Neuer Roman der vielfach ausgezeichneten Südtiroler Schriftstellerin

Hinterblieben und hintergangen: Sabine Grubers “Die Dauer der Liebe”

Donnerstag, 13. Juli 2023 | 05:30 Uhr

Was an dem Roman “Die Dauer der Liebe” erfunden und was erfahren ist, lässt sich nur erahnen, doch die Enttäuschung und Verbitterung muss groß gewesen sein. Die Widmung von Sabine Grubers neuem Roman legt nahe, dass die Autorin manche Erfahrung mit ihrer Protagonistin, der Übersetzerin Renata Spaziani, gemeinsam hat. Nach 25 Jahren plötzlich seinen Lebensgefährten zu verlieren, ist das eine, von dessen Familie in der Folge nach Strich und Faden betrogen zu werden, das andere.

Renata und der Architekturhistoriker und -fotograf Konrad Grasmann galten als Vorzeigepaar, das einander in Liebe und Respekt verbunden war. Ihre enge Beziehung wurde jedoch nie durch eine Heirat quasi amtlich beglaubigt, und das unterschriebene Testament stellt sich aufgrund von Formalfehlern als nicht rechtsgültig heraus. Zunächst hat Renata mehr als genug mit sich selbst zu tun, als ihr die Nachricht des plötzlichen Todes ihres Partners auf einem Autobahnparkplatz überbracht wird, und lässt daher die ersten Demütigungen und Unverschämtheiten von Konrads Tiroler Familie an sich abgleiten. Erst allmählich wird ihr klar: Ihr wird jeder Anspruch auf eine Hinterlassenschaft abgesprochen. Sogar gemeinsamer Besitz oder ihre eigenen Geschenke an Konrad werden ihr abgenommen.

Sabine Gruber, 1963 in Meran geboren, in Wien lebend und heute eine der am meisten ausgezeichneten Südtiroler Autorinnen deutscher Sprache, schildert unwirkliche, traumatische Vorgänge, die sich überlagern und ihre sonst so starke, selbstbewusste Protagonistin paralysieren. Der Tod, der aus dem Nichts heraus ein gemeinsames Leben beendet; posthume Eifersuchtsattacken und Verdachtsfälle, der Partner könnte doch nicht in allem immer ehrlich gewesen sein; das Erschrecken darüber, der materiellen Gier fremder Menschen ausgeliefert zu sein – all’ das lähmt Renata. Sie kämpft nicht, sondern lässt mit sich geschehen.

Gruber schildert diesen speziellen Fall, der durch die Spezialisierung Konrads auf unbekannte faschistische Architektur Oberitaliens und die zeichnerische Weiterverarbeitung seiner fotografischen Motive noch eigentümlicher wird, und verwebt ihn aber mit typischen Prozessen von Trauer und Abschieds, von Wut und Verzweiflung – und von Weitermachen und Neuanfang.

Renata, die sich anfangs nicht vorstellen konnte, ohne Konrad überhaupt weiterzuleben, beginnt allmählich, für das Interesse anderer Männer wieder empfänglich zu werden, und hält auch selbst Ausschau nach künftiger Begleitung. Das Bild, das die Männerwelt dabei abgibt, ist leider ein tragikomisches. Dem Buch tut diese heitere Note außerordentlich gut. Für die männlichen Leser mischt sich ein wenig Schrecken und Ernüchterung hinein. Und man denkt heimlich: Hoffentlich ist das Bild, das man selbst abgibt, nicht ganz so schlimm.

Von: apa

Bezirk: Burggrafenamt