Von: ka
Bozen – Freiwilliges Engagement wird zunehmend ausgebremst. Die ausufernde Bürokratie verdirbt den Spaß an der Freude. Dabei wollen die gemeinnützigen Organisationen eigentlich nur Gutes tun. Und sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren: den Menschen helfen. Das wurde auf der Vollversammlung des Dachverbandes für Soziales und Gesundheit deutlich. Zu tun gibt es genug, denn die soziale Kälte nimmt spürbar zu.
59 gemeinnützige Vereine, mit über 3000 Freiwilligen und mit 48.000 Mitgliedern. Sie tun Gutes, für die Menschen, für unser Land und darüber hinaus. Zusammen sind sie der Dachverband für Soziales und Gesundheit. Auf der Jahresvollversammlung am Freitag, 22. März 2019 in der Handelskammer Bozen, genehmigten die Delegierten zunächst einige Satzungsänderungen. Die Reform des Dritten Sektors in Italien hat diese Statutenanpassung notwendig gemacht. Anschließend wurde über aktuelle Herausforderungen berichtet und diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass vieles im Umbruch ist.
Eine veränderte politische Landschaft in Rom und in Südtirol, neue Ansprechpartner in Politik und Behörden, die Auswirkungen von maßgeblichen Gesetzen, die nun zu befolgen sind: All dies sind für den Dachverband und seine 59 Mitgliedsorganisationen wichtige Herausforderungen. Doch auch eine zunehmende Ausgrenzung oder Ablehnung von Menschen, die aufgrund ihrer Geschichte, ihrer Herkunft oder auch wegen ihrer Lebenssituation aus der Norm herausfallen, ist festzustellen. Hier gilt es, Vorurteile und Ängste abzubauen, Informationslücken auszugleichen und Überzeugungsarbeit für eine gemeinschaftliche Verantwortung aller zu leisten.
„Wir leben in einer Zeit, wo vieles infrage gestellt wird. Die Geisteshaltung des ‚‘America first‘ dringt zunehmend in unseren Alltag ein. Sie bedroht scheinbar unumstößliche Grundwerte unserer Gesellschaft und bringt vor allem den Verlust einer solidarischen Grundhaltung zum Ausdruck. Dabei ist nur ein rücksichtsvolles Miteinander zukunftsträchtig. Dafür stehen wir mit unserer Arbeit Tag für Tag“, betonte Dachverband-Präsident Martin Telser auf der Vollversammlung. Und die stellvertretende Präsidentin Dorotea Postal ergänzte: „Kein Mensch kann sein Leben alleine bewältigen. Keiner kann die Gesellschaft ignorieren, in der er sich bewegt. Wir dürfen nicht nur an uns, sondern müssen auch an künftige Generationen denken.“
Deshalb bedankte sich Dachverband-Präsident Martin Telser aufrichtig bei allen Verantwortlichen in den Vereinen und allen, die sich freiwillig engagieren: „Alle Vereins-Funktionärinnen und Funktionäre nehmen vieles auf sich, stehen für vieles gerade. Alle tragen große Verantwortung. Stehen Tag für Tag für das Soziale ein. Danke für euren Einsatz!“ Ein „Vergelt’s Gott“, dem sich die anwesende Landesrätin Waltraud Deeg anschloss. Sie übermittelte die Grüße der gesamten Landesregierung, insbesondere von Landeshauptmann Arno Kompatscher und Landesrat Thomas Widmann, die sich schon vorab aus terminlichen Gründen entschuldigt hatten. Landesrätin Deeg betonte das positive Gesprächsklima und die Bereitschaft, über den Dachverband mit den Vereinen konstruktiv zusammenzuarbeiten.
Themen gibt es zuhauf. Arbeitsschwerpunkte im vergangenen Jahr waren etwa die Umsetzung des Inklusionsgesetzes für Menschen mit Behinderungen, die Absicherung der Budgets für die Pflegesicherung, sowie insgesamt die Bereitstellung von genügend Mitteln im Landeshaushalt für die Bereiche Soziales und Gesundheit, die Ergänzung der Gesundheitsdienstleistungen, die Sachwalterschaft.
Auch Probleme zu bewältigen gab es auch einige. Es galt, gleich mehrere neue gesetzliche Vorgaben umzusetzen. Im Mai trat die Europäische Datenschutzverordnung in Kraft – und damit eine Flut von Prozeduren, die auch die kleinsten Vereine beachten müssen. Auf lokaler Ebene hingegen ist etwa die Reorganisation des Beitragswesens im Bereich Gesundheit mit vielen Verzögerungen und größter Mühe über die Bühne gegangen. Die Vereine mussten lange aufs Geld warten. Aber auch Italien hat die Vereine heuer ins Schwitzen gebracht. Durch eine Reform wurde der ganze Dritte Sektor auf eine neue rechtliche Basis gestellt. Und noch immer ist nicht ganz klar, was damit im Detail alles auf die gemeinnützigen Organisationen zukommt. Auf der Vollversammlung hielt Universitäts-Professor Alceste Santuari aus Bologna ein Gastreferat, in dem er erläuterte, was sich durch die Reform wirklich ändert und was die Organisationen jetzt beachten müssen.
„Der Dachverband versucht, im Austausch mit allen Beteiligten, Lösungen zu finden und auch Entlastungen und konkrete Hilfestellungen zu bieten. Er nimmt den einzelnen Organisationen auch einiges ab durch Information, Beratung und Dienstleistungen. Die Verantwortlichen der Mitgliedsorganisationen sollen sich den Kernaufgaben widmen können“, sagte Dachverband-Geschäftsführer Georg Leimstädtner: „Sie müssen auch zunehmend neue Aufgaben schultern. Die Gesellschaft wird bunter – damit entstehen neue Potentiale und neue Verunsicherungen. Die Armutsgefährdung steigt, besonders für jene, die Sonderbelastungen ausgesetzt oder schwach sind. Soziales muss sich zunehmend neu rechtfertigen, Leistungen werden argwöhnisch betrachtet.“
Dachverband für Soziales und Gesundheit
Der Dachverband und seine 59 Mitgliedsorganisationen stehen für eine große Palette von Themen, sie reichen von „A“ wie Alzheimer, über Behinderung, Krebs, Multiple Sklerose, Parkinson, Seniorenbetreuung, solidarische Hilfe, Obdachlosenbetreuung bis „Z“ wie Zöliakie. Damit ist der Dachverband ein breites Abbild für viele Menschen der Südtiroler Gesellschaft.
Die vielen Menschen, die sich im Dachverband und seinen Mitgliedsorganisationen engagieren, machen es nicht als Hobby, sondern aus eigener Betroffenheit und Solidarität. Schließlich kann jeder Mensch in seinem Leben plötzlich von Krankheit, Behinderung oder einer Notlage betroffen sein – egal ob reich oder arm, alt oder jung, Bauer oder Unternehmer, Arbeiter, Hausfrau, Pensionist oder Kleinkind. Im Dachverband arbeiten die Organisationen zusammen daran, die Lebenssituation der Betroffenen zu verbessern.