Sorge um Europas größtes AKW

Ukraine: Genug Wasser zur Kühlung im AKW Saporischschja

Montag, 12. Juni 2023 | 13:54 Uhr

Das Kernkraftwerk Saporischschja hat nach ukrainischen Angaben trotz der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der vergangenen Woche noch genügend Kühlwasser. Der Wasserstand in den Becken, die zur Kühlung der Reaktoren in Europas größtem AKW verwendet werden, sei trotz des sinkenden Wasserspiegels des Kachowkaer Stausees stabil und ausreichend, teilte der ukrainische Umweltminister mit. Zuvor hatte sich die Internationale Atomenergiebehörde IAEA besorgt gezeigt.

Der Wasserstand des Damms sei am Wochenende zwar etwa einen Tag lang stabil gewesen, erklärte IAEA-Chef Rafael Grossi am Sonntag. “An anderen Stellen des riesigen Stausees sinkt der Pegel jedoch weiter, was zu einer möglichen Differenz von etwa zwei Metern führt.” Die Höhe des Wasserspiegels sei ein wichtiger Parameter für die weitere Funktionsfähigkeit der Wasserpumpen. Das Wasser aus dem Stausee wird IAEA-Angaben zufolge zur Kühlung der sechs Reaktoren der Anlage und zur Lagerung abgebrannter Brennelemente verwendet. Grossi forderte den Zugang von Experten zum Thermalkraftwerk Saporischschja. “Das Wärmekraftwerk spielt eine Schlüsselrolle für die Sicherheit des nur wenige Kilometer entfernten Kernkraftwerks”, zitierte die Nachrichtenagentur Ukrinform Grossi.

Am Montagmorgen lag der Wasserstand in der Gebietshauptstadt Cherson bei rund 3,29 Meter, wie der Chef der dortigen Militärverwaltung Oleksandr Prokudin auf Telegram berichtete. In der Region soll der durchschnittliche Wasserstand des Flusses inzwischen um zwei Meter auf etwa 3,60 Meter gesunken sein, wie der ukrainische Rettungsstab zur Bekämpfung der Folgen der Dammzerstörung am Montag auf Telegram mitteilte. In Folge der Damm-Zerstörung stieg das Wasser an manchen Orten, so beispielsweise in der nahe gelegenen Stadt Nowa Kachowka, um mehr als zehn Meter, wie russische Medien berichteten.

Laut Rettungsstab hat der Kachowka-Stausee seit der Zerstörung des Damms 72 Prozent seines Wassers verloren. Die abgeflossene Wassermenge von 14,4 Kubikkilometer entspricht etwa einem Drittel des Bodensees. Auf der ukrainisch kontrollierten Nordseite des Dnipros sollen dadurch noch 32 Siedlungen mit rund 3.800 Gebäuden unter Wasser stehen, wie der ukrainische staatliche Notfalldienst DSNS am Montag vermeldete. 14 weitere Siedlungen sind demnach auf der russisch besetzten Flussseite betroffen.

Der Kachowka-Staudamm wurde in der Nacht auf 6. Juni zerstört. Laut Experten wurde dadurch eine schwere Umweltkatastrophe ausgelöst. Bisher war zudem von insgesamt 14 Toten die Rede, davon acht in dem von Russland kontrollierten Teil des Gebiets. Allein dort gelten noch 35 Menschen als vermisst, unter ihnen sieben Kinder.

Unterdessen laufen laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bereits internationale Ermittlungen zur Zerstörung des Staudamms. “Vertreter des Internationalen Strafgerichtshofs haben die Region Cherson in den vergangenen Tagen besucht”, erklärte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Gleich am Tag des Dammbruchs habe der Generalstaatsanwalt eine entsprechende Anfrage an den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) gesandt.

“Die Arbeit hat bereits begonnen.” Es sei wichtig, dass die internationalen Rechtsexperten die Folgen der Katastrophe untersuchten. Dazu gehöre auch der Beschuss von Überschwemmungsgebieten. Laut der Ukraine sind bei einem russischen Angriff auf ein Rettungsboot drei Menschen getötet worden. Russland weist Vorwürfe zurück, Zivilisten ins Visier zu nehmen.

Selenskyj verurteilte die Schüsse auf das Rettungsboot. “Sogar Tiere haben mehr Moral als Sie, russischer Staat”, sagte Selenskyj in seiner am Sonntag in Kiew verbreiteten allabendlichen Videobotschaft. “Russische Terroristen beschießen weiter Evakuierungswege, Evakuierungspunkte, Boote, die die Menschen wegbringen.” Erst habe Russland den Staudamm gesprengt, dann die Menschen in dem Überschwemmungsgebiet ihrem Schicksal überlassen und nun werde noch auf sie geschossen, sagte Selenskyj. Das rechte Ufer des Dnipro-Flusses ist unter ukrainischer Kontrolle.

Von: APA/dpa/Reuters