Von: luk
Bozen – Früher als Vertreter großer Logistikunternehmen wahrgenommen, arbeiten viele Paketzusteller in Südtirol in Wahrheit unter prekären Bedingungen für Subunternehmen oder Genossenschaften. Der Kostendruck ist immens. Hinter dem Klick im Internet und der mittlerweile sehr schnellen Lieferung steckt ein knallharter Arbeitsalltag für die Kurierfahrer: Bis zu 100 Pakete am Tag, schwere Lasten ohne Hilfsmittel, kaum Pause und das alles für zwei bis drei Euro pro Lieferung.
„Die Arbeitstage sind ein Wettlauf gegen die Uhr“, schildert Ferjani Harrabi, 59, Inhaber eines kleinen Zustelldienstes in Südtirol, der mit einem großen Paketdienstleister zusammenarbeitet. Er selbst springt oft ein, wenn Fahrer krank oder im Urlaub sind. Besonders mittags werde es hektisch: Während Unternehmen schließen, müssen Zusteller Wohngebiete bedienen – denn über Mittag sind die Menschen eher zu Hause. Eine Pause gibt es nur, wenn Zeit dafür bleibt.
Trotz hoher Paketanzahl bleibt finanziell wenig übrig. „Am Ende des Monats bleibt mir kaum etwas“, so Harrabi. Dabei wollte er ursprünglich mit seinen Ersparnissen jungen Menschen Arbeit geben und startete auch deswegen sein Business. Stattdessen sieht er sich mit steigenden Betriebskosten und strengen Strafen konfrontiert: Bis zu 100 Euro pro falsch adressierter Lieferung oder fünf Euro, wenn das Paket zu spät ankommt.
Dramatisch wurde es laut der Zeitung Alto Adige am 3. März diesen Jahres: Einer von Harrabis Fahrern verursachte auf der Straße ins Eggental einen Unfall, bei dem der 19-jährige Simone Napoli ums Leben kam. Der junge Sizilianer arbeitete in Südtirol. Den Unglücksfahrer, ein 30-jähriger Mann aus Tunesien, erwartet nun einen Prozess wegen fahrlässiger Tötung. Für Harrabi ist das Ereignis ein Wendepunkt: „Ich habe tagelang nicht geschlafen. Auch ich habe Kinder. Wir dürfen diese Zusteller nicht länger verheizen.“
Auch die Gewerkschaften schlagen Alarm. „Es fehlt an Kontrolle und an der Einhaltung von Arbeitsverträgen“, kritisiert Artan Mullaymeri von der Gewerkschaft UIL. Zusteller würden ausgebeutet, in teils absurde Lieferrouten gezwungen, ohne dass sie sich trauten, Missstände zu melden. Mullaymeri fordert, dass Politik, Polizei und Gesellschaft gemeinsam hinschauen: „Es darf nicht sein, dass jemand für ein Paket sein Leben riskiert.“
Aktuell sind 14 Kommentare vorhanden
Kommentare anzeigen