Von: mk
Brixen – Es geht um den Hofburggarten in Brixen, aber auch um das ganze Land – so lautete der Grundtenor. Vermutlich hat die „Initiativgruppe für einen Offenen Hofburggarten“ deshalb die Bischofsstadt verlassen und eine Pressekonferenz im Garten des Filmclubs Bozen abgehalten. Die Initiativgruppe zeigt sich nach wie vor skeptisch, was das Heller-Projekt zur Neugestaltung des Hofburggartens anbelangt. Stattdessen tritt sie für einen „offenen Bürgergarten“ ein.
Der Hofburggarten Brixen wurde 2008 von der Gemeinde Brixen von der Diözesanverwaltung zur öffentlichen Nutzung angemietet. In diesem langen Zeitraum war der 2,5 ha große Garten rund 330 Tage lang geöffnet. Nach langer Debatte, einem ausgiebigen partizipativen Prozess und einem europäischen Wettbewerb entschied sich die Gemeinde im März 2015, das Projekt erfahrener Landschaftsarchitekten zum Zuge kommen zu lassen. Der Kostenpunkt für dieses Vorhaben, das Denkmalschutz und Neugestaltung zielführend verbindet, lag bei 2,5 Mio. Euro. „Das war zwar knapp kalkuliert, aber auch im Fall einer realistischeren Höhe von 3,5 bis 4,0 Mio. Euro hielten die Kosten in vertretbarer Größenordnung“, erklärt die Initiativgruppe.
Das garten- und landschaftsgerechte Projekt im Geist einer offenen Denkmalpflege habe aber nicht das Gefallen der neuen Stadtregierung von Bürgermeister Peter Brunner gefunden, der seinen Vorgänger Albert Pürgstaller im Mai 2015 ablöste. Vor allem Handel und Tourismus wünschten für den Stadtkern weit mehr als einen Raum für Muße und Erholung: eine wirkungsvolle Attraktion für Brixen-Besucher.
Nach einer Denkpause von rund zwei Jahren wurde ab Frühjahr 2017 der Kontakt zum Multimedia-Künstler André Heller hergestellt und der Wiener Gestalter zu einem Entwurf eingeladen. Seine Skizze eines Wundergartens überzeugte im Spätherbst 2017 eine ausgewählte Öffentlichkeit und den Gemeinderat, der am 14.12.2017 nahezu geschlossen dafür votierte, Heller einen Entwurf ausarbeiten zu lassen. Das Siegerprojekt von 2015 wurde fallen gelassen und die Gewinner für ihren Verzicht im Mai 2019 finanziell abgegolten.
Seit Jahresbeginn 2018, damit seit gut anderthalb Jahren, warten Brixens Bürgerinnen und Bürger nun auf die Vorlage eines konkreten Heller-Entwurfs, bislang ohne Ergebnis. „Seit damals wachsen auch die Sorgen vor einer allzu attraktiven und teuren Gartengestaltung, die große Fragen und dauernde Probleme aufwirft“, hieß es bei der Pressekonferenz.
Die seit Frühjahr 2018 aktive Initiativgruppe artikuliert die Bedenken vor der absehbaren Übergestaltung und touristisch-kommerziellen Nutzung öffentlichen Grüns. In Unterschriftensammlungen, Diskussionen, Vorsprachen bei der Gemeindespitze und Bürgerversammlungen kam der „Wunsch vieler Brixnerinnen und Brixner nach einem offenen Bürgergarten anstelle eines AH-Effekts“ zum Ausdruck. Auch Treffen mit Diözesanbischof Ivo Muser und der Diözesanspitze blieben fruchtlos, „da die Kurie der Gemeinde weitgehend freie Hand gibt, ohne auf unsere Argumente für eine nachhaltige Lösung einzugehen“. Nun stehen weitere Entscheidungen bald bevor, denn die Projektvorlagen Hellers bei Gemeinde und Abt. Denkmalpflege scheinen allmählich konkreter zu werden.
Der Museumsbeirat des Landes hat am 23. Mai 2019 ein positives Gutachten erteilt; entsprechende Haushaltsmittel könnten im aktuellen Nachtragshaushalt des Landes gebunden werden.
