Überraschend „heißes“ Bozen verwundert Italiener

„Das nach Süden offene Becken speichert die Wärme“

Dienstag, 01. Juli 2025 | 07:04 Uhr

Von: ka

Bozen – Viele Italiener sind immer wieder überrascht, dass Bozen, obwohl es hoch im Norden, mitten in den Alpen liegt, fast immer zu den heißesten Städten Italiens gehört.

Um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen, befragte die Lokalausgabe des Mailänder Tagblatts Corriere della Sera den Landesmeteorologen Dieter Peterlin. Peterlin zufolge tragen gleich mehrere Faktoren dazu bei, dass die Südtiroler Landeshauptstadt zu einem Wärmehotspot wird. Meteorologen wie er beobachten jedoch auch, dass die Durchschnittstemperaturen über das ganze Jahr hinweg stetig ansteigen. „Selbst im Frühjahr haben wir jetzt 4 bis 5 Grad mehr als die Durchschnittswerte von vor einigen Jahrzehnten“, so Peterlin.

stnews/luk

Auf den italienischen Wetterkarten, die vor und nach den gesamtstaatlichen Nachrichtensendungen gezeigt werden, ist Bozen fast immer mit einem orangefarbenen oder roten Punkt gekennzeichnet, der für sehr hohe Temperaturen steht. Obwohl Bozen im Norden liegt und in der kollektiven Vorstellung der Italiener die Hauptstadt der Provinz der grünen Wälder, des kühlen Wetters und des Schnees ist, ist die Südtiroler Landeshauptstadt nicht selten sogar die heißeste Stadt Italiens. So lag der sommerliche Höchstwert letztes Jahr beispielsweise bei 37,1 Grad und im Jahr davor bei 37,3 Grad. Der Südtiroler Landesmeteorologe Dieter Peterlin erklärt, warum Bozen so heiß ist, wie sich das Klima im Bozner Becken verändert hat, warum es plötzlich so oft Gewitter gibt und welche Auswirkungen der Klimawandel bereits hat.

Stnews/luk

Der Südtiroler Landesmeteorologe hat eine eindeutige Antwort auf die Frage, warum Bozen trotz seiner nördlichen Lage in den Alpen so warme Temperaturen aufweist.

„Das ist ein typisches Phänomen des Frühsommers. Das noch relativ kühle Meer mildert die Temperaturen in den Küstengebieten sowie in Mittel- und Süditalien. Bozen hingegen ist weit vom Meer entfernt und profitiert daher nicht von diesem Effekt. Aus diesem Grund erreichen die Höchstwerte in Bozen im Juni und manchmal sogar schon im Mai die Werte des restlichen Italiens oder übertreffen diese sogar. Im Hochsommer, also im Juli und August, werden diese Werte von den südlichen Städten jedoch erneut übertroffen. Es gibt jedoch auch andere Gründe, warum Bozen eine so heiße Stadt ist. Bozen liegt nur 262 Meter über dem Meeresspiegel und ist somit nicht sehr hoch gelegen. Außerdem liegt die Stadt in einem Becken, das nach Süden hin offen und nach Norden hin geschlossen ist. „Diese geografische Lage hält die Wärme zurück, verringert den Luftaustausch und trägt zum Wärmestau bei”, erklärt der Südtiroler Landesmeteorologe.

X/Dieter Peterlin

Für Meteorologen wie Peterlin ist es keine Neuigkeit, dass Bozen nicht nur warm, sondern manchmal auch sehr „heiß” ist. Wie der Klimawandel diese Tendenz jedoch weiter verstärkt, beobachten die „Wetterfrösche” mit Sorge.

Facebook/Dieter Peterlin

„Am offensichtlichsten ist der Anstieg der Temperaturen in allen Jahreszeiten. Am deutlichsten ist er im Sommer zu spüren, aber auch im Frühjahr liegen die Temperaturen jetzt 4 bis 5 Grad höher als der Durchschnitt vor einigen Jahrzehnten. Dies wird zwar oft als angenehm empfunden, ist aber ein sehr deutliches Signal. Hinzu kommt, dass sogenannte ‚Tropennächte‘, also Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad fällt, immer häufiger werden. Die Gletscher ziehen sich immer schneller zurück und die wärmere Atmosphäre ist energiereicher. Das bedeutet, dass die Gewitter immer heftiger werden. Ein normales Gewitter ist heute nur noch selten zu beobachten, es handelt sich fast ausschließlich um ‚extreme‘ Unwetter“, antwortet Dieter Peterlin auf die Frage des Corriere dell’Alto Adige, was ihn als Meteorologe am Klimawandel am meisten beunruhigt.

Facebook/TV33 – La vostra tv in Trentino Alto Adige

Tatsächlich war der Juni 2025 der zweitwärmste Juni in der Geschichte der Südtiroler Meteorologie. „Der Juni 2025 ist bald Geschichte – und er schreibt Geschichte. In Bozen lag die mittlere Temperatur mit 25,3 Grad nur knapp hinter dem Rekordjuni 2003 mit 25,4 Grad. Auffällig sind auch die etwas kühleren Junimonate von 2016 bis 2022. Davor und danach war es heißer“, schreibt Dieter Peterlin auf seiner X-Seite.

X/Dieter Peterlin

Während man sich in Italien über die „heiße“ Landeshauptstadt Südtirols wundert, dürften sich viele in Bozen und den warmen Tallagen des Landes über die warmen Temperaturen und die geringeren Heizungsausgaben freuen. Die nackten Zahlen, dass die Gletscher immer kleiner werden oder gar ganz verschwinden, werden Südtirol jedoch in wenigen Jahren vor neue Herausforderungen stellen.

 

 

Bezirk: Bozen

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