Von: APA/dpa
In den USA wachsen derzeit Unruhe und Unsicherheit – unter dem wenig verlässlichen Präsidenten Trump erscheint die Gesellschaft gespalten. Und doch gibt es etwas, worauf sich nahezu alle Amerikaner ohne Abstriche verständigen könnten: Dolly Parton, Country- und Pop-Superstar seit nunmehr 60 Jahren. So beschreibt es die Arte-Doku “Dolly Parton: Everybody”s Darling” von Nicolas Maupied, zu sehen am Sonntag (10. August) um 21.50 Uhr.
Denn die heute 79-jährige Ikone (“Jolene”) begeistert Konservative und tief religiöse Leute ebenso wie Schwule, Lesben und transsexuelle Menschen, die auch gern mal an Wettbewerben für Parton-Doppelgängerinnen teilnehmen und die Künstlerin lautstark auf Straßenumzügen feiern. Der Schlüssel zum Erfolg mit 3.000 selbst geschriebenen Songs und 100 Millionen weltweit verkauften Schallplatten? “Dolly Parton sticht heraus. Sie vereint eine extravagante Vorliebe für das Künstliche mit wahrer Tiefe”, heißt es im Porträt.
“Dumb Blonde” – dumme Blondine?
Rein äußerlich ist die Künstlerin eine Provokation. Gigantische Lockenperücke, dickes Make-up, Schönheits-OPs und bunt glitzernde Kostüme, die ihre Wespentaille betonen, spiegeln ein Frauenbild, das an Barbie-Puppen andockt. Parton, die auch den Song “Dumb Blonde” (Dumme Blondine, 1967) im Repertoire hat, präsentiert es mit Selbstironie. “Man braucht eine Menge Geld, um so billig auszusehen”, sagt die offensichtlich ausgebuffte Geschäftsfrau schelmisch in einem Interview.
Dabei berührt die am 19. Jänner 1946 in den Appalachen im tiefsten Tennessee geborene Sängerin und Songwriterin dank schlichter Menschlichkeit und innerer Stärke die Herzen. Mit elf Geschwistern in einem Holzhaus ohne fließendes Wasser und Strom aufgewachsen, hätten die Natur, der Glaube an Gott und harte Arbeit sie geprägt, vermittelt die TV-Sendung, die sich Parton durchweg mit Bewunderung nähert.
Früh lernte die Tochter einer musikliebenden Familie Gitarre spielen, seit ihrem siebenten Lebensjahr textet und komponiert Parton. “Man lernt viel zu träumen, weil es sonst nichts zu tun gibt. Man nutzt seine Fantasie”, erklärt sie ihre Frühentwicklung im abgelegenen Gebirgszug Smoky Mountains. Statt fernzusehen, habe man sich tolle Geschichten ausgedacht.
Vorbild vieler Drag-Queens
Gerade Amerikaner lieben es, wenn jemand zu seiner Herkunft steht und Nachteile in Erfolge verwandelt. Parton verließ nach dem Schulabschluss 1964 ihre Heimat, fuhr mit dem Bus 400 Kilometer nach Nashville, der Hauptstadt des Country – und der Rest ist Show-Geschichte. Für einige Jahre bildete sie ein Duo mit Porter Wagoner (1927-2007).
Doch die selbstbewusste Sopranistin wollte Unabhängigkeit – und erzielte mit “Joshua” ihren ersten Solo-Hit in den Country Charts. Zum Abschied von Wagoner schrieb sie 1974 für ihn “I Will Always Love You”. Ein Soul-Song, mit dem Whitney Houston 1992 im Film “Bodyguard” weltweit Mega-Furore machen sollte. Heute ehrt etwa Kollegin Beyoncé den Star mit einer Coverversion des Parton-Hits “Jolene” (1974).
Mit “Here You Come Again” schaffte die Künstlerin 1977 auch den Übergang zum Pop. Obwohl sie nicht als militante Feministin auftritt, prangert sie in ihren Songs immer wieder Benachteiligungen von Frauen an und ermutigt zu eigener Stärke (“Just Because I”m A Woman”, 1968).
In den 1980ern wurde ihr Hit “Coat Of Many Colors”, der von christlichen Familien geliebt wurde, zur Regenbogenhymne. Und sie selbst wurde von Dragqueens als Patin verehrt – bis heute. In jenem Jahrzehnt reüssierte die Sängerin auch als Schauspielerin in Hollywood – wie in der Screwball-Komödie “Nine To Five” (“Warum eigentlich … bringen wir den Chef nicht um?”) mit Jane Fonda und Lily Tomlin.
Dollywood
“Dollywood” heißt dagegen der Freizeitpark in Tennessee, den sie um einen Nachbau des alten Holzhäuschens zu Ehren ihrer Eltern errichten ließ. Trotz allem amerikanischen Optimismus hat die auch sozial sehr engagierte Musikerin, die 58 Jahre lang mit dem inzwischen gestorbenen Geschäftsmann Carl Dean verheiratet war, eine melancholische Seite. Als sie nach einer Operation 1985 keine Kinder mehr bekommen konnte, an Depressionen und Suizidgedanken litt, schrieb sie das traurige Lied “Down From Dover”. In der Coverversion von Marianne Faithfull geriet auch das zum Erfolg.
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