Grüne: "Vergeudete Zeit"

STF-Antrag abgelehnt: Autonomie bei Krisenmaßnahmen

Donnerstag, 07. Mai 2020 | 11:30 Uhr

Bozen – Im Landtag ist heute ein Antrag der Süd-Tiroler Freiheit abgelehnt worden.

Beschlussantrag Nr. 273/20: Corona: Maßnahmen an die Bedürfnisse Süd-Tirols anpassen (eingebracht von den Abg. Knoll und Atz Tammerle am 20.04.2020). Der Antrag wurde heute in neuer Fassung vorgelegt:• Der Südtiroler Landtag spricht sich dafür aus, dass die gesundheitlichen, sozialen, wirtschaftlichen, bildungstechnischen und kulturellen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Epidemie den Bedürfnissen des Landes Südtirol angepasst werden, und beauftragt die Landesregierung, gegenüber der Zentralregierung in Rom größtmögliche Entscheidungsfreiheit einzufordern. • Der Südtiroler Landtag beauftragt die Landesregierung, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit sich Partner und Familien in Südtirol, aber auch grenzüberschreitend, wieder treffen dürfen, ohne danach in Quarantäne gehen zu müssen. • Der Südtiroler Landtag beauftragt die Landesregierung, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, um die Eigenerklärung abzuschaffen, da genau diese zu Problemen führt, wenn die Polizei bei Kontrollen anfängt zu interpretieren, ob die Gründe gerechtfertigt sind. Zudem stellen sie nur ein bürokratisches Ärgernis dar. • Der Südtiroler Landtag beauftragt die Landesregierung die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Kinderbetreuung in Kleingruppen, z.B. in leerstehenden Kitas, Kindergärten, Schulen usw. wieder möglich wird. • Der Südtiroler Landtag beauftragt die Landesregierung die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen bzw. sich dafür einzusetzen, damit zusätzliche Elternzeit oder Sonderurlaub gewährt werden können. • Der Südtiroler Landtag beauftragt die Landesregierung für das Schuljahr 2020/2021 ein Schulstartgeld in Höhe von mindestens 150 Euro für alle Schüler ab der ersten Klasse Grundschule einzuführen. • Der Südtiroler Landtag beauftragt die Landesregierung, sich dafür zu verwenden, die Bewegungsfreiheit zwischen Nord-, Ost-und Südtirol bzw. in der Europaregion Tirol (wenn die Fallzahlen in Welsch-Tirol sinken) wiederherzustellen. Für Familien, Berufspendler, Unternehmer aber auch für Studenten und Auszubildende ist das wichtig, da sie zu Prüfungen, Kursen usw. nach Österreich müssen. • Der Südtiroler Landtag beauftragt die Landesregierung, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit Restaurants, Bars, Hotels und Einzelhandelsgeschäfte unter Einhaltung aller Sicherheitsauflagen sofort wieder öffnen dürfen. • Der Südtiroler Landtag beauftragt die Landesregierung sich dafür zu verwenden, dass Personentransporte (z. B. durch Mietwagenfahrer) auch außerhalb Südtirols durchführen können, um Gäste abzuholen und wieder heimzubringen. • Der Südtiroler Landtag beauftragt die Landesregierung, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Kapital- bzw Verlustbeiträge des Landes an die Unternehmen nicht versteuert werden müssen und somit in dieser Krisensituation zur Gänze genutzt werden können.

“Die Corona-Pandemie hat auch Südtirol mit voller Härte getroffen”, stellte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) fest. “Das öffentliche, soziale und wirtschaftliche Leben wurde dadurch fast völlig zum Erliegen gebracht und unser Land in eine schwere Krise gestürzt. Trotz autonomer Kompetenzen wurden und werden alle wesentlichen Maßnahmen nicht vom Land, sondern vom italienischen Staat vorgegeben. Auf die individuellen Bedürfnisse des Landes wird dadurch überhaupt keine Rücksicht genommen, was einen Ausstieg aus der Krise umso mehr erschwert. Dies führt auch innerhalb der Europaregion Tirol zu einer Ungleichbehandlung der Tiroler Landesteile. Anstatt einheitliche Maßnahmen und Richtlinien zur Bekämpfung der Corona-Epidemie erlassen zu können, wird der Brenner im wahrsten Sinn des Wortes zu einem „Trenner”. Damit Südtirol erfolgreich aus der Krise herauskommen kann und kein Wettbewerbsnachteil gegenüber angrenzenden Regionen entsteht, müssen die lokalen Maßnahmen in Zusammenhang mit der Corona-Epidemie auf die Bedürfnisse des Landes Südtirol angepasst werden.” Der Antrag ziele darauf ab, dass Südtirol seine Autonomie auch in dieser Frage voll ausschöpfen und sich z.B. auch an den Maßnahmen der Nachbarländer orientieren könne. Dies sei wichtig, da z.B. Deutschland und Österreich bei Reisebeschränkungen nicht zwischen Südtirol und Italien unterscheiden würden. Solche Probleme würden speziell Südtirol betreffen, daher könne auch nur Südtirol entscheiden, wie es damit umgehen wolle. Das vereinte Europa, das grenzenlose Bewegungsfreiheit verspreche, habe sich in dieser Krise nicht als hilfreich erwiesen. Es gehe hier nicht nur um den Tourismus, sondern etwa auch um zwischenmenschliche Beziehungen, Studenten, Südtiroler Patienten an der Innsbrucker Uniklinik.

