Von: APA/dpa/Reuters/AFP
Nationale Sicherheitsberater aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien treffen sich Insidern zufolge am Sonntag in Genf mit Vertretern der EU, der USA und der Ukraine. Sie wollen über den von Washington vorgeschlagenen Friedensplan für die Ukraine beraten, verlautet am Rande des G20-Gipfels in Johannesburg aus Teilnehmerkreisen. An dem Treffen in Genf sollen nach Angaben aus US-Kreisen auch US-Sondergesandter Steve Witkoff und Außenminister Marco Rubio teilnehmen.
Sie sollten am selben Tag in der Schweiz ankommen, sagt ein US-Vertreter der Nachrichtenagentur Reuters. US-Heeresstaatssekretär Daniel Driscoll sei bereits in Genf gelandet, die ukrainischen Delegationen würden am Abend erwartet, heißt es weiter. Eine Teilnahme Russlands sei nicht geplant.
Zuvor gab die Regierung in Kiew Gespräche mit den USA in der Schweiz bekannt. “In den kommenden Tagen” sollten in der Schweiz Beratungen zwischen hochrangigen Vertretern der USA und der Ukraine über “mögliche Punkte eines künftigen Friedensabkommens” stattfinden, erklärte der Chef des ukrainischen Sicherheitsrats, Rustem Umerow, am Samstag auf Facebook. Die bevorstehenden Gespräche in der Schweiz seien “eine weitere Phase des in den vergangenen Tagen laufenden Dialogs”, erklärte Umerow. Vorrangiges Ziel sei es, “unsere Vision für die nächsten Schritte abzugleichen”.
Andrij Jermak leitet ukrainische Delegation
Kurz zuvor hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj ein Dekret zur Bildung einer ukrainischen Verhandlungsdelegation unterzeichnet, die von Präsidialamtschef Andrij Jermak angeführt werden soll. Zu der insgesamt neunköpfigen Delegation gehört auch der Chef des Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow.
Die US-Regierung hat Kiew einen 28-Punkte-Plan zur Beendigung des Krieges vorgelegt. Er verlangt von der Ukraine schmerzhafte Zugeständnisse wie die Abtretung großer Gebiete in der Ostukraine an Russland, eine Begrenzung der Truppenstärke und den Verzicht auf einen NATO-Beitritt.
Selenskyj hatte den US-Plan am Freitag in seiner aktuellen Form zurückgewiesen und angekündigt, “Alternativen” zu dem Vorschlag vorzulegen. US-Präsident Donald Trump setzte der Ukraine eine Frist bis Donnerstag kommender Woche, dem Plan zuzustimmen.
Selensykj lehnt Straffreiheit für Russland ab
Selenskyj sprach sich vor den geplanten Verhandlungen über den riedensplan von US-Präsident Trump gegen eine mögliche Straffreiheit für Russland aus. “Es muss dafür gesorgt werden, dass nirgendwo in Europa und weltweit das Prinzip vorherrscht, dass Verbrechen gegen Menschen und Menschlichkeit, gegen Staaten und Völker irgendwie belohnt und vergeben werden können”, sagte Selenskyj am Samstag in seiner in Kiew veröffentlichten Videobotschaft.
Mit Blick auf Trumps 28-Punkte-Plan für eine Beendigung des Krieges sagte er, dass es für die Ukraine um mehr gehe als bestimmte Aspekte eines Dokuments. In dem Entwurf gibt es einen Punkt, nachdem für alle Kriegsbeteiligten eine Amnestie gelten soll. “Echter Frieden basiert immer auf garantierter Sicherheit und Gerechtigkeit”, betonte Selenskyj.
Selenskyj zieht an Holodomor-Gedenktag Parallele zum Krieg
In seiner Videobotschaft am Holodomor-Gedenktag erinnerte Selenskyj an den massenhaften Tod durch Aushungern der ukrainischen Bevölkerung durch die Kommunisten zu Sowjetzeiten 1932 und 1933. Die Ukraine spricht von einem Genozid und macht Moskau dafür verantwortlich. Selenskyj sagte, dass das Leid früherer Generationen des ukrainischen Volkes eng mit dem verbunden sei, was die Menschen heute in dem Krieg durchmachten.
“Unabhängig davon, welche Form sein Regime hat, wenn es straffrei bleibt, versucht Russland, sein Unrecht zu wiederholen”, warnte Selenskyj mit Blick auf die bevorstehenden Gespräche. Die Vertreter Kiews wüssten, was nötig sei, damit Russland “keinen weiteren Schlag gegen die Ukraine unternimmt – so wie es in der Vergangenheit wiederholt Verbrechen gegen unser Volk und auch gegen andere Völker begangen hat”, sagte Selenskyj.
