Zeitzeugin erzählt tief Bewegendes aus ihrer Kindheit

Über Hitler geschimpft: Kalterer Familie wäre beinahe im KZ gelandet

Montag, 27. November 2017 | 12:26 Uhr

Kaltern – Zu einem beeindruckenden Vortrag hatte die Schützenkompanie „Major v. Morandell“ Kaltern unter Hauptmann Robert Thaler gemeinsam mit dem Südtiroler Schützenbund am Freitag, den 24. November 2017 geladen. Der Saal im Kalterer KUBA war bis auf den letzten Platz gefüllt, und alle warteten gespannt auf die Ausführungen der Kalterer Gastwirtin Paula Morandell Atz. Durch den Abend führte Jürgen Wirth-Anderlan, der Adjutant des Landeskommandanten des Südtiroler Schützenbundes.

Die begnadete Erzählerin erklärte, wie sie als Siebenjährige infolge der Option mit ihren Eltern und den vier kleineren Brüdern nach Baden bei Wien kam und dort zumindest eine kurze, unbeschwerte Zeit erleben durfte, obwohl der Vater bald einrücken musste. Sie berichtete, wie es dazu kam, dass sie als Kind mit Adolf Hitler auf der Couch ihrer Nachbarin saß und mit ihm Kuchen aß. Nachdem sie jedoch tags darauf ausplauderte, was ihre Mutter von Hitler hielt, musste sie miterleben, dass zwei SS-Männer ins Haus kamen, um die Familie ins KZ Dachau zu bringen. Buchstäblich im allerletzten Augenblick konnte das durch ihren Nachbarn, der ein hoher Nazifunktionär war, verhindert werden.

Unter die Haut gingen auch die Erzählungen der heute 84-Jährigen über die vielen furchtbaren Erlebnisse in der Zeit, als die Russen einmarschierten. Gewalt und Tod waren allgegenwärtig. Sie erlebte mit, dass zwei ihrer besten Freundinnen, Kinder wie sie, zu Tode geschändet wurden. Die Kinder mussten aber auch immer wieder mit ansehen, wie ihrer Mutter vor den Augen der Kinder von den Russen Gewalt angetan wurde. Einmal überlebten die Mutter und die 5 Kinder nur, weil sie sich über Nacht mucksmäuschenstill an einen Haufen von Leichen drückten. Auch auf der Flucht entrann sie mehrmals nur knapp dem Tod. So überlebten die Mutter und die fünf Kinder als einzige mit einer weiteren Frau eine Schießerei auf einem Friedhof in der Nähe vom Semmering, nur weil sie sich in der Mulde hinter einem großen Grabstein verstecken konnten. Und immer wieder gab es kaum genug zum Essen. Schließlich erzählte Paula Atz über ihre abenteuerliche Flucht über Innsbruck und den Brenner, von wo aus sie sich als 12-Jährige komplett allein mit zwei kleinen Brüdern bis nach St. Josef am Kalterer See durchschlug.

Es gab niemanden im Saal, den das, was Paula Atz berichtete, nicht zutiefst berührte und erschütterte. Angeregt diskutierten die Anwesenden im Anschluss noch lange über das, was sie gehört hatten.

Von: mk

Bezirk: Überetsch/Unterland