Von: luk
Bozen – Vom 12. bis zum 26. Juli 2019 findet die 35. Ausgabe von Tanz Bozen statt. Damit blickt das Festival inzwischen auf eine langjährige Tradition zurück. Das Bewusstsein für diese Geschichte und der mutige Blick in die Zukunft machen Tanz Bozen, das seit 2015 von der Stiftung Haydn von Bozen und Trient unter der künstlerischen Leitung von Emanuele Masi verantwortet wird, seit jeher aus. Auch 2019 stehen die vielseitigen Ausformungen des zeitgenössischen Tanzes im Mittelpunkt; seine Entwicklung, seine inklusive Kraft und seine Verflechtungen mit anderen Künsten wie live dargebotene Musik, Nouveau Cirque und bildende Kunst. Als übergeordnetes Thema der diesjährigen Ausgabe haben der künstlerische Leiter Emanuele Masi und Guest Curator Rachid Ouramdane das Motiv des Wanderers gewählt, denn das Publikum wird zu einem „Wanderer“ durch die Gegenwart.
„Die Winterreise von Choreorgaf Angelin Preljocaj, mit der am 12. Juli das Festival eröffnet wird, haben wir zum Anlass genommen, den Wanderer zum Sinnbild dieser Ausgabe von Tanz Bozen zu machen,“ so der künstlerische Leiter Emanuele Masi. „Die Aufführungen im Stadttheater und die Outdoor-Veranstaltungen zeichnen Wege eines Wanderers nach. Es sind Reisen, in denen sich bekanntes und unbekanntes Terrain abwechseln, und die letztendlich auch von der Suche nach Sinn, Selbsterkenntnis und Selbsterfahrung geprägt sind. Diese Reise führt von der Wanderreise durch verschiedene Seelenzustände (im 19. Jahrhundert), bis zur Ekstase (eines Clubbings); von qualvollen nächtlichen Odysseen junger Migranten bis hin zu Vorurteilen und Tabus, die tief in uns verwurzelt sind“.
Diese Überlegungen teilt auch Gastkurator Rachid Ouramdane. In den Mittelpunkt seines Outdoor-Programms stelle er, so der Choreograf, die Auseinandersetzung mit inneren Landschaften und Grenzen, die die Persönlichkeit jedes Einzelnen ausmachen, die unsere emotionale Landkarte definieren und Emotionen und Entscheidungen beeinflussen.
Insgesamt stehen 32 Aufführungen im Bozner Stadttheater, in verschiedenen Spielstätten und im Museion auf dem Programm. Gauthier Dance//Theaterhaus Stuttgart wird als Associated Company gleich zwei Programme zeigen, ebenso wie der vom Bozner Publikum geschätzte französische Choreograf Olivier Dubois. Erneut in Bozen zu Gast sind auch Angelin Preljocaj und Virgilio Sieni, Letzerer mit einer Uraufführung. Italienpremieren feiern Franchir la nuit von Rachid Ouramdane und die jüngsten Arbeiten von Lisi Estaras und Sita Ostheimer. Mit dem Gastspiel des Centre National de Danse Contemporaine d‘Angers wird des 100. Geburtstags von Choreograf Merce Cunningham gedacht. Im Mittelpunkt steht der Tanz des 20. Jahrhunderts auch bei Luna Cenere mit ihrer Hommage an Isadora Duncan (Natural Gravitation, 22. Juli, 20.00 Uhr, Studiotheater) und bei Latifa Laâbissi, die mit einer Neuinterpretation des berühmten Hexentanzes die deutsche Pionierin des Ausdruckstanzes Mary Wigman feiert. (Witches gestures, 18. Juli, 22.00 Uhr, Museion), ergänzt durch das Video Silent von Renate Lorenz und Pauline Boudry (18. Juli, 22.00 Uhr, Museion).
Das Ballet Preljocaj eröffnet mit Winterreise am 12. Juli (21.00 Uhr, Stadttheater) die 35. Ausgabe von Tanz Bozen. Angelin Preljocaj hat das Stück als Auftragsarbeit für den Corpo di ballo del Teatro alla Scala kreiert und nun für seine Kompanie adaptiert. Zu Franz Schuberts gleichnamigem Liederzyklus erzählt die Choreografie für zwölf Tänzerinnen und Tänzer von der melancholischen Reise eines einsamen Wanderers und macht seine Gefühle, die sich wie ein facettenreicher Diamant entfalten, sichtbar. Es musizieren Thomas Tatzl (Bassbariton) und James Vaughan (Klavier).
