Von: lup
Bozen – Die Kulturgeschichte der Weidewirtschaft in den Alpen, die Wildtiere vor der Besiedlung durch den Menschen, die Veränderung der Landschaft durch die Weidetiere und die Hirten und Hirtinnen von heute. Das sind die Themen der neuen, gestern eröffneten Wechselausstellung im Naturmuseum „Gras und Zähne“.
Als Menschen begannen, die Alpen mit Haustieren zu besiedeln, veränderte sich auch die Landschaft. Etappen dieser Entwicklung bis hin zur aktuellen und sehr aufgeladenen Diskussion um Weidetiere und Wölfe zeigt die neue Wechselausstellung „Gras und Zähne – Al pascolo – may safely graze“ im Naturmuseum Südtirol. Das Museum befragt Biologen, Ökologinnen, Archäologen, Hirtinnen und Hirten, Berater für Herdenschutzhunde und stellt die unterschiedlichen Aspekte zum Großthema Weidetiere und Umwelt zusammen. Nicht mehr viele kennen den bäuerlichen Alltag rund um die Nutztiere aus eigener Erfahrung. Daher ist der Rundgang in lockerer Weise historisch angelegt; Nutztiere standen bis ins 20. Jahrhundert in Südtirol immer auch auf Weiden und waren ein vertrauter Anblick. Heute sind die allermeisten der Hühner, Schweine oder Rinder nicht sichtbar. Massentierhaltung und ihre Auswirkungen auf Tiere, Menschen und Umwelt erreicht auch daher wenig Aufmerksamkeit.
Wie lassen sich Tiere in einer Ausstellung zeigen? In diesem Fall durch Filme, durch Hörgeschichten, durch Kunst. Skulpturen von Friedrich Gurschler vertreten die Tiere der Alpen vor der Herausbildung der ersten Dorfgemeinschaften, und seine Skulpturen von Schafen und Ziegen, Kuh und Pferd vertreten die Nutztiere. Die Formsprache des Schnalser Künstlers gab die Linie der Ausstellung damit vor: Schlicht, auf das Wesentliche beschränkt, wie es in der täglichen Arbeit mit den Tieren auch ist. Die Fakultät für Design und Künste der Universität Bozen zeigt einige Überlegungen und Ergebnisse zum Forschungsprojekt „Feral Wool“: Schafwollen aus Südtirol und Geschichten zu den Schafen und ihren Haltern. Die Wollkreise sind für die Hände unwiderstehlich. Genauso wie die geflochtenen Wände aus Weiden und die Ausstellungsmöbel aus Vinschger Gebirgslärchen.
Wozu kamen Kühe oder Schafe auf die Alm? Am Beispiel des Landschaftsmodells Schlandrauner Alm im Vinschgau wird die ideale Organisation gezeigt, die auf der historischen Nutzungsform der Vegetation und des Viehumtriebs aufbaut. Die Arbeit der Hirtinnen an der Dorfherde, die Schaf- und Rinderhirten auf den Almen, die Rolle der Hirten war immer eine zentrale. An diese Tradition knüpft das Museum an: Hirtinnen und Hirten berichten in Videos über ihre Arbeit die Herden zu führen und zu betreuen. In Anwesenheit von Wölfen ist der Aufwand größer, durch die Wolfsangriffe aktiviert sich aber wieder die Behirtung, was sich auf das Wohl der Weidetiere und auf die Landschaftspflege positiv auswirkt.
Am Beispiel von Schaf und Lamm thematisiert die Ausstellung auch den symbolischen Wert der Haustiere, in der christlichen Theologie spielt das Lamm eine zentrale Rolle. Bilder von Jesus als gutem Hirten, die Figur des Apokalyptischen Lammes auf dem Buch mit den Sieben Siegeln sind Leihgaben des Museums Hofburg Brixen. Die enge Verbindung der Hirtenrolle mit politischen Leitfiguren zeigt der Bischofsstab, der auf den Hirtenstab zurückgeht. Gegenstände, die Hirten benutzt haben, wie das Hirtenhorn, eine Flöte oder die hölzerne Wasserflasche vom Volkskunstmuseum/Tiroler Landesmuseen in Innsbruck rückt die historischen Hirten ganz nahe, genauso wie die drei Hirtenfiguren in Kleidung des 18., 19. und 21. Jahrhunderts der Brixner Künstlerin Daniela Kagol oder die Krippenfiguren von Hirten, Hunden, Schafen und Kuh aus dem Palais Mamming, Meran. Kagol hat auch das einzige Tier geschaffen, das in Lebensgröße gezeigt wird: Wolf und Welpe aus Kunstpelz und Acrylharzen.
Im „Tonstudio“ der Ausstellung sammelt das Museum außerdem Anregungen, Ideen und Wünsche der Besucherinnen und Besucher, um eine neue Audioeinheit zu entwickeln; die Protein-Statistik lädt ein, Nahrungsgewohnheiten zu dokumentieren. Mit Filzkugeln kann ein Statement abgegeben werden zur aktuellen gesellschaftspolitischen Debatte.
Die Ausstellung entstand im Rahmen des EU-Projekts LIFEstockProtect und ist bis 12. Oktober 2025 täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr im Erdgeschoss des Naturmuseums zu sehen. Ihre Eröffnung war auch der Abschluss der Tagung LIFEstockProtect an der Landwirtschaftlichen Fachschule Salern in Vahrn.
Rahmenprogramm
Ein geführter Rundgang durch die Ausstellung mit der Ausstellungskuratorin Johanna Platzgummer und Hirtinnen und Hirten findet am 8. November um 17 Uhr in deutscher Sprache und am 3. Dezember ebenfalls um 17 Uhr in italienischer Sprache statt. Am 3. Dezember folgt um 18 Uhr der Vortrag in italienischer Sprache “Dal lupo al cane: un viaggio attraverso la domesticazione” mit Paola Peresin. Geplant sind zudem Exkursionen auf Almen und zu einer Herde am Etschdamm, sowie Seminare.
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1 Kommentar auf "Gras und Zähne: Neue Ausstellung im Naturmuseum"
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Hier stehts im Artikel endlich mal eindeutig. GRINS
“In Anwesenheit von Wölfen ist der Aufwand größer, durch die Wolfsangriffe aktiviert sich aber wieder die Behirtung, was sich auf das Wohl der Weidetiere und auf die Landschaftspflege positiv auswirkt”
Genau das wollen Bauern nicht, denn es kostet Geld und Zeit und nur darum gehts denen!