Justin Vernon setzte mit seiner Band auf eine minimalistische Darbietung

Indiehelden Bon Iver setzten in Wien auf das Wesentliche

Donnerstag, 15. Juni 2023 | 10:18 Uhr

Alles bereit? Licht richtig ausgerichtet, Instrumente eingestöpselt, Publikum mit Blick nach vorne? Dann kann es ja losgehen: Der Auftritt der US-Indielieblinge Bon Iver am Mittwochabend wurde in der Wiener Arena zu einer Heldenverehrung. Allerdings einer, die erst mit der Zeit so wirklich zündete. Kreativkopf Justin Vernon und seine Band setzten nämlich auf eine minimalistische Darbietung, die sich auf das Wesentliche fokussierte – und damit nicht immer mitreißen konnte.

Dabei wirkte der ausverkaufte Open-Air-Gig wie ein Triumph mit Ansage. Über zehn Jahre sind seit dem letzten Gastspiel vergangen und Bon Iver in dieser Zeit zur umjubelten Formation zwischen kommerziellem Erfolg (zwei Grammys!) und künstlerischem Anspruch aufgestiegen. Für Vernon selbst bedeutete das nicht nur eine intensive Auseinandersetzung mit dem Ruhm und seinen durchaus lästigen Ausprägungen, die etwa auf den beiden jüngsten Platten “22, A Million” (2016) und “i, i” (2019) nachzuhören ist, sondern auch Kollaborationen mit so großen Namen wie Kanye West oder Taylor Swift. Dieser Mann ist angekommen.

Seinen Besuch wollte sich dann auch gefühlt die halbe Indieszene der Hauptstadt nicht entgehen lassen. Wer seinen Blick durch das Arena-Gelände schweifen ließ, stieß nämlich auf so manch bekanntes Musikergesicht – Klassentreffenfeeling war nicht weit. Auf Bon Iver können sich schließlich viele einigen: Seit dem Debüt “For Emma, Forever Ago” vor 16 Jahren hat sich der Sound vom solo erzeugten, ätherischen Folk hin zu einer elektronisch unterfütterten Popidee gewandelt. Das wurde speziell zum Konzertauftakt deutlich, als die erste halbe Stunde mit vielschichtigen Soundminiaturen zwar anspruchsvoll, aber auch etwas dröge gelang.

Erst das zart ansetzende “iMi” ließ schließlich alle Dämme brechen, erhob sich aus einer feinen Stimmmodulation Vernons und wurde zur perkussiven Großtat, zu der sich herrlich mit geschlossenen Augen träumen ließ. Auch das folgende “Towers”, wieder deutlich konventioneller instrumentiert und damit näher an den Folkwurzeln der Gruppe, ließ keine Wünsche offen. Je später der Abend, desto intensiver gelang naturgemäß auch die Lichtshow, die aber wie das Bühnensetting selbst auf konventionelle Effekte setzte. Mal standen die sechs Musiker in roten Lichtkegeln, dann wurde wiederum die ganze Arena in leuchtendes Gold getaucht, was tausende glückliche Gesichter offenbarte.

Die Erwartungen vieler sollten sich nämlich erfüllen. Experimentelle Ausflüge wie “10 d E A T h b R E a s T” wurden ebenso gefeiert wie das frühe Karrierehighlight “Skinny Love”, während sich bei “Perth” so etwas wie ausgelassene Stimmung einstellen sollte. Viel wichtiger schien den Anwesenden allerdings, keine Zeile, keine musikalische Wendung zu verpassen, etwa bei “715 – Creeks”. Mucksmäuschen still war es in diesen zweieinhalb Minuten, in denen Vernon seine Stimme per Autotune in lichte, verfremdete Höhen hievte und es nicht mehr zur kollektiven Glückseligkeit brauchte.

Erst spät sollte sich die durchaus spürbare Anspannung auf beiden Seiten schließlich lösen. Bei Vernon drückte sich das etwa in einem sympathischen “I fucked it up!” aus, als er vor “Sh’Diah” zunächst seine Mitstreiter vorstellte, dann aber den Einstieg in den Song kurzerhand versemmelte. Egal, ein kleines Pläuschchen später ging es einfach von vorne los und wurde das reguläre Set schließlich noch mit “Naeem” veredelt, bevor es in eine kurze, knackige Zugabe ging. Durchatmen, Hände in die Luft und Jubel – so leicht kann innere Harmonie sein, dürften sich die Besucherinnen und Besucher in der Arena gedacht haben. Vielleicht gelingt dies beim nächsten Mal aber schon von Anfang an.

(S E R V I C E – https://boniver.org)

Von: apa