Von: mk
Bozen/Trient – Das vergangene Jahr stand für die Stiftung Haydn von Bozen und Trient im Zeichen des Wandels und des Wachstums. Auch in das neue Jahrzehnt startet die Stiftung mit hochgesteckten Zielen und weitreichenden Ideen: Für eine Kulturinstitution an der Schnittstelle zwischen Musik, Oper und Tanz, bedeutet das u. a. auch hochwertige Eigenproduktionen auf die Bühne zu bringen, die den Werten der im vergangenen Jahr präsentierten Marke entsprechen.
Die Entwicklung der neuen Corporate Identity stand unter dem Motto der „facettenreichen Identität“ der Stiftung Haydn, die unter ihrer Dachmarke verschiedene Sparten und Programme vereint, darunter die regionale Konzertsaison des Haydn Orchesters, die in diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen feiert, die Opernspielzeit, das Festival Tanz Bozen und das Vermittlungsprogramm Haydn&Education. So erklärt der Präsident Paul Gasser: „Es gibt bei uns keine Gleichförmigkeit, wir erfreuen uns am Experimentieren und am Austausch zwischen den verschiedenen künstlerischen Sparten und Kulturen. Auch unsere internationale Ausrichtung steht stets in enger Wechselwirkung mit dem Leitgedanken der regionalen Verankerung. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in unserer Unterstützung und Förderung von Künstlern aus dem Euregio-Raum Südtirol-Tirol-Trentino wider. Natürlich stellt uns das auch vor neue Herausforderungen, die es zu meistern gilt, indem wir neue Netzwerke mit nationalen und internationalen Partnern aufbauen und die Notwendigkeit vermitteln, die Qualität und die Exzellenz der Künstler unserer Region wertzuschätzen.”
Geschichten neu erzählt
Die Förderung des zeitgenössischen Musiktheaterschaffens in der Region, wesentlicher Bestandteil der DNA der Stiftung Haydn, greift der künstlerische Leiter der Opernspielzeit Matthias Lošek in seinem Programm auf: Was mit dem Musiktheaterwettbewerb FRINGE begann, findet seine Fortsetzung in drei neuen Auftragsopern, die die Stiftung Haydn an die Komponisten Manuela Kerer, Wolfgang Mitterer und Matteo Franceschini vergeben hat, und deren Uraufführungen zwischen 2020 und 2024 geplant sind. Ziel der Auftragsarbeiten ist es, das zeitgenössische musiktheatralische Schaffen der Region in die europäische Opernlandschaft zu einzubetten. „Dieses Projekt, an dem wir bereits seit 2015 arbeiten, ist in seiner Methodik und Dimension auf europäischer Ebene wohl einmalig und einzigartig“, so Matthias Lošek, „Wir setzen uns damit auch verstärkt mit dem kreativen Humus der Region auseinander. Das Projekt ist sozusagen als ein künstlerisches Bekenntnis zu einem vereinten Europa im Geiste der großen Denker und Musiker dieses Kontinents zu werten. Den Anfang machen wir mit dem Musiktheater Toteis der Brixner Komponistin Manuela Kerer.“
Die Oper rückt die historische Figur der Viktoria Savs in den Mittelpunkt. Diese kämpfte im Ersten Weltkrieg als Mann verkleidet an der Dolomitenfront und wurde für ihre „vaterländische Gesinnung“ noch Jahre danach gerühmt. Toteis führt vor Augen, wie sich selbstbetrügerischer Nationalismus und Hass im 20. Jahrhundert breit machten und schlägt dabei Brücken ins Heute. Kontroversiell, aufrührend, aber ohne moralischen Zeigefinger wirft das Stück die Frage nach der Verantwortung des einzelnen Individuums am größten Verbrechen des 20. Jahrhunderts auf. 2022 folgt die Uraufführung einer neuen Oper von Wolfgang Mitterer. Der Osttiroler – derzeit einer der international erfolgreichsten Komponisten – schreibt die Musik zum Libretto des britischen Theaterregisseurs Sir David Pountney. Den Abschluss bildet 2024 die Uraufführung einer Arbeit des Trientner Komponisten Matteo Franceschini, der 2019 mit dem Silbernen Löwen der Musikbiennale von Venedig ausgezeichnet wurde.
Opernsaison 2020: Gut oder Böse?
Die fünfte Opernspielzeit der Stiftung Haydn von Bozen und Trient steht unter dem Titel „Angel or Demon“. Der künstlerische Leiter Matthias Lošek fühlt mit den fünf Opern dem Guten und Bösen – Engel oder Dämon – auf den Grund. „In seinem fünften Jahr widmet sich unser Opernprogramm der Frage, was oder wer ist gut und/oder was oder wer ist böse?”, schreibt Matthias Lošek in seinem Einleitungstext zur neuen Saison, „Steckt womöglich in uns allen ein Kain und ein Abel? Und hat der Mensch überhaupt selbst die Möglichkeit zu entscheiden, ob er Engel oder Dämon ist? 2020 zeigt die Stiftung Haydn mit ihrem Opernprojekt einmal mehr, dass Oper mehr kann als Kultur zu bewahren und mehr ist als bloße Unterhaltung: Oper ist das Heute. In seinen hellen, aber auch seinen dunklen Seiten. Denn das ist nun einmal Wesen und Aufgabe der Kunst.“
Den Auftakt der Spielzeit 2020 machen am 18. und 19. Januar im Bozner Stadttheater zwei charakterstarke Kammeropern des 20. Jahrhunderts: Radames von Péter Eötvös als italienische Erstaufführung und Lohengrin von Salvatore Sciarrino. Die beiden Kurzopern – eine Koproduktion mit dem Theater Orchester Biel Solothurn – vereinen Drama und Satire an einem Abend. Die Verknüpfung der zwei Opern, die in Anlehnung an bedeutende Opernklassiker entstanden, basiert auf einem verbindendenden Element: in beiden glänzt der eigentliche Protagonist mit Abwesenheit.