Die Koproduktion von Tanz Bozen und dem „Centro Nazionale di Produzione“ Compagnia Virgilio Sieni Metamorphosis (22. Juli, 21.00 Uhr, Stadttheater) wird in Begleitung des Haydn Orchesters in Bozen uraufgeführt. In seinen Anmerkungen zur Entstehung des Werkes nennt Sieni Ovids Metamorphosen und die französischen Philosophen Gilles Deleuze und Félix Guattari mit ihren Überlegungen zur Bedeutung des Werdens und der Transformation „als Prozess des Verlangens“ als Inspirationsquelle. Die Choreografie für sechs Tänzer entwickelt sich zur Musik von Arvo Pärt, gespielt vom Haydn Orchester unter der musikalischen Leitung von Chloé van Soeterstède.
Olivier Dubois zeigt mit Tropismes (15. Juli, 21.00 Uhr, Stadttheater) seine jüngste Arbeit. Darin beschäftigt sich der Choreograf einmal mehr mit Dantes Göttlicher Komödie. Zum kraftvoll pulsierenden Sound von DJ François Caffenne performen die acht Interpreten und setzen in ihrem Drang zu (über)leben eine hypnotische Energie frei. In seinem Solo My body of coming forth by day (16. Juli, 21.00 Uhr, Merkantilgebäude, Plätze limitiert) tritt Dubois selbst in einen ironischen, performativen Dialog mit dem Publikum.
Rachid Ouramdane, Guest Curator von Tanz Bozen 2019 und Co-Direktor des CCN2 – Centre Chorégraphique National de Grenoble ist bei Tanz Bozen als Choreograf und als Interpret zu sehen. Mit Spannung erwartet wird Franchir la nuit (19. Juli, 21.00 Uhr, Stadttheater), das bereits das Publikum auf der Biennale de la Danse de Lyon 2018 begeistert hat. Die Choreografie für fünf Tänzer aus seiner Kompanie und Kinder und Jugendliche, die jeweils vor Ort ausgewählt werden, erzählt mit viel Feingefühl von Migration und Exil. Zentrales Element auf der Bühne ist das Wasser als Anspielung an die Flucht über das Meer. In Skull*Cult (15. Juli, 20.00 Uhr, Handelskammer, Plätze limitiert) wird Rachid Ouramdane in der Choreografie von Christian Rizzo zum einsamen Helden in einer faszinierenden und kontemplativen Performance.
Lisi Estaras, Choreografin des belgischen Kollektivs „Les Ballets c de la b“, das von Alain Platel gegründet worden war, zeigt in Bozen Monkey Mind (23. Juli, 21.00 Uhr, Studiotheater) als italienische Erstaufführung. In einer Bewegungssprache, die vom Konzept des „monkey mind“ (Affengeist) ausgeht, also dem rastlosen Springen von einem Gedanken zum anderen, stellt die argentinische Choreografin die Frage in den Raum, ob die wirkliche Begegnung und ein echter Kontakt zwischen den fünf Individuen auf der Bühne überhaupt möglich ist und welche Rolle dabei die Tatsache spielt, dass drei von ihnen Trisomie 21 haben: Ein Plädoyer für Toleranz und Meinungsfreiheit.
Die deutsche Choreografin, Tänzerin und Assistentin von Hofesh Shechter Sita Ostheimer zeigt in Bozen an einem Abend gleich drei Arbeiten. In Us, Two, Molimo (25. Juli, 21.00 Uhr, Stadttheater) stellt sie ihr großes künstlerisches und emotionales Potenzial unter Beweis und nimmt das Publikum mit auf eine Reise von der Improvisation über die Begegnung mit anderen bis hin zu Mythos, Magie und Chaos.
Als Associated Company von Tanz Bozen 2018–2020 zeigt Gauthier Dance//Theaterhaus Stuttgart mit Deuces (24. Juli, 20.00 Uhr, Studiotheater) und Powerhouse (24. Juli, 21.00 Uhr, Stadttheater) gleich zwei Programme. Deuces vereint zwei eigens für die Gauthier Dance kreierte Duette: FOR D des holländischen Künstlerduos Guy Weizman & Roni Haver und Prima des US-Amerikaners Richard Siegal. Powerhouse steht hingegen ganz im Zeichen fünf herausragender Choreografen: Cayetano Soto, Helena Waldmann, Marco Goecke, Eric Gauthier und Ohad Naharin.
Das Festival endet mit einer Hommage an Merce Cunningham, dem anlässlich seines 100. Geburtstages mit der Wiederaufnahme zweier Werke gedacht wird: BIPED und Beach Birds (26. Juli, 21.00 Uhr, Stadttheater). Es tanzt das Centre National de Danse Contemporaine d‘Angers unter der Leitung von Robert Swinston, der selbst Tänzer bei Cunningham war. In BIPED (1999) experimentierte Merce Cunningham mit Motion Capture, einer Technologie, die menschliche Bewegungen über Sensoren erfasst und als digitalisierte Daten in ein 3D-Format überträgt. Die Mediendesigner Paul Kaiser und Shelly Eshkar unterstützten den Choreografen dabei. Die Musik stammt vom Komponisten Gavin Bryars und wird auch in Bozen live von ihm und seinem Ensemble gespielt: 2011, zwei Jahre nach Cunninghams Tod, wurde die Merce Cunningham Dance Company aufgelöst und die Lizenz für das Stück allein dem Bayerischen Staatsballett überlassen, bevor es vom CNDC Angers wiederaufgenommen wurde.
