Das Projekt heißt "Police Deranged For Orchestra"

Copeland zelebriert The Police mit Orchester und R&B-Chor

Dienstag, 20. Juni 2023 | 09:20 Uhr

Für sein neues Album hat der frühere Police-Schlagzeuger Stewart Copeland die Songs seiner alten Band neu arrangiert und mit einem Orchester neu eingespielt. “Police Deranged For Orchestra” heißt das Projekt, das nun auch als Album erscheint. Was ihn dazu verleitet hat und wie sein Verhältnis zu Sting heute ist, erzählt er im Interview.

Bei der Produktion seiner Dokumentation “Everyone Stares” über die Karriere von The Police experimentierte Copeland erstmals mit “Derangements”, frei übersetzt “unordentlichen Arrangements”, der alten Lieder. Die Idee, ein Orchester hinzuzunehmen, sei ihm auf Tournee in Deutschland gekommen. “Ich hatte ein paar unbekanntere Police-Songs orchestral arrangiert”, erzählt Copeland im Interview der Deutschen Presse-Agentur in London. “Das kam so gut an, dass das Management gesagt hat, ich soll ein paar Hits spielen.”

Der US-Amerikaner, der The Police 1977 in London mit Sting und Andy Summers gegründet und nach der Auflösung eine Karriere als Filmkomponist eingeschlagen hatte, ließ sich nach anfänglichen Zweifeln darauf ein. “Ich hatte ja diese Derangements, die mir gut gefielen”, sagt er. “Und so habe ich beides zusammengeführt, um diese Show zu kreieren, die nun ein Album ist.” Ein Live-Album ist es allerdings nicht, obwohl es durchaus so klingt. Aufgenommen wurde im Studio, genauer gesagt: in mehreren Studios rund um den Globus.

Kulthits wie “Roxanne” oder “Message In A Bottle” sind in den neuen Versionen zumindest anfangs kaum wiederzuerkennen. Andere Klassiker wie “Every Little Thing She Does Is Magic” oder die wunderbare Ballade “King Of Pain” sind etwas näher an den Originalen. Weniger bekannte Lieder, aber mit genauso spannenden Arrangements, sind “Demolition Man”, “Murder By Numbers” und “Tea In The Sahara”.

Was alle Titel eint, ist dass sie hier eine völlig neue Dynamik entwickeln. The Police bewegten sich irgendwo zwischen Punk, New Wave und klassischem Rock, waren rau und erdig. Die neuen orchestralen Versionen klingen episch und haben eine filmische Atmosphäre.

“Als Filmkomponist war ich ein bezahlter Angestellter und hab gemacht, was man mir gesagt hat. Nicht sehr sexy, nicht sehr ruhmreich, aber es war verdammt nützlich”, so Copeland, der diesen Job inzwischen hinter sich gelassen hat. “Das mach ich nicht mehr. Jetzt bin ich wieder ein Künstler und kann diese Fähigkeiten und Techniken, die ich gelernt habe, für etwas nutzen, das zu einem gewissen Grad meins ist und mir gewisse Freiheiten erlaubt.”

Allzu sehr wollte sich der vielseitige US-Musiker, der in der Filmmetropole Los Angeles lebt, jedoch nicht von den Originalen entfernen. “Ich liebe diese Refrains und wollte, dass sie genauso wie damals funktionieren”, sagt der Komponist, “aber ich kann damit rumexperimentieren. Und ich konnte mir dabei Dinge erlauben, die nach meiner Meinung interessanter sind, als wenn ich damit einen Arrangeur beauftragt hätte.”

Die drei R&B-Sängerinnen Amy Keys, Carmel Helene und Ashley Támar geben den Songs auch stimmlich ein ganz neues Flair. Die Idee, dieses Trio den Gesang auf “Police Deranged For Orchestra” übernehmen zu lassen, darf durchaus als Geniestreich bezeichnet werden. Dabei hatte Stewart Copeland einen ganz pragmatischen Grund dafür. “Stell dir vor, ich würde irgendeinen Typen engagieren und der arme Bastard würde jeden Abend mit Sting verglichen? Die einzige Möglichkeit, Sting zu ersetzen, ist mit drei Soulschwestern am Mikrofon. Und Andy kann man nur durch ein großes Orchester ersetzen.”

Den Segen seiner ehemaligen Bandkollegen hat Copeland übrigens eingeholt, weil er es selbst so wollte. “Ich muss sie nicht fragen, denn rechtlich darf jeder die Songs spielen, aber ich habe es trotzdem getan”, sagt er. Sting, der die meisten Police-Lieder geschrieben hat, schickte er im Voraus ein dickes Buch mit allen Arrangements zu. “Nur damit ich mir vorstellen kann, wie er die Augen verdreht”, scherzt Copeland, der früher oft mit dem Sänger und Bassisten stritt.

Spannungen innerhalb des Trios führten 1986 zur Auflösung von The Police. Von 2007 bis 2008 gab es eine kurze Reunion samt Welttournee. Inzwischen haben die Bandmitglieder ein gutes Verhältnis zueinander. “Uns ist jetzt klar, dass wir nicht wegen unserer Egos gestritten haben”, erklärt Copeland. “Unsere musikalischen Philosophien haben kaum etwas gemeinsam, es gibt keine Überschneidungen. Und das hat The Police wahrscheinlich ausgemacht. Diese gegensätzlichen Ideen waren schwierig zu navigieren, aber es war sehr produktiv.”

Wie reich das musikalische Vermächtnis des ungleichen Trios ist, zeigt sich auf “The Police Deranged For Orchestra” einmal mehr. Stewart Copeland hat ein neues, großartiges Klangerlebnis geschaffen und dabei die Seele der Originalsongs bewahrt. Bei seinen Konzerten spielt der 70-Jährige noch mehr Lieder, die nicht auf dem Album sind. Ein weiteres “Deranged”-Album ist jedoch leider nicht geplant.

Im Oktober erscheint sein Buch “Stewart Copeland”s Police Diaries” mit Tagebucheinträgen und Fotos von damals. Trotz aller Leidenschaft für The Police ist nicht damit zu rechnen, dass er sich mit seinen Ex-Kollegen, die ebenfalls die alten Hits spielen, noch mal aufrafft und eine weitere Tour spielt. Das stellt Stewart Copeland scherzhaft, aber doch eindeutig klar: “Wir sind uns einig, dass es mehr Spaß macht, die Musik ohne die anderen beiden Arschlöcher zu spielen.”

(S E R V I C E – www.stewartcopeland.net)

Von: APA/dpa