen Minister zu beschützen, der es sich erlaubt hat, eine Person auf jedem Kanal im TV und in den sozialen Netzwerken zu beleidigen“, wettert er. Seiner Ansicht nach schaffe man einen gefährlichen Präzedenzfall, der es jedem ermögliche, alles Erdenkliche im Parlament zu sagen.

In dieselbe Kerbe schlägt auch Racketes Anwalt Alessandro Gamberini: „Der Ausschuss legitimiert die Freiheit derjenigen mit Macht, andere zu beschimpfen. Dies hat nichts mit der Meinungsfreiheit der Abgeordneten zu tun.“

SVP-Senator Meinhard Durnwalder kann unterdessen den Unmut über Salvinis Aussagen verstehen. „Inhaltlich brauchen wir nicht darüber zu reden“, erklärt er gegenüber Südtirol News. Dennoch sei die rechtliche Lage eindeutig. „Aufgrund Artikel 68 der Verfassung sind parlamentarische Aktenhandlungen durch die Immunität gedeckt. Da Salvini nahezu jede Aussage über Carola Rackete, die er im Fernsehen oder in sozialen Netzwerken tätigte, auch im Parlament getätigt hat, handelt es sich um parlamentarische Aktenhandlungen“, so Durnwalder. „Wenn das Gericht dazu Zweifel hegt, kann es in der Folge auch den Verfassungsgerichtshof darüber anrufen.“

Den Vorwurf, dass er aus politischem Kalkül den Bericht abgesegnet hat, lässt der SVP-Senator nicht gelten. „Ich bin auch viereinhalb Jahre davor im Immunitätsausschuss gesessen und habe in der Vergangenheit auch bei PD- und Fünf-Sterne-Vertretern bei gleichgelagerten Fällen gegen die Aufhebung der Immunität gestimmt, wie im übrigen deren Vertreter damals auch“, betont Durnwalder.

Nach dem Votum der Kommission wird noch in der Aula des Senats über den Fall abgestimmt, wo die definitive Entscheidung fällt. Dort hat Salvini die Mehrheit sowieso hinter sich.

Der Artikel 68 soll Parlamentarier in Italien davor schützen, mundtot geklagt zu werden, falls die politische Debatte etwas heftiger ausfällt und auch unbequeme Dinge zur Sprache kommen. Wie sich zeigt, ist der Artikel allerdings ein zweischneidiges Schwert, zumal auch ehrenrührige Aussagen nicht ausgeklammert werden.

Von: mk

Bezirk: Bozen