Trotz Trend zur Heimat keine Stimmen – ein Kommentar

Schockstarre

Donnerstag, 22. November 2018 | 05:52 Uhr

Bozen – Das politische Südtirol ist voll auf das Ringen um die Koalition konzentriert. Dem Rennen zwischen dem Wahlsieger Lega und der grün-roten Bietergemeinschaft, bei dem das Pendel langsam in Richtung der Salvini-Jünger auszuschlagen beginnt, wohnen die größten Verlierer der Landtagswahl – die Süd-Tiroler Freiheit und die Freiheitlichen – nur als Zaungäste bei.

Bitter war für sie die Erkenntnis, dass der Doppelpass, der den Wahlkampf beherrscht hatte, nicht stach, während altbekannte Steckenpferde wie Ortsnamen, Denkmäler und natürlich die Selbstbestimmung kaum mehr einen Hund hinter dem Ofen hervorzulocken scheinen. Da ist es auch kein Trost, dass das Ergebnis des in der Sammelpartei als „Konkurrenz“ zur deutschen Opposition gegründeten Forums Heimat ebenso ernüchternd ausfiel.

stnews/luk

Auch wenn die herbe Wahlwatschn viele Väter hat, sticht doch heraus, dass für die „Patrioten“ die Landtagswahl entgegen der allgemeinen Entwicklung verloren ging. Im ganzen Alpenraum geht der Trend eindeutig Richtung Heimat. Als Gegenmodell zur Globalisierung neu entdeckt, suchen in den Wirrnissen des 21. Jahrhunderts gerade wieder viele junge Leute Halt und Glück in der Tradition. Von Bayern über Österreich bis nach Südtirol zieht es die Menschen wieder in Volkstanzgruppen, Musikkapellen sowie Alpen-, Trachten- und Schützenvereine. In Südtirol gehört es mittlerweile zum guten Ton, bei Volksfesten ins Dirndl oder in die Lederhose zu schlüpfen.

Aber warum profitieren dann die „Heimatparteien“ nicht davon? Die Wahrheit ist, dass sie seit Jahren nur Themen beackern, die nur dazu geeignet sind, Zwietracht im Land zu säen, während sie kollektiv dabei versagt haben, einen modernen Heimatbegriff – eine Moderne und Tradition verbindende Vision, die alle hier lebenden Menschen einzubinden vermag – zu schaffen.

Im besten Fall führt die bittere Niederlage zu einer Entwicklung, an deren Ende eine solche Vision steht. Andernfalls bleibt das kleine, übrig gebliebene Häuflein im Südtirol des 21. Jahrhunderts vermutlich nur Zaungast.

Die Wahl ist schon einen Monat her. Südtirol nützt eine Vision und keine Schockstarre.

Von: ka

Bezirk: Bozen