Er war einer der innovativsten Choreografen der Moderne

Tanz Bozen beendet die 35. Ausgabe mit einer Hommage an Merce Cunnigham

Donnerstag, 25. Juli 2019 | 18:13 Uhr

Bozen – „Tanzen ist für mich so wichtig wie Atmen“, erklärte einst Merce Cunningham. Der US-amerikanische Tänzer und Choreografen prägte den Tanz im 20. Jahrhundert wie kaum ein anderer. Das CNDC Angers (unter der Leitung von Robert Swinston) würdigt den Meister des zeitgenössischen Tanzes am Abschlussabend des Tanzfestivals mit zwei seiner herausragenden Choreografien: BIPED und Beach Birds. Mit Musik von John Cage und Gavin Bryars.

Im Vorprogramm zeigt die Brixnerin Sabrina Fraternali um 20.00 Uhr (Studiotheater) ihre Choreografie Glauco. Nach den beiden Vorstellungen verwandelt sich der Verdiplatz in einen Dancefloor. Zum Abschluss des Festivals wird zu den Sounds des Künstlerkollektivs Industria Dipendente getanzt.  (Silent Disco, 23.00 Uhr)

In BIPED (1999) experimentiert Merce Cunningham mit der Motion Capture-Technologie. Der Begriff bezeichnet eine Bewegungserfassung, bei der Sensoren an Gelenken und bestimmten Körperstellen von mehreren Kameras erfasst und Bewegungen als digitalisierte Daten in ein 3D-Format „gerendert“, übertragen werden. Die Mediendesigner Paul Kaiser und Shelly Eshkar, die die gleichnamige Software „Biped“ entwickelt hatten, unterstützten den Choreografen dabei. Die Musik für Geige, Cello, E-Gitarre, Kontrabass, E-Keyboard und vorab aufgenommenen Partien stammt von Gavin Bryars. Über Sensoren auf den Körpern der Tänzer, werden ihre Bewegungen registriert und in Form von virtuellen Gestalten unterschiedlicher Größe projiziert. Diese digitalen Figuren bewegen sich gemeinsam mit den realen Tänzerinnen und Tänzern auf der Bühne. Dabei gelingt es, dass die Projektionen nicht zum reinen Abbild der Tänzer werden oder gar ablenken oder die Tänzer einschränken. Alles fügt sich zu einer neuen Dimension, einer neuen Realität zusammen. Nach Cunninghams Tod 2009 wurde BIPED von seiner Kompanie bis zu deren Auflösung 2011 aufgeführt; dann wurde es nur noch vom Bayerischen Staatsballett getanzt, bevor es jetzt vom CNDC Angers wiederaufgenommen wurde.

Beach Birds schuf Cunningham 1991 zur Musik des Komponisten John Cage (1912–1992), der nicht nur ein wichtiger Mitarbeiter, sondern auch Lebenspartner von Cunningham war. Die texanische Malerin Marsha Skinner (*1944) lieferte die Kostüme und das Bühnenbild. Der Titel Beach Birds, also „Vögel am Strand“ ist dabei nicht wörtlich zu verstehen, auch wenn Cunningham sich für seine Choreografien Inspiration aus der Natur holte. Zu Beach Birds schrieb er: „Ich hatte drei Ideen im Kopf: Vögel, oder andere Tiere; Menschen am Strand; und etwas, das ich am Meer liebe: das Beobachten eines Felsen, ihn zu umgehen und zu sehen, dass er sich die ganze Zeit verändert, als ob er lebendig wäre. Diese drei Bilder hatte ich im Kopf […] Ich dachte nicht an einen bestimmten Vogel, sondern an die Idee eines Vogels.“ Die elf Tänzerinnen und Tänzer in weißen Kostümen mit schwarzen Handschuhen tanzen wie ein Vogelschwarm, ihre Bewegungen sind flüssig. Auf der Bühne ändert sich das Licht in Farbe und Intensität nach dem Zufallsprinzip. Die Tänzer greifen diese Veränderungen auf und interpretieren sie. Beach Birds wurde als Beach Birds for Camera verfilmt.

Sabrina Fraternali, Glauco

Die allererste Choreografie der Südtirolerin Sabrina Fraternali wurde 2018 von Anticorpi XL in Ravenna, dem Netzwerk für junge, unabhängige Kunstschaffende im zeitgenössischen Tanz, gefördert. Glauco ist ein Solo, getanzt von Flora Orciari, das den Zuseher in einen hypnotischen Zustand versetzt. Die Choreografie zeigt einen Körper, der in sanften bis stürmischen Bewegungen fließt, und sich in schnellen, kristallinen Wirbeln dreht. Ein Körper, der sich wie ein Gedanke im Bewusstseinsstrom verliert und wiederfindet. Das Werk inspiriert sich an dem Buch Água viva der brasilianischen Schriftstellerin Clarice Lispector, in dem eine Malerin dem Wort anstatt ihrem Malerpinsel die Erzählung ihrer intimsten Empfindungen anvertraut. Fraternalis Solo verleiht diesen Worten durch den Tanz eine dritte Dimension.

Die in Bozen geborene Sabrina Fraternali studierte Tanz in Brixen, Siena und Turin. Nach einem Umzug nach Mailand absolvierte sie die Ausbildung im Fach Tanztheater an der Scuola Paolo Grassi. Nach ihrem Abschluss gründete sie mit einigen Studienkollegen das Kollektiv Laagam.

INFO UND TICKETS

Stadttheater Bozen – T +39 0471 053800
www.tanzbozen.it

Von: mk

Bezirk: Bozen