Merz: Kein Kriegsende ohne Zustimmung Kiews und Europas
Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz betonte am Rande des G20-Gipfels, dass es ohne die Zustimmung der Ukraine kein Ende des Krieges dort geben könne. “Kriege können nicht beendet werden durch Großmächte über die Köpfe der beteiligten Länder hinweg”, sagte er im südafrikanischen Johannesburg als Reaktion auf den neuen US-Friedensplan. “Eine Beendigung des Krieges kann es natürlich nur dann geben, wenn es eine uneingeschränkte Zustimmung der Ukraine gibt.”
Notwendig sei auch eine europäische Zustimmung, sagte Merz. “Wenn die Ukraine diesen Krieg verlieren sollte und möglicherweise kollabiert, dann hat das Auswirkungen auf die gesamte europäische Politik, auf den gesamten europäischen Kontinent.” Der Kanzler erklärte aber auch, es gebe im Augenblick eine Chance, den Krieg zu beenden. Von einem gemeinsamen guten Ergebnis sei man aber “noch ziemlich weit entfernt”. Dies habe er am Freitagabend auch beim Telefonat mit US-Präsident Donald Trump deutlich gemacht, sagte Merz.
Er habe Trump zudem daran erinnert, wie Moskau mit dem Budapester Memorandum von 1994 umgegangen sei. Damals habe es schon einmal eine Zusage Russlands gegenüber der Ukraine gegeben, worauf die Ukraine unter anderem auf Atomwaffen verzichtet habe. Im Gegenzug habe die Ukraine die Zusage von Russlands erhalten, auf Dauer die territoriale Integrität der Ukraine zu akzeptieren. Das habe Russland nicht eingehalten. Deswegen müssten jetzt andere, verlässlichere Sicherheitsgarantien gegeben werden.
Europäer lehnen Teile des US-Plans ab
Führende Unterstützer der Ukraine lehnen den US-Plan für ein Ende des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in der derzeitigen Form ab. Zwar stelle der aktuelle Entwurf eine Grundlage dar, jedoch müsse weiter an dem Plan gearbeitet werden, heißt es in einer am Samstag nach einem Krisentreffen am Rande des G20-Gipfels in Johannesburg veröffentlichten Erklärung. Man sei bereit, sich einzubringen, um sicherzustellen, dass ein zukünftiger Frieden nachhaltig sei.
In der Erklärung heißt es, Grenzen dürften nicht mit Gewalt verändert werden. Man sei zudem besorgt über die vorgeschlagenen Beschränkungen für die ukrainischen Streitkräfte, die die Ukraine anfällig für zukünftige Angriffe machen würden.
Auch Nicht-Europäer unterstützen Erklärung
Die Erklärung unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien sowie von Irland, den Niederlanden, Spanien, Finnland und Norwegen. Für die EU waren Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident António Costa dabei. Als Nicht-Europäer unterstützen zudem die politischen Spitzenvertreter Kanadas und Japans die Erklärung.
Ziel der Unterzeichner ist es, aus ihrer Sicht inakzeptable Zugeständnisse an Russland aus dem 28-Punkte-Plan der Amerikaner herauszuverhandeln. Der US-Vorschlag sieht zum Beispiel vor, dass die Ukraine auch bisher noch verteidigte Gebiete an Russland abtritt, ihr militärischen Fähigkeiten beschränkt und die Nato einen Verzicht auf jegliche Erweiterung erklärt.
Russland müsste dagegen nur vergleichsweise geringe Zugeständnisse machen und unter anderem auf in der EU eingefrorenes Staatsvermögen verzichten. Dieses würde für den Wiederaufbau der Ukraine genutzt werden.
G20 rufen zu “gerechtem” Frieden in der Ukraine auf
Die G20-Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer rief zu einem “gerechten und dauerhaften” Frieden in der Ukraine auf. Gemäß den Prinzipien der UNO-Charta setzten sie sich für einen “gerechten, umfassenden und dauerhaften Frieden” im Sudan, der Demokratischen Republik Kongo, den besetzten Palästinensergebieten und der Ukraine ein, hieß es in einer am Samstag von den G20-Gipfelteilnehmern in Johannesburg verabschiedeten Erklärung.
EU-Beratungen am Montag in Angola
Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen indes am Montag am Rande eines EU-Afrika-Gipfels in der angolanischen Hauptstadt Luanda über den US-Plan für die Ukraine beraten. Das kündigte EU-Ratspräsident Antonio Costa am Samstag an. Der Entwurf des 28-Punkte-Plans enthalte wichtige Elemente, die für einen gerechten und dauerhaften Frieden unerlässlich seien, teilte Costa auf der Plattform X mit. Er habe die Staats- und Regierungschefs aller 27 EU-Staaten zu einem Sondertreffen eingeladen.




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