++ ARCHIVBILD ++ Verfassungsschutz: AfD ist rechtsextremistisch

Verfassungsschutz stuft AfD als rechtsextremistisch ein

Freitag, 02. Mai 2025 | 19:40 Uhr

Von: APA/Reuters

Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) wird vom Verfassungsschutz nun auch auf Bundesebene in Deutschland als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) begründete dies am Freitag in Köln mit “der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei”. Die AfD reichte umgehend rechtliche Mittel ein und forderte eine Korrektur bis Montagmorgen.

Mit der Entscheidung kam wieder Bewegung in die Debatte über ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD vor dem Bundesverfassungsgericht. Dafür gebe es aus guten Gründen hohe rechtliche Hürden, sagte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Auch für die neuen Koalitionspartner Union und SPD ist die Entscheidung brisant: Der designierte Unions-Fraktionschef Jens Spahn (CDU) hatte dafür plädiert, die AfD in Bundestagsverfahren wie andere Oppositionsparteien zu behandeln.

Das in der AfD vorherrschende Volksverständnis konkretisiere sich in einer insgesamt migranten- und muslimfeindlichen Haltung der Partei, erklärte das Bundesamt, das die AfD seit März 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall beobachtet hatte. Die Partei hatte in den vergangenen Jahren immer mehr Zulauf verzeichnet. Im Bundestag ist sie mit 20,8 Prozent nach der Union zweitstärkste Fraktion und größte Oppositionsfraktion.

AfD nennt Entscheidung politisch motiviert

Die AfD nannte die Entscheidung politisch motiviert. Die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla sprachen von einem “schweren Schlag gegen die bundesdeutsche Demokratie”. Ihre Partei werde öffentlich diskreditiert und kriminalisiert. Auch US-Außenminister Marco Rubio forderte die deutsche Bundesregierung auf, die Einschätzung zu revidieren.

Innenministerin Faeser dagegen verwies darauf, dass das Bundesamt unabhängig sei. “Es hat keinerlei politischen Einfluss auf das neue Gutachten gegeben”, sagte Faeser. “Die neue Einstufung ist das Ergebnis einer umfassenden und neutralen Prüfung, die in einem 1100-seitigen Gutachten festgehalten ist.”

Bundesamt: “Ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis”

Mit der Einstufung als gesichert rechtsextremistisch gelten verfassungsfeindliche Bestrebungen auch in der Bundespartei als erwiesen. Auf Landesebene ist die AfD bereits in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Der Verfassungsschutz kann nun alle nachrichtendienstlichen Mittel bei der Beobachtung der AfD einsetzen. Konkrete Auswirkungen etwa auf die Mandatsausübung von AfD-Vertretern hat dies zunächst nicht. Für Beamte könnte die Zugehörigkeit zu einer rechtsextremen Partei Fragen aufwerfen. Sie sind gesetzlich verpflichtet, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten.

“Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar”, erklärte das Bundesamt. “Es zielt darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen.” So betrachte die AfD deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige eines ethnisch definierten deutschen Volkes. Es werde gegen Geflüchtete und Migranten agitiert. Dies “befördert die Verbreitung und Vertiefung von Vorurteilen, Ressentiments und Ängsten gegenüber diesem Personenkreis.”

Genau dies bestreitet die von der AfD beauftragte Rechtsanwaltskanzlei Höcker in einer 48-seitigen Abmahnung und kritisiert unter anderem, dass das Bundesamt keinerlei Belege beigefügt habe. Die Frage der Veröffentlichung der Beweismittel ist umstritten. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) forderte, dass die Länder das vom Verfassungsschutz gesammelte Material einsehen müssten. “Für uns Länder ist wichtig, dass wir das Gutachten des Verfassungsschutzes einsehen und prüfen können”, sagte sie zu Reuters.

Scholz: Kein Schnellschuss bei Verbotsverfahren

Die Union reagierte zurückhaltend auf die Forderung nach der Einleitung eines Verbotsverfahrens. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der künftige Innenminister, sagte, man müsse die Konsequenzen jetzt prüfen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann vermied eine Aussage zum Verbotsverfahren, während sich der Initiator eines Bundestagsantrages für ein AfD-Verbot, der CDU-Politiker Marco Wanderwitz, bestätigt sah. “Spätestens jetzt müssen alle drei Antragsberechtigten beim Bundesverfassungsgericht, also Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag, zeitnah ein Verbotsverfahren initiieren”, sagte Wanderwitz der “Rheinischen Post”. Auch Politiker und Landesverbände der Grünen und Die Linke forderten ein Verbotsverfahren.

SPD-Co-Chef Lars Klingbeil sagte der “Bild”, dass ein Verbotsverfahren “jetzt eine Möglichkeit sei”, man das Gutachten aber erst auswerten müsse. In der umstrittenen Frage, ob AfD-Politiker zu Ausschussvorsitzenden im Bundestag bestimmt werden, kündigte Klingbeil “ein gemeinsames Vorgehen” von CDU, CSU und SPD an. Weil die AfD “dieses Parlament und unser Zusammenwirken als Demokraten grundlegend ändern” wollten, könne er sich nicht vorstellen, AfD-Politiker in diese Positionen zu bringen.

Zurückhaltend äußerten sich der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz und die noch amtierende Innenministerin Faeser (beide SPD). Scholz warnte auf dem Evangelischen Kirchentag in Hannover vor einem “Schnellschuss” und verwies darauf, dass das Bundesverfassungsgericht in den vergangenen Jahren alle Parteiverbotsverfahren verworfen hatte. “Ein Parteiverbotsverfahren hat aus guten Gründen sehr hohe verfassungsrechtliche Hürden”, sagte Faeser. “Es gibt jedenfalls keinerlei Automatismus.”

In Umfragen nach der Bundestagswahl hatte die AfD weiter zugelegt. Im am Freitag veröffentlichten ZDF-Politbarometer vergrößerte sich der Abstand zwischen Union und der AfD aber wieder. Die Union legte in der Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen auf 27 Prozent zu, die AfD rutschte auf 23 Prozent ab.

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