Landschaftsarchitektin erstmals im Landesbeirat für Baukultur und Landschaft

Lilli Lička im Gespräch: „Wer Landschaft gestaltet schreibt Geschichte“

Freitag, 24. Mai 2019 | 23:59 Uhr

Bozen – Im dreiköpfigen Südtiroler Landesbeirat für Baukultur und Landschaft ist heuer erstmals auch eine Landschaftsarchitektin mit dabei: Univ. -Prof. Dipl. -Ing. Lilli Lička aus Wien. Gemeinsam mit den Architekten Armando Ruinelli (CH) und Sebastiano Brandolini (I) berät sie Gemeinden bei schwierigen Bauprojekten. Der Verein LAS – die Südtiroler Landschaftsarchitekten -, hat dies zum Anlass genommen, um mit ihr über Sinn und Zweck dieses Fachgremiums und über strategische Ziele der Landschaftsarchitektur zu sprechen.

Univ. -Prof. Dipl. -Ing. Lilli Lička

Die österreichische Landschaftsarchitektin absolvierte die Universität für Bodenkultur in Wien und forschte und arbeitete in den Niederlanden. Seit 1991 ist sie Gesellschafterin von koselička, Landschaftsarchitektur (nunmehr LL-L) und seit 2003 Leiterin des Instituts für Landschaftsarchitektur an der Universität für Bodenkultur Wien.

Sie publiziert und plant zu Freiraum, Park und Stadtentwicklung und hat an preisgekrönten Projekten mitgewirkt (Yppenplatz: 2002 Otto Wagner-Städtebaupreis, Würdigung und Vision Rheintal: 2007 Umweltpreis der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik – ÖGUT).
Internationale Vortrags- und Lehrtätigkeit. Sie ist master mind der Vortragsreihe L-x (seit 2007), organisiert die internationale Konferenzreihe X-LArch zur Landschaftsarchitektur (zuletzt 2018: x-LArch park politics) und hat das LArchiv, Archiv österreichischer Landschaftsarchitektur, gegründet.
2004 bis 2010 Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Landschaftsarchitektur, 2005 bis 2014 Mitglied des Fachbeirates für Stadtentwicklung und Stadtgestaltung der Stadt Wien. 2014 Gastforscherin an der Architektur- und Designhochschule In Oslo (AHO) und am Department of Landscape der University of Sheffield. Derzeit ist sie als erste Landschaftsarchitektin im Gestaltungsbeirat des Landes Tirol und im Landesbeirates für Baukultur und Landschaft der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol.

FUB/Lilli Lička

Frau Lička, welche Aufgaben hat der Beirat und wo sehen Sie das Potential eines solchen Instrumentes?

Das Ziel des Landesbeirates für Baukultur und Landschaft ist die Förderung der Baukultur und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für ortsgerechtes und landschaftsbezogenes Bauen. Ins Leben gerufen wurde er 2005 mit dem LR-Beschluss 5104. Er hat ausschließlich beratende Funktion und leistet einen kostenlosen Service für den privaten und öffentlichen Bauwerber sowie für die Genehmigungsbehörden auf Gemeinde- und Landesebene. Seine Stellungnahmen stellen keine Vorschriften dar, sondern gelten als Anregungen für die Weiterentwicklung des Projekts. Dieses hochkarätig besetzte Fachgremium ermöglicht eine neutrale, qualifizierte Außenbetrachtung. Je früher in der Planungsphase sein Dienst in Anspruch genommen wird, desto besser. Wir tagen bei Bedarf, gewöhnlich alle zwei Monate. Die Bauwerberin und der Bauwerber werden in Anwesenheit der ProjektantInnen mündlich von uns beraten, anschließend geben wir eine schriftliche Stellungnahme ab.

Wohin wendet man sich, wenn man mit diesem Landesbeirat in Kontakt treten will?

An das Sekretariat des Amtes für Gemeindeplanung in der Bozner Rittnerstr. 4 (Tel. 0471 417847; gemeindeplanung@provinz.bz.it).

Gibt es wesentliche Unterschiede der Betrachtung Architektur-Landschaftsarchitektur im Beirat?

Unsere Kompetenzen ergänzen sich sehr gut. Architektur und Bauqualität wird jetzt vom Schwerpunkt Landschaftsraum und Freiraumqualität ergänzt, wobei alle dem Zusammenspiel eine große Bedeutung beimessen. Das ist eine Voraussetzung, die auch in der Planungspraxis gegeben sein sollte. Hier gibt es eindeutig Nachholbedarf: Wenige Projekte werden vom Beginn an interdisziplinär entwickelt. Oft fehlt in den vorgelegten Projektplänen die Darstellung der Umgebung, also die Einbindung des Projekts in den Orts- und Landschaftsraum – ein entlarvendes Defizit!

Wo finden sich Probleme in Landschaft und Freiraum?

Ich habe erst zwei Termine erlebt: Bisher hatten wir Projekte zu begutachten, die touristische Einrichtungen betreffen und in denen es um die Frage ging, wie in einer sehr sensiblen, einfach ausgedrückt sehr schönen, Landschaft eine Erweiterung der Bebauung stattfinden kann. Der Beirat kann keine Gesetze strenger interpretieren als sie es sind. Es ist daher wichtig, wirklich gute Argumente auf den Tisch zu legen. Die Eingliederung ins Landschaftsbild ist von großer Bedeutung, weil ja die Landschaft gleichzeitig die Ressource für den Tourismus darstellt.

