Von: apa
Der serbische Präsident Aleksandar Vučić strebt keine dritte Amtszeit an. Er werde seine Karriere als Präsident in einem Jahr beenden, sagte Vučić beim Besuch von Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) am Mittwoch in Belgrad. Laut Verfassung könne er nicht noch einmal antreten, sagte Vučić. “Ich bin kein Diktator” und würde “nie wieder als Präsident Serbiens antreten”, betonte er. Stocker unterzeichnete in Belgrad ein Abkommen über vertiefte wirtschaftliche Zusammenarbeit.
So sagte der Bundeskanzler eine Teilnahme Österreichs an der Expo 2027 in der serbischen Hauptstadt zu. Laut Stocker geht es in dem Abkommen, welches er mit dem serbischem Premier Đuro Macut unterzeichnet hat, auch um die Zusammenarbeit in den Bereichen Biomasse, Wasserkraft, Abwasser, Telekommunikation, Infrastruktur und Transportlogistik. Auch die Zusammenarbeit gegen illegale Migration war Thema der Gespräche.
Stocker sagte Vučić eine konsequente Unterstützung für die EU-Beitrittsperspektive Serbiens zu, der Kanzler befürwortet etwa die Eröffnung des nächsten Verhandlungsclusters 3 in den Beitrittsgesprächen. Österreich wolle auch eine graduelle Integration vor dem Vollbeitritt ermöglichen, etwa in den Bereichen Transport und Energie, so Stocker. Dabei müssten aber für alle EU-Beitrittskandidaten dieselben Regeln gelten. Rechtsstaatlichkeit sei ein zentraler Wert, auch die Unabhängigkeit von Medien und Justiz sowie die Anerkennung von Gerichtsurteilen, betonte der Kanzler.
Stocker: Dialog mit Kosovo “alternativlos”
Stocker forderte Serbien insbesondere zum Dialog mit dem Kosovo auf, um den Konflikt mit der seit 2008 unabhängigen früheren serbischen Teilrepublik zu lösen. Aus Sicht der EU sei der Dialog Belgrad-Prishtina alternativlos, wenn man eine Lösung finden wolle, so Stocker. Er auch könne keine Lösung anbieten, “ich habe nicht den Stein der Weisen”, so Stocker. Er sehe jedenfalls nach seinen Gesprächen die Bereitschaft zu diesem Dialog. Auch Vučić betonte, Serbien wolle mit Prishtina reden.
Vučić betonte, man habe durch die Anerkennung des Kosovo Serbien 14 Prozent des Landes weggenommen. Er beklagte eine Ungleichbehandlung des Westens gegenüber Serbien im Vergleich zur Ukraine. “Und dann sagt man uns: Schaut nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft.”
Vučić kritisiert “gewaltsame Proteste”
Auf Fragen zu den landesweiten Protesten in Serbien nach dem Einsturz eines Bahnhofdachs im vergangenen November in Novi Sad betonte der serbische Präsident, es gebe “nicht so massive aber ziemlich gewaltsame Proteste”. Jede bisherige Versammlung sei gesetzeswidrig abgelaufen. Er sei stolz darauf, dass Serbien nicht gewaltsam darauf reagiert habe.
Vučić reagierte auch auf Aussagen, die der montenegrinische Premierminister Milojko Spajić am Dienstag beim Besuch Stockers in Podgorica gemacht hatte. Spajić hatte erklärt, es wäre im nationalen Interesse seines Landes, dass auch Serbien der EU und der NATO beitrete. “Wir wollen keinem Militärblock angehören, wir wollen neutral bleiben”, so der serbische Präsident. Zu Montenegro strebe er “brüderliche Beziehungen” an. In Hinblick auf die EU-Beitrittsgespräche sagte Vučić, er könne nicht garantieren, dass neue Kapitel eröffnet würden.
Der Bundeskanzler traf in der österreichischen Botschaftsresidenz in Belgrad auch noch ÖFB-Rekordteamspieler Marko Arnautović, der seit kurzem beim Spitzenclub Roter Stern Belgrad kickt. Österreich ist der drittgrößte Investor in Serbien – laut Vučić nach China und den Niederlanden – und einer der stärksten Fürsprecher für einen EU-Beitritt der Westbalkanstaaten. In Serbien sind laut Stocker rund 800 österreichische Unternehmen aktiv, die für 25.000 Arbeitsplätze sorgen. Österreich und Serbien seien nicht nur durch eine gemeinsame Geschichte, sondern auch durch menschliche Bande verbunden, betonte Stocker. Die serbische Diaspora sei aus der Mitte der Gesellschaft in Österreich nicht mehr wegzudenken.
NGOs fordern mehr Druck auf Belgrad
Vertreter der serbischen Medienbeobachtungsorganisation CRTA forderten mehr Druck der Staatengemeinschaft auf Belgrad. “Wir erwarten von der internationalen Gemeinschaft, dass sie nicht europäische Grundwerte gegen Rechtsstaatlichkeit eintauschen für Handel, bilaterale Abkommen und Zusammenarbeit bei der Migration. Wir wollen, dass die europäischen Nationen viel lautstarker an der Seite der serbischen Bürger und nicht des Regimes stehen”, sagte CRTA-Programmdirektor Rasa Nedeljkov.
Nach Angaben von CRTA-Direktorin Vukosava Crnjanski gab es im Zuge der Proteste 800 Festnahmen seit Jahresbeginn, die meisten Personen seien wieder freigelassen worden, einige Personen seien angeklagt wegen Störung der öffentlichen Ordnung und wegen eines versuchten Staatsstreichs, darunter Studenten in kroatischen Exil. Laut CRTA gibt es noch immer rund 50 Proteste landesweit täglich.
Transparency Serbien beklagt eine weit verbreitete Korruption in dem Land. “Es gibt eine legalisierte Korruption für öffentliche Infrastrukturprojekte ohne Wettbewerb durch zwischenstaatliche Abkommen oder spezielle Gesetze wie etwa für die Expo”, sagte Programmdirektor Nemanja Nenadić.
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