Im Blick auf vielleicht bald fallende Entscheidungen plädiert die Initiativgruppe nochmals für einen offenen Bürgergarten und verweist auf Kosten und Folgewirkungen des Heller-Projekts: „Seit 2008 sind für Planung, vorbereitende Arbeiten und Projektkosten über 850.000 Euro erwachsen, bei einer Öffnungsdauer von elf Monaten, mithin nicht einmal zehn Prozent der Mietzeit. Das Heller-Projekt soll laut Gutachten des Museumsbeirats einen Kostenrahmen von zehn Millionen Euro erreichen; das wäre fast das Dreifache des Siegerprojekts von 2015. Hinzu kommen ca. 500.000 Euro Sanierungskosten für den von Pestiziden kontaminierten Boden des Gartens, die die öffentliche Hand anstelle des Verursachers übernimmt. Kosten in dieser Höhe sind aus unserer Sicht als unverantwortlich und unsozial zu bezeichnen.“
Zug Gestaltung meint die Initiativgruppe: „Der geplante Garten mag in bewährter Heller-Manier attraktiv sein, ist aber als Ort der Erholung und Muße für die Bürgerschaft nur begrenzt tauglich. Als stark beworbener Anziehungspunkt nach dem Vorbild ‚Anima‘ in Marokko werden den Garten vor allem zahlende Gäste und Besucher frequentieren, weit weniger Brixnerinnen und Brixner. Diese aber werden mit den Steuerzahlenden Südtirols für seine Errichtung aufkommen; denn die Eintritte in den Garten werden bestenfalls die Instandhaltungs- und die Führungskosten abdecken. Zur Erinnerung: Hätte die Gemeindespitze die Umsetzung des Siegerprojekts betrieben, wäre der Garten bereits seit dem letzten Jahr verfügbar. Im Falle einer Umsetzung des Heller-Projekts werden zumindest noch weitere vier Jahre vergehen.“
Die Initiativgruppe befürchtet negative Folgen des Heller-Projekts für Stadtentwicklung. „In Brixen mit seinen schrumpfenden Flächen an öffentlichem Grün im Stadtkern wäre eine neu zugängliche Gartenfläche mit Durchwegung und ausgiebigen Öffnungszeiten wie im Innsbrucker Hofgarten ein großer Gewinn an Lebensqualität. Aus stadtökologischer Hinsicht wäre ein zurückhaltend gestalteter Hofburggarten als Ort der Erholung und Muße für Familien, ältere Menschen wie für Gäste gleichermaßen eine Wohltat. Er würde auch dem Ensemble Hofburg neue Besucher zuführen. Ein Heller-Garten hingegen würde Brixens Altstadt beleben, aber in Sachen Verkehr, Parkraum und Lebensqualität für neue Belastung und touristischen Ansturm sorgen“, so die Gruppe.
Nicht nur in Brixen stelle sich die Frage nach einer bürger- und klimafreundlichen Politik der Raumordnung und Ortsgestaltung. „Der Fall des Brixner Hofburggartens ist ein Lehrstück dafür, wie öffentliche Räume und Mittel in unserem Land verwendet und verschwendet werden: Werden Haushalts- und Steuermittel in großem Maßstab zur Attraktivierung und Belebung von Handel und Tourismus eingesetzt? Oder lässt sich mit sparsamem Einsatz nicht auch Bürgernähe und ansprechende Gestaltung erzielen? Es fragt sich, ob Haushaltsmittel in Höhe von zehn Mio. beansprucht werden müssen, wenn nicht mit bereits weit geringeren Beträgen nachhaltigere Wirkung erreichbar wäre. Für den Differenzbetrag von fünf bis sieben Millionen Euro zwischen beiden Projekten könnte in den notleidenden Bereichen Museumswesen, Landschaftsschutz und Denkmalpflege Wesentliches bewegt werden. Zudem würde mit der Heller-Gestaltung der Denkmalschutz für den Historischen Garten an oder über die Grenze der Verträglichkeit geführt. Denkmalpfleger des In- und Auslands bewerten ebenso wie Landschaftsarchitekten die Pläne überaus kritisch. Die Vereinigung für Historische Gärten ICOMOS und Italia Nostra sind informiert, ebenso der Rechnungshof“, betont die Initiativgruppe.
Der Fall des Brixner Hofburggartens sei kein Nischenthema einer Kleinstadt, sondern verweise auf grundlegende Fragen der Landes- und Ortsentwicklung Südtirols. „Es liegt an der Landes- und Gemeindepolitik wie in der Verantwortung der Kurie, hier die richtigen Entscheidungen zu treffen. Unsere Initiativgruppe gibt dem Standpunkt, den Lebensinteressen und der Skepsis vieler Bürgerinnen und Bürger eine wichtige Stimme“, erklärt die Gruppe abschließend.