Der Antrag sei eigentlich deckungsgleich mit dem Gesetz, das in Kürze behandelt wird, meinte Gerhard Lanz (SVP). In dieses seien bereits viele Vorschläge aus dem Landtag eingeflossen. Zu Bewegungsfreiheit und Tourismus gebe es Gespräche mit Österreich und Deutschland. Hier seien Abkommen mit Staaten sinnvoll, nicht mit einzelnen Regionen. Lanz plädierte dafür, den Antrag zurückzuziehen und die einzelnen Vorhaben im Rahmen der Debatte zum Gesetz zu diskutieren.

Auf Nachfrage von Alessandro Urzì erklärte LH Arno Kompatscher, dass es keine Absprache mit Knoll dazu gebe. Vieles im Gesetz und in den Änderungsanträgen betreffe aber Fragen, die im Antrag angesprochen würden.

Sven Knoll beantragte eine separate Abstimmung zu Punkt 1. Auf die anderen könne er verzichten. LH Kompatscher erklärte, man werde die Urheberschaft der Maßnahmen nicht so einfach abtreten, worauf Knoll erwiderte, dass sein Antrag vom 19. April stamme.

Carlo Vettori (Alto Adige Autonomia) meinte, der erste Punkt sei bereits durch das Verhalten von Minister Boccia geklärt. Das anstehende Gesetz betreffe das Land, es gehe nicht darum, wer Klassenbester sei, sondern um die Bedürfnisse des Landes und der Wirtschaft.

Die STF habe mit dem Antrag eine Art authentischer Interpretation des Gesetzes versucht, meinte Alessandro Urzì (L’Alto Adige nel cuore – Fratelli d’Italia). Die Mehrheit stimme dem Antrag innerlich zu, dürfe es aber nicht laut sagen. Der Geist des Antrags sei jedenfalls im Gesetz enthalten.

Riccardo Dello Sbarba (Grüne) wandte sich gegen solche Spielchen und hoffte auf eine baldige Aufnahme der Debatte zum Gesetz. Man verliere nur Zeit.
Der Punkt 1 sei auch für die Zukunft wichtig, betonte Myriam Atz Tammerle (STF). Er sei ein starkes Zeichen aus dem Landtag, dass man auf seine Autonomie beharre, auch in Krisenzeiten. Südtirol sei Grenzgebiet und habe daher seine besonderen Bedürfnisse.

Jede Fraktion werde ihr Verhalten selbst begründen, meinte LH Arno Kompatscher, aber die Landesregierung wolle sich nicht ihren Gesetzentwurf von anderen interpretieren lassen. Der Gesetzentwurf sei vorgelegt worden, weil es in der Phase 2 nötig ist, auf die Bedürfnisse vor Ort einzugehen. Die Regierung in Rom scheine das inzwischen auch verstanden zu haben. Der Weg der Mehrheit in Südtirol sei die Autonomie, nicht etwas anderes. Man sollte aufhören, dieses Gesetz für ethnische Spaltung zu nutzen. Es gebe bereits die Spaltung zwischen jenen, die für absolute Sicherheit, und jenen, die für absolute Öffnung seien. Die Landesregierung wolle einen vernünftigen Weg der Mitte gehen. Vernunft und Verhältnismäßigkeit sollten die Kriterien für die Debatte sein.

Sven Knoll beschwerte sich über Dello Sbarbas Vorwurf der vergeudeten Zeit, das sei respektlos. Der Antrag enthalte auch Maßnahmen, die nicht im Gesetzentwurf enthalten seien, so etwa zum grenzüberschreitenden Verkehr. Wer für die Autonomie sei, müsse hier zustimmen.

Punkt 1 des Antrags wurde mit fünf Ja, 22 Nein und sechs Enthaltungen abgelehnt. Die anderen Punkte wurden zurückgezogen.

Von: luk

Bezirk: Bozen