Von: mk
Bozen – Bischof Ivo Muser richtet sich auch dieses Jahr wieder mit seiner Weihnachtsbotschaft an die Südtiroler, spricht über die weihnachtliche Zeit und ihre Bedeutung für die Menschen. Dabei geht der Bischof auch auf die Macht des Wortes ein – vor allem im digitalen Zeitalter.
Hier folgt die Botschaft im Wortlaut:
In der Mitte des christlichen Weihnachtsfestes steht die Aussage: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). Gott ist nicht stumm und nicht sprachlos; er zieht sich nicht in sich selber zurück und er beschäftigt sich nicht mit sich selber. Er ist ein Gott, der uns Menschen anredet und der das Gespräch mit uns sucht und eröffnet.
Gott wird Mensch: Das gibt es in keiner anderen Religion. In diesem Juden, der als Kind von Betlehem geboren und als Jesus von Nazareth gekreuzigt wird, ist Gott selber in diese Welt hereingetreten. Kein anderer Mensch vor ihm und kein anderer Mensch nach ihm stehen in einer solchen Beziehung zu Gott wie er. Das ist das Neue und das Unterscheidende des Christentums: Gott und die Welt, Gott und der Mensch sind für immer aufeinander bezogen durch das Wort, das unter uns wohnen will.
Wir wissen es alle: Worte haben eine ganz eigene Kraft. Sie gehen uns nach, sie treffen uns, sie prägen uns, mit ihnen drücken wir uns selber aus. Worte können aufrichten, aber auch niederreißen; Worte können Brücken bauen, aber auch zerstören. Worte können verbinden, aber auch jede Beziehung unterbinden. Worte sind nicht Schall und Rauch, sie schaffen Wirklichkeit. Nicht nur Blicke, sondern auch Worte können vernichten und töten. Die neuen Medien geben uns mit vielen guten und verbindenden Möglichkeiten auch Instrumente in die Hand, mit denen Menschen durch ihre Worte – oft sogar feige und anonym – andere Menschen angreifen, an den Pranger stellen, schlechtmachen und gesellschaftlich ausgrenzen. „Shitstorm“ heißt eine Form der öffentlichen Hinrichtung heute. Und ein anderes Unwort lautet: „fake news“ oder „alternative Wahrheiten“. Bewusst falsche Worte und Behauptungen werden in Umlauf gebracht. Sogar Menschen des öffentlichen, gesellschaftlichen und politischen Lebens beteiligen sich an dieser gefährlichen Entwicklung. Das erzeugt Unsicherheit, Misstrauen, Verdächtigungen. Das vergiftet soziale, politische und persönliche Beziehungen!
Öfters im Laufe dieses zu Ende gehenden Jahres 2018 habe ich meine Sorge ausgesprochen über die Verrohung der Sprache. Die Würde des Menschen hat immer auch zu tun mit der Würde des Wortes. Ich wünsche uns allen zu diesem einzigartigen Fest, an dem das Wort Gottes Mensch geworden ist, dass wir offene, ehrliche und überzeugte Worte füreinander haben, aber keine verletzenden Worte, die Brücken niederreißen. Ich wünsche uns in unseren familiären und persönlichen, aber auch in unseren öffentlichen, sozialen und politischen Beziehungen eine gute, verbindliche und verbindende Wortwahl bei allem legitimen gesellschaftlichen Pluralismus, zu dem wir uns in einer Demokratie mit Überzeugung bekennen. Ich wünsche uns den Abstand zu aggressiven und angstschürenden Worten, die kurzfristig den Applaus und die Zustimmung finden, die aber nicht helfen, das Gemeinsame über das Trennende zu stellen. Ich wünsche uns Worte, die nicht den Neid unter uns schüren, die nicht gesellschaftliche Gruppen gegen einander aufbringen, sondern Ängste abbauen und nehmen. Schon durch unsere Wortwahl muss deutlich werden, dass wir an einer Gesellschaft bauen, in der Menschen ohne Angst verschieden sein können. Ein ermutigendes, lichtreiches und hoffnungsvolles Weihnachtsfest, in der Freude über das gute, lebensfördernde Wort, mit dem Gott selber uns in Jesus Christus anspricht. „Mach es wie Gott und werde Mensch“ – das ist der bleibende Auftrag von Weihnachten. Unsere Welt braucht auch an Weihnachten 2018 nur eines: Gott wird Mensch und der Mensch wird Mitmensch.