Von: luk
Seiser Alm – Ulrich Senoner (67) ist ausgestiegen. Ausgestiegen von so gut wie allem, was Zivilisation bedeutet. Die Sicherheit der modernen Versorgung hat er eingetauscht gegen ein einsames, naturverbundenes und archaisches Leben.
Den gebürtigen Grödner hat es früh aus dem Dolomitental in die Welt hinausgezogen. Lange lebte er in Berlin, arbeitete als Architekt und hatte eine Frau und zwei Kinder. Den Gedanken eines nachhaltigen und ressourcenschonenden Lebens hat er damals schon in sich getragen. Das schlug sich sowohl in seiner Arbeit als auch im privaten Bereich nieder.
Karges aber glückliches Leben
Vor sechs Jahren hat er schließlich einen radikalen Schnitt gemacht. Senoner hatte genug vom Leben in der hektischen Großstadt. Er wollte wieder in die Berge, in seine Heimat zurück, die er aus Kinder- und Jugendtagen her kannte. Seitdem hat er sein Glück in einer kleinen Almhütte am Fuß des Plattkofels gefunden.

Auf rund 2.050 Meter Seehöhe lebt der Ladiner zwar in einer paradiesischen Umgebung, führt aber ein sehr karges Leben. Doch er will es so und ist damit glücklich. Es gibt weder ein Stromnetz, Gas oder fließendes Wasser auf der “Malga Futura” – wie der Architekt sein Heim am Rande der Seiser Alm nennt.
Autarkie als Ziel – Verzicht als Methode
Von dort oben benötigt der 67-Jährige rund neun Kilometer, um in sein Heimatdorf Wolkenstein in Gröden zu gelangen. Es ist ein dreistündiger Fußmarsch über Bergpfade und Forststraßen. Daher steigt Ulrich Senoner auch immer seltener in den Ort ab. Er versucht so autark wie möglich zu leben, baut Kartoffeln an, sammelt Wildpflanzen und Wurzeln, die er zu einfachen Mahlzeiten verarbeitet. Strom bezieht Senoner über ein kleines Solarpanel. Das benötigt er vor allem, um ein Handy zu betreiben – sein einziger Kontakt zur Außenwelt. Wasser holt er aus einem nahen Bachlauf. Zum Heizen und Kochen dient eine alter Holzherd.
Mäuse und ein Hermelin
“Für sechs Monate im Jahr liegt hier Schnee”, erzählt sein Neffe Tobias Demetz (23). “Er muss genug Holz sammeln, um den Winter zu überstehen.” Demetz beschreibt seinen Onkel als Suchenden, der nun in gewisser Weise angekommen sei – wenngleich er wenig aus seiner Vergangenheit erzähle.
Auf seiner Hütte könne er im Einklang mit der Natur leben und dem Minimalismus frönen, wie er es für richtig hält. “Mein Onkel probiert gerne Dinge aus”, so der 23-Jährige. Ob es die Wärmeisolierung der Hütte mit Heu ist oder das plötzliche Weglassen einer gewissen Nahrung sei dabei einerlei.
Faszination für archaisches Leben führt zu Dokumentarfilm
Auch den Kontakt zu Tieren scheut Ulrich Senoner nicht: Er esse schon mal das, was ihm die Mäuse übrig gelassen hätten, scherzt Demetz. Das mache ihm nichts aus. Auch ein Hermelin schleiche hin und wieder um die Hütte.
Tobias Demetz hat in den vergangenen Jahren seinen Onkel immer wieder besucht.
Dessen Lebensstil faszinierte ihn so sehr, dass er irgendwann erste Videos für YouTube aufgenommen hat. Daraus resultierte die Idee, einen Dokumentarfilm über seinen Einsiedler-Onkel zu drehen – und der junge Regisseur hat dies in minutiöser Kleinstarbeit geschafft. Dem 45 Minuten langen Film hat er den Titel “A penny weighs more than a soul” gegeben.
Uraufführung von “A penny weighs more than a soul” auf internationalem Parkett
Tobias Demetz hat damit große Pläne: Er will den Streifen auf einem internationalen Filmfestival uraufführen. Entweder in Kanada oder beim Filmfestival in Venedig im September 2026.
Der Trailer macht schon mal Lust auf mehr:
Der Dokumentarfilm sei im Kasten und geschnitten. Nun gehe es an die Nachbearbeitung. Konkret meint Demetz damit die “Farbe”. Diese soll in Rom in einem Studio in der “Cinecittà” optimiert werden. Erst dadurch erhalte der Film seinen letzten Schliff, so der junge Grödner.
Aus Fehlern viel gelernt
Demetz ist ein entspannter Typ mit einer großen Vision, die man ihm abnimmt. Man müsse die Dinge angehen und es einfach probieren, sonst wisse man ja nie, wie weit man gekommen wäre, meint er lachend. Die Leidenschaft für das Thema Film dringt im Gespräch aus jeder seiner Poren. Und gerade weil der Start des Filmprojekts mit seinem Onkel etwas holprig gewesen sei und er auch Fehler gemacht habe, habe er enorm viel lernen und für künftige Vorhaben mitnehmen können.
Botschaft: “Mit wenig sehr glücklich zu sein”
Für Tobias Demetz ist das Projekt aber mehr als eine filmische Herausforderung: “Ich habe gelernt, die Natur mit anderen Augen zu sehen und zu begreifen, dass man mit wenig sehr glücklich sein kann.” Das ist wohl auch die zentrale Botschaft von “A penny weighs more than a soul”.
Viel Unterstützung erfahren
Der Dokumentarfilm ist mit Unterstützung der Autonomen Provinz Bozen entstanden: Konkret hat das Amt für Film und Medien Demetz etwas unter die Arme gegriffen. Zu einer Förderung über die IDM sei es laut dem Filmemacher aber nicht gekommen, da sein Projekt beim Ansuchen bereits im Gange war. So etwas sei ebenfalls Teil des Lernprozesses, schildert der junge Grödner.

Auch von anderer Seite hat Tobias Demetz Hilfe und Unterstützung erhalten. Darüber zeigt er sich äußerst dankbar. Seine Schwester Magdalena Demetz hat die Filmmusik beigesteuert. Sie verband es mit ihrer Bachelorarbeit an der Zürcher Hochschule der Künste. Auch Philip J Pamer, Markus Frings, Roberto Cavallini, Martine De Biasi, Dominik Demetz und viele weitere Personen unterstützten den jungen Filmemacher, der auch sich über Sponsoreninteresse freuen würde.






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