Von: apa
Der ehemalige Chefredakteur des mittlerweile eingestellten Magazins “Aula”, Martin Pfeiffer, ist am Mittwoch im Grazer Straflandesgericht zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Die Geschworenen hatten ihn unter anderem wegen NS-Wiederbetätigung für schuldig befunden. Der Angeklagte soll in der Zeitschrift jahrelang Rassenlehre, Antisemitismus und andere NS-Stereotype propagiert haben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Der Beschuldigte hatte die Vorwürfe stets bestritten. Sein Verteidiger Bernhard Lehofer beantragte nach dem Schuldspruch drei Tage Bedenkzeit für seinen Mandanten, während Staatsanwalt Christian Kroschl keine Erklärung abgab. Daher ist noch unklar, ob das Urteil in die nächste Instanz geht. Ungewöhnlich war der Prozess gleich wegen mehrerer Aspekte: Zum einen wegen der langen Verfahrensdauer von sieben Jahren. Diese wurde dem Angeklagten von Richter Erik Nauta und den beiden beisitzenden Richtern auch als mildernd beim Strafausmaß ausgelegt, denn ansonsten hätte die Strafe fünf Jahre gelautet, erklärte der vorsitzende Richter.
Beinahe sieben Stunden reine Lesezeit
Zum anderen war die umfangreiche Anklage mit etwa 300 Artikeln und Texten aus der “Aula” sowie dem dadurch ebenso langen Fragenkatalog für die Geschworenen ein Novum in der österreichischen Judikatur. Allein die Verlesung der Fragen durch den Richter hatte eineinhalb Tage in Anspruch genommen. Die Verlesung des Wahrspruchs durch die Geschworenen am Mittwoch umfasste immerhin beinahe sieben Stunden reine Lesezeit. Selbst für geübte Leser und Leserinnen war das eine Herausforderung, denn die in komplexer Juristensprache verfassten Fragen stundenlang laut vorzutragen, erfordert Durchhaltevermögen – vor allem von den Laienrichtern.
Verurteilt wurde Pfeiffer entgegen der eingebrachten Anklage nicht nach dem Paragraf 3d des Verbotsgesetzes, sondern nach 3g – nationalsozialistische Wiederbetätigung. Bei der ersten Hauptfrage, bei der es um den Paragraf 3d ging, waren sich die acht Geschworenen in ihrer gut dreistündigen Beratung Dienstagnachmittag nicht einig. Sie stimmten vier zu vier, weshalb es hier im Zweifel zu keiner Verurteilung kam. Bei einer Verurteilung nach Paragraf 3d wäre das Strafmaß bei zumindest fünf und bis zu zehn Jahren gewesen. Der Paragraf 3g sieht dagegen eine Strafe von ein bis zehn Jahren vor.
Erst am späten Nachmittag wurde auch noch die Entscheidung im Fall der Anklageausweitung um den Paragraf 3h verlesen: In diesem Fall entschieden sich die Geschworenen sechs zu zwei für eine Verurteilung. Staatsanwalt Kroschl warf dem Angeklagten in diesem Punkt vor, während der laufenden Verhandlung mit seinen Antworten NS-Verbrechen verharmlost zu haben. Die Geschworenen sahen das mehrheitlich ebenso. Somit wurde Pfeiffer nach den Paragrafen 3g und 3h des Verbotsgesetzes verurteilt.
Mildernde und erschwerende Gründe
Richter Nauta begründete die vier Jahre Haftstrafe unter anderem mit der großen Anzahl an Delikten sowie dem langen Tatzeitraum. Zudem kamen gleich mehrere Vergehen zusammen. Als mildernd wurde neben der langen Verfahrensdauer auch noch der bisher unbescholtene Lebenswandel des früheren Chefredakteurs gewertet.
Die Anklage hatte die etwa 300 Artikel aus dem mittlerweile eingestellten Magazin aufgelistet, die unter anderem Rassenlehre und Antisemitismus propagiert haben sollen. Sie wurden einzeln in teils langen Verhandlungstagen mit den Geschworenen besprochen. Pfeiffer war zu seiner Zeit als Chefredakteur auch FPÖ-Bezirkspolitiker in Graz und hat stets alle Vorwürfe von sich gewiesen. Er soll unter anderem Rassismus, Herrenrassen- und völkischem Denken sowie einem biologisch-rassistischen Volksbegriff und nationalsozialistischen Rassentheorien in der “Aula” eine Plattform geboten haben, lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.
Als Tatzeitraum gilt 2005 bis Juni 2018, in denen Pfeiffer teilweise als Autor in publizierten Beiträgen “nationalsozialistische Propaganda-Stereotype” verwendet haben soll. Damit soll er andere zur NS-Wiederbetätigung angestiftet haben (Paragraf 3d), doch dieser Vorwurf hielt nicht.
Reaktion von SOS Mitmensch und Politik
Die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch, die mit einer Anzeige die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Graz ins Rollen gebracht hatte, bezeichnete das Urteil “angesichts der engen Verflechtungen mit der FPÖ als ‘politischen Supergau'”. Der erstinstanzliche Schuldspruch richte sich auch gegen die FPÖ, da deren Politiker “das Magazin mitbetrieben und finanziell gefördert” hätten, so SOS Mitmensch.
“Es ist mir unverständlich, warum die Behörden hier über Jahrzehnte nicht einschreiten wollten. Umso wichtiger ist jetzt das richtungsweisende Urteil, welches heute am Grazer Straflandesgericht gefällt wurde: NS-Glorifizierung ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen”, sagte Lukas Hammer, Sprecher der Grünen für Rechtsextremismus und Gedenkpolitik, in einer Aussendung.
Das Urteil setze nach Meinung der SPÖ ein klares Zeichen: “Nationalsozialistische Wiederbetätigung hat in Österreich keinen Platz – nicht in den Medien, im öffentlichen Austausch oder im Netz. Jeder Fall, in dem das Verbotsgesetz angewendet wird, zeigt aufs Neue, wie unverzichtbar dieses Gesetz ist und wie aufmerksam wir als demokratische Gesellschaft bleiben müssen.” Die laut SPÖ enge Verflechtung der FPÖ mit der “Aula” sei erschütternd. “Das ist kein Einzelfall, das hat System. Die FPÖ hat ein Magazin unterstützt, das laut Gericht über Jahre nationalsozialistische Ideologie verbreitet hat”, unterstrich SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim.




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