Von: mk
Bozen – Auf Initiative der Vereinigten Bühnen Bozen und des Südtiroler Künstlerbunds ist in Zusammenarbeit mit dem Tiroler Dramatikerfestival und dem Literaturhaus am Inn ein Literaturwettbewerb ins Leben gerufen worden. Der Preis in Höhe von jeweils 1.000 Euro wird von der Stiftung Südtiroler Sparkasse gestiftet. Nun stehen die Gewinner fest. Sparte Dramatik
Der Gewinner in der Sparte Dramatik heißt: Wolfgang Nöckler, der Siegertext nennt sich: „sprech im wald“! „Wir haben aus dreizehn Einreichungen aus Nord- Süd- und Osttirol ausgewählt; wir mussten tief in die unterschiedlichsten Schreibansätze und Texte eindringen … Nach langem Ringen haben wir uns für Wolfgang Nöcklers Text entschieden“, so der Regisseur Philipp Jescheck und die Dramaturgin Ina Tartler, zwei der drei Juroren.
Die Jury-Begründung
In seinem Stück verfolgt Wolfgang Nöckler die Beziehung eines jungen Paares, “er” und “sie”, in dreierlei Waldszenarien: einem Wald als Sinnbild für Natur und Ruhe, einem Wald aus zivilisatorischen Christbäumen und einem Wald aus Ratgeberliteratur. Die beiden reißen Themen an, kauen sie durch die Wortkautmaschine und spucken sie unverdaut wieder aus. Indem Nöckler vieles offen lässt oder nur in Andeutungen erwähnt, bilden die Protagonisten bald die ideale Projektionsfläche für die Phantasie der Zuschauer.
Diese pointierten Sprachspielereien spiegeln unser Aneinander-vorbei-Reden wider, zeigen, wie Kommunikation heute oftmals stattfindet. Es entsteht ein Vakuum zwischen den Personen, das Eigentliche wird nicht benannt oder gesagt. Es entsteht die “Lücke” des Widerspruchs, der Debatte, des ehrlichen Zuhörens und aufeinander Eingehens. Sprachhülsen platzen, eine Kommunikation, die hauptsächlich im Output besteht, läuft ins Leere. Ironisch entlarvt Wolfgang Nöckler unsere Sprache als bloße Attitüde, die sich entfernt hat von wirklichen Gründen und Absichten. Er zeigt eine vielsprechende, doch im Grunde sprachlose Gesellschaft, “eine Gesellschaft, die nur noch lose in den Angeln hängt”.
Immer wieder finden die unverbindlich angerissenen Dialoge, aber auch zu einer Direktheit, so wie das “Auftauchen” eines Kindes (“sie” ist schwanger) eine Konkretisierung in der Kommunikation des Paares verlangt. Die Figuren bangen um die Zukunft, reden um ihr Leben, versuchen das große Ganze zu erfassen und besitzen doch keine sprachlichen Mittel. Wolfgang Nöckler findet dabei zu einer flirrend verspielten Sprache und Rhythmik und entwickelt daraus Absurdität und Witz. Es bleibt der Eindruck von klugen, bemitleidenswerten Menschen zurück. Jury: Doris Happl (Dramaturgin), Philipp Jescheck (Regisseur), Ina Tartler (Dramaturgin)
Der Autor: Wolfgang Nöckler stammt aus dem Ahrntal lebt und arbeitet in Innsbruck. Er schreibt Lyrik, Prosa, Dramatik, Slamtexte und Lieder. Veröffentlichungen in unterschiedlichen Anthologien, Zeitschriften, Radio und TV.
Bisher drei Publikationen u.a. den Lyrikband “ich leih mir kurz mal dein gesicht”.
