Von: APA/AFP
Seit Wochen nimmt US-Präsident Donald Trump den Präsidenten der Zentralbank Fed unter Beschuss. Jerome Powell sei ein “großer Loser” und müsse endlich die Leitzinsen senken, forderte Trump. Damit stellt der Rechtspopulist die Unabhängigkeit der Fed wie kaum ein anderer Präsident in Frage. Finanzexperten setzen indes auf Powells Stehvermögen: Sie rechnen damit, dass der Fed-Chef sich Trumps Rufen nach billigem Geld vorerst widersetzt.
Im Streit Trump gegen Powell richten sich alle Augen auf die Sitzung der Federal Reserve (Fed) ab Dienstag. Der sogenannte Offenmarktausschuss (FOMC) der Fed berät unter Powells Leitung. Experten rechnen damit, dass der Fed-Chef am Mittwoch verkündet, den Leitzins wie bisher in der Spanne von 4,25 bis 4,5 Prozent zu belassen.
Trump fordert Zinsschnitt
Der 78-jährige Trump macht dagegen massiv Druck auf den 72-jährigen Powell, einen Zinsschnitt zu veranlassen und den Banken eine günstigere Geldaufnahme zu ermöglichen. Trump schmähte den erfahrenen Zentralbanker als “Mr. (Mister) Zu Spät” und drohte wiederholt mit seinem Rauswurf. Dies verunsicherte die Anleger, Kursverluste an den US-Börsen waren die Folge.
Die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, sah sich in der Pflicht, Powell beizuspringen. Sie habe “immensen Respekt” vor Powells gut siebenjähriger Arbeit an der Fed-Spitze, sagte Lagarde kürzlich. Auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel stellte sich hinter seinen US-Kollegen. “Zum Markenkern einer guten Notenbankpolitik gehört die Unabhängigkeit”, mahnte Nagel.
Doch Trump folgt einer eigenen Logik. Von billigerem Geld könnten potenzielle Hauskäufer und andere Kreditnehmer profitieren, meint der Präsident. Er hofft zudem auf zusätzliche Investitionen, schließlich hat er den US-Bürgern ein “goldenes Zeitalter” versprochen.
Powell nannte Zinsschnitt “zu früh”
Powell jedoch nannte einen Zinsschnitt “zu früh”. Er verwies auf die Risiken für Wachstum und Inflation, die von Trumps Zollpolitik ausgehen, was den Präsidenten zu einer neuen Tirade veranlasste. Fakt ist: Jetzt schon ächzen die US-Bürger unter hohen Preisen, das Verbrauchervertrauen ist in den ersten hundert Tagen von Trumps zweiter Amtszeit auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Corona-Pandemie 2020 gesunken, und im ersten Quartal ist die US-Wirtschaft unerwartet geschrumpft.
In vielerlei Hinsicht ist der stoisch und nüchtern auftretende Powell der Anti-Trump. Paradoxerweise verdankt er dem unberechenbaren Präsidenten aber seinen Posten an der Fed-Spitze. Trump hatte den Republikaner Powell kurz nach Beginn seiner ersten Amtszeit 2017 als Nachfolger von Fed-Chefin Janet Yellen nominiert, die er für zu liberal hielt.
Seit Februar 2018 leitet Powell den Gouverneursrat der Zentralbank mit Hauptsitz in Washington. Der demokratische Präsident Joe Biden hielt an Powell fest und folgte damit dem Gebot der Überparteilichkeit der Fed.
Powell hat sich an die Trump-Attacken womöglich gewöhnt. Bereits 2018 sah sich der Fed-Chef wegen einer Leitzinserhöhung monatelangen heftigen Angriffen durch den Präsidenten ausgesetzt. In den folgenden Jahren setzte er sich dafür ein, dass die Vorteile des Wirtschaftswachstums auch den am stärksten benachteiligten US-Bürgern zugutekommen und erhielt dafür überparteilich Zuspruch.
Einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften hat Powell nicht. Geboren am 4. Februar 1953 in der US-Hauptstadt, studierte Powell Politik und Jura. Vor seinem Wechsel zur Notenbank 2012 war er für den Think Tank Bipartisan Policy Center tätig. Die Denkfabrik ermutigt Republikaner und Demokraten zur Zusammenarbeit – ein Prinzip, das Trumps polarisierender Politik entgegensteht.
Zuvor arbeitete Powell 1992 kurz im Finanzministerium. Dort war er als Abteilungsleiter für die Regulierung von Finanzinstitutionen und den Staatsanleihenmarkt zuständig. Später stieg er bei der Anlagefirma Carlyle Group ein und wurde Millionär.
Powell will geplante Amtszeit ausfüllen
Powell hat bereits kundgetan, er wolle den Posten an der Fed-Spitze bis zum Ende seiner zweiten Amtszeit am 15. Mai 2026 ausfüllen. Auch Trump räumte kürzlich ein, er habe es mit der Entlassung des Notenbankers nicht ernst gemeint. Spätestens ab dem Herbst dürfte der Präsident allerdings einen folgsamen Nachfolger für Powell suchen. Dessen Auftrag: Trumps Träume vom billigen Geld endlich in die Tat umzusetzen.
(Von Stephanie Lob/AFP)
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