Autor David Sedaris

US-Autor David Sedaris plädiert für mehr Gelassenheit

Dienstag, 12. September 2023 | 08:22 Uhr

Ende August sind zwei neue Bücher von David Sedaris auf Deutsch erschienen. Am Montag las der US-Autor daraus im Doppel mit dem deutschen Kabarettisten Frank Goosen in Wien. Übertriebene politische Korrektheit gibt es bei Sedaris nicht, die findet er “ermüdend”, wie er im APA-Gespräch betonte. Über offene Gräben in der Gesellschaft sagte er: “Ich hasse die extreme Rechte gleichermaßen wie die extreme Linke. Sie sind gleichermaßen intolerant und selbstgerecht.”

Das Duo gab bei der Veranstaltung im Gartenbaukino abwechselnd Kostproben in Deutsch und im Original aus “Kleine Happen” (“A Carnival Of Snackery”) und “Bitte Lächeln!” (“Happy-Go-Lucky”) zum Besten. Bei Letzterem handelt es sich um eine Sammlung von Essays, bei Ersterem um Auszüge aus den Tagebüchern des Schriftstellers. Das Buch “Kleine Happen” sei “ziemlich dick”, aber sein Tagebuch “noch viel umfangreicher”, erzählte Sedaris beim Interview vor dem Auftritt. Er mache sich ständig Notizen, führte der 66-Jährige weiter aus – und holt zum Beweis ein kleines Büchlein hervor.

Kaum in Wien angekommen, hat Sedaris bereits Stoff für sein Tagebuch notiert: “Man würde nicht glauben, wie lange das Einchecken hier im Hotel gedauert hat”, schmunzelte er. “Es ging schneller, einen Kredit für den Erwerb eines Appartements in Paris zu beantragen und bewilligt zu bekommen.”

Bei seinen Lesungen nimmt sich Sedaris viel Zeit, um mit seinen Lesern zu plaudern. Manchmal nehme das Gespräch unangenehme Wendungen: “Ich versuche Deutsch zu lernen. Letztens habe ich daher in Deutschland auf Deutsch gefragt: Sind Sie arbeitslos? Ein Mann bejahte dies, fügte aber hinzu, er sei Pensionist. Er sah aus wie 45, also habe ich gefragt, warum er so früh in den Ruhestand gegangen ist. Er habe einen Gehirntumor und laut seinen Ärzten nur noch ein Jahr zu leben, antwortet er. Verdammt! Ich staunte: Und da stehst Du hier angestellt? So verbringst Du diese übrige Zeit?”

Sedaris tourt fast ständig, was er eher als hilfreich für seinen Beruf denn als Belastung sieht. “In den USA besuche ich mindestens 100 Städte im Jahr und lese in Theatern”, erzählte der Autor. “Es ist interessant zu sehen, wie Dinge in unterschiedlichen Teilen des Landes unterschiedlich ankommen. Ich habe zum Beispiel über den Hass auf Kinder geschrieben, so in etwa, dass es eine gute Idee sei, Kinder zu hassen. Im Nordosten der Vereinigten Staaten bin ich dafür ausgebuht worden, während die Leute im Süden so laut geklatscht und gelacht haben, wie ich es noch nie erlebt hatte.”

Von Cancel Culture hält Sedaris wenig: “Die Überarbeitung der Bücher von Roald Dahl hat mich wirklich getroffen. Er kann sich nicht einmal mehr verteidigen. Ich hasse den Gedanken, dass irgendwann jemand meine Bücher umschreiben könnte.” Sie seien eben ein Spiegel ihrer Zeit, so der Autor, der hinzufügt: “In den meisten Epochen der Geschichte wäre ich als Schwuler erschlagen worden. Aber das heißt nicht, dass ich keinen Film anschauen oder ein Buch lesen kann, in dem ein Schwuler beleidigt wird. Es kommt immer auf den Kontext an.”

Generell plädiert Sedaris für mehr Gelassenheit: “Als ich zum ersten Mal nach New York City gezogen bin, habe ich in einem Kaufhaus gearbeitet. Darüber schrieb ich. Jemand hat daraus ein Theaterstück gemacht. Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass ein schwuler Mensch meine Rolle spielen muss. Nie! Man muss auch nicht schwul sein, um meine schriftstellerische Arbeit zu verstehen. Schwulsein ist ein kleiner Teil meiner Persönlichkeit, aber keine große Sache. Ich muss auch nicht dauernd darüber reden und Menschen belehren.”

Auf den Spalt in der Gesellschaft und auf die verhärteten Fronten angesprochen, sagte der mit seinem Partner in Frankreich und London lebende Amerikaner: “Unser Nachbar in Sussex hat für den Brexit gestimmt. Aber wir essen gemeinsam und besuchen uns gegenseitig. In Amerika, wenn dein Nachbar Trump gewählt hat und du nicht, ist das unmöglich. Das macht traurig, denn so kommen wir nicht weiter.”

(Das Gespräch führte Wolfgang Hauptmann/APA)

(S E R V I C E – David Sedaris: “Kleine Happen” und “Bitte Lächeln!”, übersetzt von Georg Deggerich, Karl Blessing Verlag, 656 bzw. 288 Seiten, 27,50 Euro bzw. 25,50 Euro.

Von: apa