Ukrainische Panzerbesatzung in der Region Donezk

Ukraine meldet Vorrücken ihrer Truppen in alle Richtungen

Freitag, 30. Juni 2023 | 16:47 Uhr

Die ukrainischen Truppen rücken nach Angaben der Regierung in Kiew bei ihrer Gegenoffensive in alle Richtungen vor. Seit Beginn der Offensive hat die Ukraine nach eigener Darstellung eine ganze Reihe von Dörfern zurückerobert. Gleichwohl haben russische Truppen noch immer große Gebiete unter ihrer Kontrolle. Der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj forderte indes Geduld für die laufende Gegenoffensive. Die Grenze zu Belarus soll verstärkt werden.

“Wenn wir über die gesamte Frontlinie sprechen, sowohl im Osten als auch im Süden, haben wir die strategische Initiative ergriffen und rücken in alle Richtungen vor”, sagte die stellvertretende Verteidigungsministerin, Hanna Maljar, am Freitag im ukrainischen Fernsehen. Unabhängig überprüfen lassen sich Berichte über das Kampfgeschehen nicht. Die Hauptkämpfe fänden rund um die zerstörte Stadt Bachmut im Osten statt, sagte Maljar. Dort kämen die eigenen Truppen an den Flanken weiter voran.

Im Süden des Landes sei der Erfolg gemischt, sagte die Vize-Verteidigungsministerin. Dort werde vor allem die Frontlinie begradigt. “Im Süden bewegen wir uns mit unterschiedlichem Erfolg, manchmal gibt es Tage, an denen es mehr als einen Kilometer ist, manchmal weniger als einen Kilometer, manchmal bis zu zwei Kilometer.” Sie verwies darauf, dass die Wirksamkeit der Gegenoffensive anhand vieler verschiedener militärischer Aufgaben und nicht nur anhand von Fortschritten und der Befreiung von Siedlungen beurteilt werden müsse. Das könne nur das Militär richtig und genau einschätzen. “Und nach seiner Einschätzung läuft alles nach Plan.”

Im südlichen Gebiet Saporischschja habe man weitere “Teilerfolge” erzielt, teilte zuvor der Generalstab via Facebook mit. Die Truppen setzten sich aktuell auf den neu erreichten Positionen südlich von Orichiw fest. Auch an anderen Abschnitten in dem Gebiet sollen russische Truppen zurückgedrängt worden sein.

Am Freitagvormittag beschoss die ukrainische Armee außerdem eigenen Angaben zufolge die besetzte südukrainische Hafenstadt Berdjansk. Das Armee-Kommando will dabei einen russischen Offiziersstab und ein Treibstofflager getroffen haben, während russische Besatzer vom Abschuss mehrerer “Storm Shadow”-Raketen sprachen.

Auch US-Experten sprechen von einer breit angelegten Gegenoffensive im Umland von Bachmut. Die Streitkräfte hätten nach Angaben des ukrainischen Generalstabs die “strategische Initiative” in Richtung Bachmut ergriffen, schrieb das in Washington ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW) am Donnerstag (Ortszeit) in seinem täglichen Bericht. Es gebe Anzeichen dafür, dass die Armee ihre Offensive weiter ausbaue. Bachmut war von den Russen im Mai nach monatelangen Kämpfen erobert worden.

Der ukrainische Oberbefehlshaber bat unterdessen um Geduld. “Das ist keine Show, bei der die ganze Welt zuschaut und Wetten abschließt”, sagte er der Zeitung “Washington Post” in einem am Freitag veröffentlichten Interview. Jeder Tag und jeder Meter würden mit Blut erkämpft. Zugleich beklagte Saluschnyj, dass fehlende Luftunterstützung den ukrainischen Vormarsch verlangsame. An den ukrainischen Westgrenzen seien mehr Jets der NATO in der Luft, als die ukrainische Armee zur Verfügung habe. “Warum können wir nicht mindestens ein Drittel davon hier haben?”, fragte Saluschnyj. Anders könne die russische Luftüberlegenheit nicht gebrochen werden.

Die kürzliche Meuterei der russischen Wagner-Söldner habe dagegen keine Auswirkungen auf das Frontgeschehen gezeigt, da diese bereits seit Anfang Juni nicht mehr an der Frontlinie stünden. “Wir haben nicht gespürt, dass ihre Verteidigung irgendwo oder irgendwie schwächer wurde”, unterstrich Saluschnyj.

Die Wagner-Söldner spielen dennoch weiter eine Rolle im ukrainischen Kriegsverlauf. Wegen Spekulationen über ihre Präsenz in Belarus beauftragte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj General Saluschnyj und den für den Grenzabschnitt zuständigen Generalleutnant Serhij Najew mit der Verstärkung der Nordgrenze seines Landes.

Zuvor hatte das NATO-Mitgliedsland Polen ebenso angekündigt, die Schutzmaßnahmen an der bereits durch einen Zaun gesicherten EU-Außengrenze zu Belarus zu verstärken. Unbestätigten Informationen zufolge soll nach der gescheiterten Meuterei vom Wochenende ein Teil der mehrere Tausend Mann starken Söldnertruppe in Belarus unterkommen. Bis Juni hatten die Wagner-Söldner in der Ostukraine gekämpft und dabei für Moskau die Städte Soledar und Bachmut erobert.

Die Ukraine hat vor gut drei Wochen mit einer lang angekündigten Gegenoffensive begonnen, im Zuge derer besetzte Gebiete befreit werden sollen.

Von: APA/dpa/Reuters