Beach Birds schuf Cunningham 1991 zur Musik des Komponisten John Cage (1912–1992), der nicht nur ein wichtiger Mitarbeiter, sondern auch Lebenspartner von Cunningham war. Die elf Tänzerinnen und Tänzer in weißen Kostümen mit schwarzen Handschuhen tanzen wie ein Vogelschwarm. Auf der Bühne ändert sich das Licht in Farbe und Intensität nach dem Zufallsprinzip. Die Tänzer greifen diese Veränderungen auf und interpretieren sie.
Fest in weiblicher Hand sind die Performances der jungen, aufstrebenden Talente bei Tanz Bozen, denen wie jedes Jahr ein eigener Platz gewidmet ist. Silvia Gribaudi, Camilla Monga, Annamaria Ajmone, Sabrina Fraternali und die bereits oben genannte Luna Cenere präsentieren ihre jüngsten Arbeiten. Silvia Gribaudi zeigt mit R.OSA (17. Juli, 21.00 Uhr, Semirurali-Park) eine ironische und tiefgründige Auslegung der weiblichen Schönheit und ihrer Kanons und bezieht das Publikum aktiv mit ein. Camilla Monga erforscht in Golden Variations (18. Juli, 20.00 Uhr, Studiotheater) gemeinsam mit Pieradolfo Ciulli und dem Jazzposaunisten Filippo Vignato die Prozesse der Sofortkomposition (eine Koproduktion von Tanz Bozen und dem Festival Novara Jazz). Annamaria Ajmone zeichnet in Trigger (23. und 25. Juli, 20.00 Uhr, Kapuzinergarten) zusammen mit dem Publikum einen Ort neu und macht ihn zu einer Höhle des Zuhörens. Die Südtirolerin Sabrina Fraternali versetzt in Glauco (26. Juli, 20 Uhr, Studiotheater) die Zuseher in Begleitung von Livemusik in einen hypnotischen Zustand.
Der aus Ferrara stammende Choreograf Nicola Galli, der 2018 mit dem Premio Danza&Danza als “aufstrebender Choreograf” ausgezeichnet wurde, zeigt die Familienaufführung MARS kids (20. Juli, 18.00 Uhr und 21. Juli 10.00 Uhr, Stadttheater), eine fantasievolle Reise auf den Planeten Mars für Jung und Alt. Die Performance ist auch Teil der Nacht im Theater (20.–21. Juli, Stadttheater), bei der Kinder in Begleitung eines Erwachsenen einen Blick hinter die Kulissen der Theaterwelt werfen, spannende Geheimnisse des Theaters erfahren und bei einem Bewegungsworkshop Bühnenluft schnuppern dürfen.
Eindrucksvoll sind die zwei Nouveau-Cirque-Performances: In Ophelia (19. und 20. Juli, Kapuzinergarten) verwandelt Yoann Bourgeois das Ertrinken einer der bekanntesten weiblichen Protagonistinnen von William Shakespeare in eine Art Tauchwettbewerb und in Floe (12. und 13. Juli, Verdiplatz bzw. Talferwiesen) begibt sich Jean-Baptiste André auf eine metaphorische Klettertour über steile und rutschige Eisschollen.
Ein Fixpunkt im Programm von Tanz Bozen ist die Secret Performance (20. Juli, Treffpunkt 20 Uhr, Verdiplatz). Choreograf/in, Performer und Aufführungsort werden bis zuletzt geheim gehalten.
PARTNER UND SPONSOR
Das Festival Tanz Bozen – Bolzano Danza wird organisiert von der Stiftung Haydn von Bozen und Trient mit Unterstützung der Stiftung Südtiroler Sparkasse und Alperia. Unterstützt wird das Festival auch von: Stadtgemeinde Bozen, Autonome Provinz Bozen, Region Trentino-Südtirol und Ministerium für Kulturgüter, kulturelle Aktivitäten und Tourismus MIBAC. 2019 gibt es zudem eine Zusammenarbeit mit der Französischen Botschaft in Italien und dem Institut Français von Paris, die Partnerschaft mit Museion wurde auch in diesem Jahr verlängert.
ABONNEMENT-KAMPAGNE
Der Abo-Verkauf beginnt am 8. Mai, Einzeltickets sind ab 4. Juni an den Kassen des Stadttheaters Bozen und online erhältlich. Weitere Informationen: Stadttheater Bozen – T +39 0471 053800