Literaturpreise und Auszeichnungen,
2014 – Sieger Ö1-Lyrikwettbewerb “hautnah”
2015 – nominiert für die Bozner Autorentage
2017 – “track 5” auf der Shortlist des Ö1-Kurzhörspielwettbewerbs
2018 – “Rhetorik oder Fische sind schlechte Biographen” – UA Tiroler Dramatikerfestival Mitglied der Südtiroler Autor*innenvereinjgung (SAAV) Mitglied der Grazer Autor*innen und Autorenversammlung (GAV) Vorstandsmitglied der IG Autorinnen und Autoren Tirol
Sparte Prosa
Die Gewinnerin in der Sparte Dramatik heißt Katharina Zanon, der Der Siegertext nennt sich „Dr. Oscar“! RAI Redakteur und Juror Christoph Pichler fasst zusammen: „Auch uns haben die eingereichten Texte der 36 jungen Autorinnen und Autoren begeistert, gefordert, und der Siegertext polarisiert! Die Sprache, nein die Kunstsprache ist bemerkenswert.“
Die Jury-Begründung
„Dr. Oscar“ von Katharina Zanon Auszug aus der Begründung der Jury Bescheidenheit und Zurückhaltung sind nicht die Sache der Erzählerin von „Dr. Oscar“, die ihren Leser*innen gleich zu Beginn des Textes „die Zusammenfassung der echt realen Happenings der Zeit meines Klubbings im Norden Chinas“ verspricht, zudem „intime Notizen“, die „brandgefährlich […] heiß“ weil „nachhaltig abtötend ehrlich“ seien. Mit diesem Einstieg ist das hohe Geschwindigkeitsund Energielevel des Textes schnell klar gestellt und die von dieser großspurigen Ansage geweckten Erwartungen werden nicht enttäuscht. […] Kurz: Im „Dr. Oscar“ glauben alle Beteiligten einander gegenseitig auszunützen, zu übervorteilen und tun dies in gewisser Weise und aus ihrer Warte vielleicht sogar auch. Konkurrenzkampf, das Alle gegen Alle, das Westler*innen gegen Chines*innen besteht im Eskapismus der Dauerparty eben genauso wie im davon konsequent ausgeblendeten Leben tagsüber. Homo-, Bi- und Transphobie, Rassismus, jede Art von Vorurteilen und Diskriminierung gibt es natürlich auch in der glitzernden Scheinwelt des „Dr. Oscar“ (dem Text wie dem Lokal). Dass der Text „Dr. Oscar“ all diese Themen und Konflikte scheinbar wie nebenbei zeigt, ohne den Leser*innen ein Urteil dazu aufzudrängen, ist eine der großen Stärken dieses mutigen, rasanten, lustigen, wie im positivsten Sinne offenen Textes. […] Er tut dies in einer gut gelaunten, eigenen Kunstsprache. Diese konstruiert mit diversen überkandidelten Manierismen und Auschmückungen die aufgeladene Atmosphäre des Nachtklubs wie die Unmittelbarkeit und Unstrukturiertheit der Rauscherfahrung auf sehr reflektierte Art. Geschickt montierte (und sich nicht im einfachen Wiedererkennungswert für die Eingeweihten erschöpfende!) Songzitate und Zwischenüberschriften tragen dabei ebenso zum Sog des Textes bei, wie der scheinbar ungefiltert strömende Gedankenund Sprachfluss der Erzählerin. […] „Dr. Oscar“ ist also ein Text, der in einem klug gewählten Setting, in einer eigenständigen, gerade in ihrer Überdrehtheit kunstvollen Sprache seinen Leser*innen auf sehr souveräne Weise von einer gleichzeitig bekannten und fremden Welt berichtet, ohne moralisierend oder wertend aufzutreten.
Jury: Inga Hosp (Kulturpublizistin), Martin Fritz (Autor), Christoph Pichler (RAI Redakteur für Literatur)
Die Autorin: Katharina Zanon stammt aus Lienz in Osttirol und hat an der Kunstuniversität in Linz und China studiert. In China hat sie u.a. auch ein Kunstkollektiv gegründet.
Publikation,
2018 Kurzgeschichte „Lovely Puff“ 4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018
Einzelausstellungen und Performances (Auszug),
2018 Hochzeitsdinner, Performance von Judith Breitenbrunner und Katharina Zanon, Hinsenkamp Unterführung, Linz
2018 Menscheln, Installation im China Restaurant Panda Wok, Linz
2017 avanti disco, Performance von Spare / Room, Raumschiff, Linz
2017 meet my 32-bit, Performance von Spare / Room, Raum mit Aussicht, Linz
2016 Lost Highway to Hellight des Künstlerkollektivs under_construction Shujing Artloft Guangzhou, China
2016 Solo-Performance . Guangzhou, China
2015 Expositionen, Kunstuni Linz
2014 Manifestation der Erinnerung als Prozess, Kunstuni Linz
Stipendien,
2017 Auslandsstipendium der Kunstuni Linz
2017 Förderstipendium der Kunstuni Linz
Mehr als „nur“ ein Preis …
Der Preis wird von einem Coaching ergänzt, das die professionelle Begleitung der Preisträger*innen in ihrer Arbeit an den Texten ein Jahr lang vorsieht. Dieser Literaturwettbewerb, gestiftet von der Stiftung Südtiroler Sparkasse, zählt zu den wichtigsten Nachwuchspreisen des Landes und auch darüber hinaus. Der Wettbewerb gibt den literarischen Talenten dieses Landes eine Sichtbarkeit, bietet diesen eine Plattform und auch das nötige Selbstbewusstsein, um den Weg des Schreibens und der Literatur weiter zu verfolgen. Die Aufführung von Wolfgang Nöcklers Text „sprech im wald“ ist im Rahmen des Tiroler Dramatikerfestivals 2020 an den Vereinigten Bühnen Bozen geplant.