Korn-Sänger Jonathan Davis in Aktion

Schweigeminute für Graz beim Nova Rock Festival

Donnerstag, 12. Juni 2025 | 11:38 Uhr

Von: apa

Der Amoklauf an einer Grazer Schule ist auch am Nova Rock nicht spurlos vorbeigegangen: Am Auftakttag von Österreichs größtem Rockfestival wurde der Opfer mit einer Schweigeminute gedacht, bei der das gesamte Festival kurz inne hielt. “Der Schmerz sitzt bei uns allen sehr tief”, sagte Festivalchef Ewald Tatar auf der Bühne. Direkt im Anschluss sorgten die Nu-Metal-Legenden von Korn für einen lautstarken Schlusspunkt des Konzertreigens am Mittwoch.

Zurückhaltung und Zusammenstehen

Ein ausgelassenes Rockfestival ist nach den Ereignissen in der steirischen Landeshauptstadt natürlich ein schwieriges Unterfangen. Ein gewisses Maß an Zurückhaltung mag man durchaus bei den Besucherinnen und Besuchern auf den Pannonia Fields gespürt haben, aber auch die Freude am gemeinsamen Musikgenuss, am angenehmen Sommerwetter sowie einer bis dato reibungslosen Organisation war deutlich zu vernehmen. Mit Auftritten von Bands wie Dead Poet Society, The Warning oder Seven Hours After Violet startete das Nova Rock durchaus druckvoll und abwechslungsreich in die diesjährige Ausgabe.

Wer die Headliner-Position innehatte, war nur unschwer zu erraten: Schon untertags war die Dichte an Korn-Bandshirts enorm, um kurz vor Mitternacht hatte das Warten für die Anhängerschaft schließlich ein Ende. Jonathan Davis und Konsorten ließen sich nicht lumpen und entluden die angestaute Energie in einem astreinen Best-of-Set, das von frühen Klassikern der Kaliber “Blind” oder “Clown” bis zu neuerem Material wie “Cold” reichte. Mitsingaktion gab es nicht nur bei “Falling Away From Me”, auch das explizite “A.D.I.D.A.S.” wurde aus Tausenden Kehlen gebrüllt.

Während die Gitarristen James “Munky” Shaffer und James “Head” Welch sich die Riffs zuspielten und mit ihrem Signaturesound für gruslige Untertöne sorgten, gab Davis in gewohnter Manier den Berserker am Mikrofon, der aber auch seine melancholische Seite nicht verleugnete und bei “Shoots and Ladders” bewies, wie man aus Kinderreimen einen zwingenden Metalsong fabrizieren kann – Dudelsack-Intro inklusive. Kaum ein Sänger der härteren Gangart hat eine derart große Bandbreite, wobei die Texte über Teenage Angst und Einsamkeit angesichts der Umstände durchaus schwer zu verdauen waren.

Spiritbox hart und polarisierend

Ein solides, durch und durch hartes, wenn auch polarisierendes Gastspiel absolvierten Spiritbox. Die Band um Sängerin Courtney LaPlante und ihren Ehemann Mike Stringer an der Gitarre hatte 2024 und 2025 jeweils in der Kategorie Best Metal Performance eine Grammy-Nominierung abgestaubt. Ihre Darbietung am Nova Rock unterstrich diese Auszeichnung: Theatralisch inszeniert mit verstörenden Visuals führten die Kanadier den Metalcore in eine neue Dimension – wütend, mitreißend und in aller Kompromisslosigkeit durchaus unterhaltend. LaPlante grölte sich die Seele aus dem Leib, der wenige Klargesang zwischendurch und melodische Ausflüge zwischen Gitarrengewitter machten den Gesamteindruck umso intensiver – wenn man sich darauf einließ.

Eine andere Form moderner Härte servierten Knocked Loose: Die Gruppe um Schreihals Bryan Garris, aus dem Hardcore kommend, pflügte durch ein intensives Set voller knackiger Zweiminüter, in denen sie kurzen Prozess machten. Knochentrockenes Drumming traf auf mächtige Riffs, bei denen die Fans ordentlich Staub aufwirbelten – zugegeben: keine Schwierigkeit am Nova Rock. Doch die Unbarmherzigkeit, mit der Knocked Loose ihr Programm abspulten, dabei aber stets greifbar blieben, ließ ordentlich staunen.

Umgebaute Red Bull Stage

Die Red Bull Stage hat sich über die Jahre von einem umgebauten Van zu einem den Hauptbühnen ebenbürtigen, heuer im Design zusätzlich aufgewerteten Schauplatz entwickelt, bei dem trotzdem immer noch so was wie Clubatmosphäre herrscht. Dort gab am Mittwoch Amira Elfeky ihr Österreich-Debüt. Google führt die Amerikanerin als “Internetpersönlichkeit”. In der Rockszene herrscht um die Sängerin mit ihrer Mischung aus Nu-Metal und Ambient-Elementen derzeit ein gewisser Hype. Gerecht wurde sie dem am Nova Rock nur bedingt. Denn nur selten durchbrachen Elfeky – mit über Baseballkappe gezogener Kapuze – und ihre Band die Formel Intro-melodramatischer Gesang-harte Grooves. Zumindest die Singles “Forever Overdose” und “Will You Love Me When I’m Dead” zündeten trotzdem. Richtig feurig wurde es aber erst, als die Flammenwerfer am Dach der Bühne Feuersäulen in die Luft schossen.

Als Opener auf der Red Bull durfte die Salzburger Formation The Fleur agieren, die sich diesen Auftritt im Rahmen eines Wettbewerbs verdient hat. Mit The Vandans folgte eine weitere heimische Formation. Diese punktete mit zünftigem Post-Hardcore. Den Schlusspunkt setzten Boston Manor. Die Punk-, Post-Hardcore- und Grunge-Band aus Nordengland forderte die Lebensgeister der Fans zu später Stunde noch einmal heraus: “Springt!”, hieß es gleich bei der ersten Nummer, dann folgten die – sofort umgesetzten – Aufforderungen “Moshpit!” und “Crowdsurfen!” Der höchst unterhaltsame und musikalisch ansprechende Auftritt wäre fast dem Ratschlag eines Arztes zum Opfer gefallen. “Wir mussten zuletzt eine Show absagen, weil ich Probleme mit der Stimme hatte”, erzählte Sänger Henry Cox. “Er meinte, wir sollten auch heute nicht auftreten. Aber hey, das Nova Rock konnten wir nicht versäumen.”

Insgesamt bot sich somit ein gelungener erster Festivaltag. Wer mit dem musikalischen Angebot nicht genug hatte, konnte sich in der Rollerdisco austoben oder im Horrorlabyrinth gruseln.

(Von Christoph Griessner und Wolfgang Hauptmann/APA)

(S E R V I C E – www.novarock.at)

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