Nehmen die Projekte Rücksicht auf die sie umgebenden unterschiedlichen Landschaftstypen?

In der Diskussion wird von unserer Seite sowohl die direkt umgebende Landschaft als auch der weitere Wirkungsraum thematisiert. Dabei geht es um den Eingriff in die räumliche Struktur, aber auch in den Lebensraum, den Vegetationsraum auf der einen Seite und die Fernwirkung auf der anderen Seite. Da geht es um Sichtverbindungen: Von wo ist das Projekt sichtbar? Was rückt vom Projekt aus ins Blickfeld? Ein sensibler Umgang mit der Vegetation und der morphologischen Erscheinungsform, etwa der Topographie, ist hier von Bedeutung.

Wie bewerten Sie die derzeitige Situation in Südtirol?

Es herrscht hier ja teilweise die Meinung, Südtirol habe eine überaus schöne Landschaft. Eine Planung der Landschaft sei darum nicht nötig. Südtirols Landschaft ist schön, ja. Es ist jedoch so, dass einerseits die freie Landschaft immer mehr bebaut wird, gerade und paradoxerweise von touristischen Einrichtungen, die ja am direktesten von der Schönheit der Landschaft abhängig sind. Andererseits wird sehr viel unternommen, damit immer mehr Personen der Zugang zu höheren, noch unberührten, Regionen ermöglicht wird, sprich mehr Lifte, Aufstiegshilfen, E-Bikes usw.. Der Aktivitätsraum weitet sich aus, der Kontemplationsraum schrumpft. Langfristig ist diese Entwicklung nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich bedrohlich.

Wie kann in einem Gebirgsland wie Südtirol dem hohen Bau-Druck und dem Zersiedelungstrend entgegengewirkt werden?

Das ist ausschließlich politisch möglich. Wir können als Beirat nur gute Argumente liefern. Solange aber die Genehmigungen erteilt werden, weiter in die Landschaft hinein zu bauen, wird sich wenig ändern. Bei der Begrüßung des neuen Beirates hat sich die zuständige Landesrätin allerdings für den Schutz der Landschaft klar positioniert. Das gilt hier offensichtlich in erster Linie für den Tourismus.

Gemeinden sind gut beraten, bei Planungen auch Landschaftsarchitekten mit ins Boot zu holen. Was sagt Ihre Erfahrung?

In meiner langjährigen Arbeit im Beirat in Nordtirol hat sich herausgestellt, dass es der Sache sehr gut tut, die räumliche Entwicklung von allen Seiten zu betrachten, mit den verschiedenen Fachbrillen, und vor allem Aspekte der Landschaftsentwicklung von Anfang an im urbanistischen Konzept zu berücksichtigen. Wenn das Bauwerk einmal an der falschen Stelle in der falschen Dimension und Proportion errichtet ist, ist nichts mehr zu retten. Da nützen dann auch hübsche Bepflanzungen nichts mehr.

Sollten vor allem in größeren Gemeinden Landschaftsarchitekten auch in der Verwaltung vertreten sein?

Fachwissen erleichtert das Verständnis innerhalb der Gemeinde ungemein und hilft, die richtigen Dinge von den Planenden einzufordern. Es wurde viel zu lange nur vom Bebauungsobjekt ausgegangen und im Nachhinein erst die Umgebung behandelt, obwohl es kaum jemanden mehr gibt, der das Zusammenspiel nicht als sehr sinnvoll und notwendig erachtet. Die Fachkompetenz hilft natürlich auch, nicht auf schöne bunte Bilder hineinzufallen, die Planungsteams gern in ihrer Darstellung von heilen Welten benutzen, wo die Garageneinfahrten im Nebel und die Lüftungsschächte in der Bepflanzung verschwinden.

Der Vortrag von Lilli Lička am 5. Juni an der Freien Universität Bozen um 18 Uhr
stellt die Behauptung auf: „Wer Landschaft gestaltet schreibt Geschichte“. Organisiert wird er von der neulich gegründeten Plattform Kulturerbe/Kulturproduktion an der FUB und er findet im Rahmen des Studium Generale als öffentliche Vorlesung in der Reihe „Diskurse zum Kulturerbe“ statt.

Was und wer steckt hinter der Bezeichnung LAS?

Der 2005 gegründete Verein „LAS – Landschaftsarchitektur in Südtirol/architettura del paesaggio Alto Adige“. Seine derzeit 18 Mitglieder, alles ausgebildete LandschaftsarchitektInnen, setzen sich auf freiwilliger Basis für eine breite Sensibilisierung in Bezug auf Landschaftsarchitektur und Freiraumgestaltung als Beitrag zur Baukultur ein. Sie bezwecken die Erhaltung und nachhaltige Entwicklung der Südtiroler Natur-, Kultur- und Stadtlandschaft, wie in der Europäischen Landschaftskonvention des Europarates von 2000 definiert. Der neue Webauftritt: www.las.bz.it

Von: ka

Bezirk: Bozen