Jenseits von Gut und Böse steht Don Giovanni im gleichnamigen Opernklassiker von Wolfgang Amadeus Mozart und seinem Librettisten Lorenzo Da Ponte. Die Koproduktion mit dem Teatro di Pisa ist am 8. und 9. Februar im Teatro Sociale in Trient zu sehen. Regie führt Cristina Pezzoli, die einen ungewohnten Blick auf den Libertin Don Giovanni wirft und ihn als „puer aeternus“ auf die Bühne bringt. Ein ratsloser Narzisst, der mit großer Spiellust und ohne Rücksicht auf Verluste seinen Launen frönt. Der jede Nähe ablehnt und das Leben, die Frauen, den Tod und Gott nicht allzu ernst nimmt.
Im Teatro Sociale von Trient folgen am 29. Februar und 1. März die Aufführungen von Alice, eine Oper des Trientner Komponisten Matteo Franceschini, der in der kommenden Saison auch Associated Artist der Stiftung Haydn ist. Alice, eine moderne Interpretation des Kinderbuchklassikers Alice im Wunderland von Lewis Carroll, wird als Koproduktion mit dem Teatro Regio di Parma auf die Bühne gebracht. Die 30 Charaktere des Originals werden von vier Sängerinnen und Sängern interpretiert. Die Sopranistin Laura Catrani verkörpert Alice, ihre Reise führt in ein schauriges Labyrinth. Hier begegnet sie einer Reihe von Figuren, die sich anhaltend in neue, verrückte Charaktere verwandeln. Das geistige Chaos und die Verschmelzung aus realer Welt und Fantasiewelt boten Franceschini ein Experimentierfeld, auf dem auch Gewagtes erlaubt ist.
Am 13. und 15. März findet die Spielzeit im Stadttheater Bozen mit dem Saisonhighlight ihren Abschluss, der Uraufführung der Oper Toteis von Manuela Kerer und Martin Plattner. Eine Koproduktion der Stiftung Haydn, der Neuen Oper Wien und den Vereinigten Bühnen Bozen.
Musiktheaterwettbewerb Fringe: Interdisziplinarität als Ressource
Interdisziplinarität als Ausdrucksform und als Ressource für unsere Region: dadurch zeichnet u. a. der Musiktheaterwettbewerb FRINGE aus. Das Projekt wurde von Matthias Lošek vor drei Jahren ins Leben gerufen, mit dem Ziel, talentierte Künstler aus der Region zu fördern.
Nach Curon/Graun von OHT – Office for a Human Theatre und Gaia von Hannes Kerschbaumer gewann die Compagnia Abbondanza/Bertoni die letzte Ausgabe von Fringe, die dem Kammermusikwerk Arnold Schönbergs gewidmet war. Ihr Stück Clown Time wird am 25. Februar im Teatro Zandonai in Rovereto uraufgeführt: Im Mittelpunkt dieser multidisziplinären Arbeit steht ein imaginärer Dialog zwischen Arnold Schönberg und dem Filmregisseur David Lynch: ein spannendes Seh- und Hörerlebnis für das Publikum. Nach dem großen Publikumszuspruch wird auch das Siegerprojekt der ersten Ausgabe die Musiktheaterinstallation Curon/Graun am 23. März im Kulturhaus von Schlanders wiederaufgeführt.
Begleitveranstaltungen:
Im Rahmen von Cultur.a Lounge, einem Projekt der Stiftung Haydn und der Vereinigten Bühnen Bozen, wird das Thema einer Aufführung vertiefend erörtert. In diesem Jahr steht die kostenlose Veranstaltung unter dem Titel From History to Fiction: Anlässlich der Uraufführung von Toteis von Manuela Kerer findet am 31. Januar 2020 im Stadttheater Bozen eine Diskussion zur Geschichte der Viktoria Savs statt. Eine Geschichte, die die Widersprüche des 20. Jahrhunderts vor Augen führt. Ausgehend von der Figur Viktoria Savs, diskutieren die Komponistin und der Librettist von Toteis, Manuela Kerer und Martin Plattner, der Buchautor Frank Gerbert (Die Kriege der Viktoria Savs) und der Historiker Oswald Überegger über die Konstruktion von „Heldenmärchen“, den Mythos als Propagandamittel und darüber, wie eine Lebensgeschichte – ohne Anspruch auf vollkommene Wahrheit – für die Bühne adaptiert werden kann. In Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Bozen startet am 13. Februar eine weitere Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Oper Heute: Wie entsteht eine Oper?“. In drei Treffen erhalten Interessierte einen umfassenden Einblick in den Entstehungsprozess einer zeitgenössischen Oper. Nähere Infos und Einschreibungen: www.volkshochschule.it
Tickets: Karten sind online unter www.haydn.it erhältlich sowie an der Theaterkasse des Stadttheaters Bozen und des Centro Culturale Santa Chiara in Trient.
Die Stiftung Haydn von Bozen und Trient dankt Alperia, der Stiftung Südtiroler Sparkasse und R+V Versicherungen für die finanzielle Unterstützung, Zusammenarbeit im Rahmen des Förderprogramms Art Bonus.