Von: bba
Bozen – Die Corona-Pandemie hat die Selbsthilfe herausgefordert, trotz Kontaktbeschränkungen im Austausch zu bleiben. Daraus ist die Selbsthilfe Online entstanden. Nun hat die Dienststelle für Selbsthilfegruppen im Dachverband für Soziales und Gesundheit eine Broschüre mit Anleitungen und Hilfestellung herausgebracht. Im Zuge der Digitalisierung müssen Gemeinden und Sprengel in allen Bezirken unbedingt zusätzliche Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, die auch technisch ausgestattet sind, fordert der Dachverband.
Im Lockdown waren auch die Treffen der rund 200 Selbsthilfegruppen in Südtirol zunächst einmal aufs Eis gelegt. Dennoch sind viele weiterhin aktiv geblieben. „Selbsthilfegruppen mussten neue Wege finden. Die meisten konnten den Kontakt untereinander über Telefon, Whats-App-Gruppen und E-Mail aufrecht halten und sich in kritischen Momenten unterstützen. Als weitere Möglichkeit dazu gekommen sind Treffen in Form von Videokonferenzen und Onlinemeetings“, sagt Julia Kaufmann von der Dienststelle für Selbsthilfegruppen im Dachverband für Soziales und Gesundheit.
Um den „Einstieg“ in die Welt der Technik zu erleichtern, wurden intensive Einzelberatungen durchgeführt. Parallel dazu ist nun die Broschüre „Selbsthilfe Online“ entstanden, um eine leicht verständliche Hilfe und Unterlagen zu bieten. „Die Broschüre erklärt die wichtigsten Dinge anschaulich und gibt praxiserprobte Tipps. Damit lässt sich der Einstieg in die Onlinewelt leicht bewältigen“, so Kaufmann. Erhältlich ist die Broschüre im Dachverband, in Bibliotheken oder Sprengeln, sowie als Download unter www.selbsthilfe.bz.it.
In der Not geboren, hat die Praxis sogar gezeigt, dass Online-Selbsthilfeangebote für bestimmte Personen besonders gut geeignet sind. „Je nach der persönlichen Lebenssituation ist die Teilnahme an Treffen oftmals schwierig. Etwa wenn Menschen aus gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht mobil sind. Oder aber, weil sie den Schutz ihrer vier Wände zu Hause aus verschiedensten Gründen nicht verlassen wollen oder können, etwa wenn Kinder oder ein pflegebedürftiger Mensch rund um die Uhr zu betreuen sind“, erklärt Kaufmann.
Es gibt also gute Gründe die Möglichkeiten der Selbsthilfe Online zu nutzen. „Aber dennoch braucht es in allen Bezirken unbedingt zusätzliche Räumlichkeiten, wo sich die Menschen weiterhin real treffen können“, betont Dachverband-Präsident Wolfgang Obwexer: „Bereits vor Corona hatten viele Selbsthilfegruppen immer wieder Schwierigkeiten, Räumlichkeiten für ihre Treffen zu finden. Unser Appell geht an die öffentlichen Einrichtungen, die Gemeinden, besonders auch die Sozial- und Gesundheitssprengel mehr Räume zur Verfügung zu stellen. Zudem müssen die Räume unbedingt auch mit Computer, Bildschirm, Kamera und schneller Internetverbindung ausgestattet werden, um die Kommunikation zu erleichtern. Hier müssen im Zuge der Digitalisierung die Dinge jetzt angepackt und realisiert werden!“ Es gilt, die Möglichkeiten für die Gruppentreffen zu schaffen, auch für hybride Formen, wo sich einige Personen in einem Raum treffen und andere wiederum nur über den Bildschirm dazugeschaltet werden.
Vorteile von Online-Meetings:
Große Entfernungen spielen bei Online-Meetings keine Rolle Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, können von Zuhause aus an den Treffen teilnehmen Bei Online-Meetings haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, anonym zu bleiben Online-Meetings erleichtern den Einstieg in die Gruppe für neue Teilnehmende
Nachteile von Online-Meetings:
Reaktionen können leicht verzögert sein Störungen/Ablenkungen können die Kommunikation erschweren. Bei der nonverbalen Kommunikation gibt es Einschränkungen. Es besteht die Notwendigkeit, minimale technische Kenntnisse zu erwerben
Stimmen aus den Selbsthilfegruppen:
Erika – Online-Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige Südtirol
Angenehm ist: Kein Zeitaufwand für das Hin- bzw. Zurückfahren. In unserer speziellen Gruppe, für pflegende Angehörige, brauchen wir auch keinen Betreuungsersatz für die Zeit. Man braucht keinen Gruppenraum organisieren und der damit zusammenhängende Aufwand, wie aufsperren, herrichten, putzen, anfallende Spesen usw. fällt weg.
Weniger angenehm ist: Je nach Anzahl der Teilnehmenden ist es schwierig und auch ermüdender im Chat miteinander zu kommunizieren. Auch die Technik funktioniert nicht immer einwandfrei, das kann stressig werden. Da man meist nur das Gesicht des Gegenübers sieht, sind Gestik und Mimik nicht immer verständlich, es kann zu Missverständnissen kommen.
Helga – Selbsthilfegruppe Restless-legs (RLS) – unruhige Beine BZ
Unsere Selbsthilfegruppe hat trotz Corona-Pandemie weitergemacht. Einmal monatlich trafen wir uns online. Meist waren wir fünf bis sechs Personen. Ein/zwei Personen hatten keine Kamera, konnten aber trotzdem alles hören und sich auch selbst zu Wort melden. Auf meine Frage hin, wie sich diese Online-Treffen für die Beteiligten anfühlen, haben alle sehr positiv reagiert und waren froh, dass die Besprechungen trotzdem stattgefunden haben.
Pia und Graziano – Selbsthilfegruppe Anonyme Alkoholiker_innen
Sich in Online-Meetings zurecht zu finden, war für niemanden einfach. Dennoch haben die Gruppen bewiesen in der Lage zu sein, mutig neue Wege zu gehen und ihre Angst zu überwinden. Viele haben sich eher schüchtern angenähert. Die Online-Meetings sind eine Chance und ein wertvolles Instrument, auch um die Anonymität zu gewährleisten.
Katia – Selbsthilfegruppe „in cordata“ – um Momente der Depression zu überwinden
In unserer Gruppe bestand seit Langem das Bedürfnis sich zu treffen. Nach einer Einschulung und einer ersten Phase der Orientierungslosigkeit, die auf technische Schwierigkeiten zurückzuführen war, konnten wir uns in dieser virtuellen Methode wiederfinden und treffen. Ich glaube sonst hätte sich die Gruppe aufgelöst. Stattdessen haben wir, auch auf virtuelle Weise, unseren Zusammenhalt wiedergefunden. Aufgrund der Pandemie haben die depressiven Symptome von Menschen zugenommen. Es haben sich in dieser Zeit viele Interessierte bei uns gemeldet.