Beth Ditto sieht in Gossip "eine Schlichtheit, die ich einfach liebe"

US-Band Gossip meldet sich mit “Real Power” zurück

Mittwoch, 20. März 2024 | 10:26 Uhr

Es gab eine Zeit, da haben sie im verschwitzten Berliner Technoclub Berghain die Temperatur mächtig nach oben gedreht. Später wiederum animierten sie im herausgeputzten Ambiente der “Helene-Fischer-Show” das Publikum zum Mitmach-Klatschen: Gossip und die markante Frontfrau Beth Ditto sind wahrlich ein undurchsichtiges Phänomen. Irgendwo zwischen queer-feministischem Underground und durchorchestriert-kommerziellem Mainstream hat sich die US-Band seit Jahren eingenistet.

Mehr als eine Dekade nach ihrer letzten Platte und einer zwischenzeitlichen Trennung hat das Trio mit “Real Power” nun ihr sechstes Album am Start, mit dem man auch beim Lido Sounds am 27. Juni in Linz gastieren wird. Kurz vor Veröffentlichung des Albums am Freitag (22. März) absolviert die Band aus Portland (US-Bundesstaat Oregon) einen Promotion-Marathon in Europa und stoppte dafür auch in der deutschen Hauptstadt.

“Mal ehrlich, Berlin macht wirklich Spaß”, sagt Ditto der dpa in der Neuen Nationalgalerie. Die Sängerin passt mit ihrem wilden Look aus Flieder-weißem Strickkleid über schwarz-gepunkteter Tüllbluse und den orangen Haaren perfekt zwischen die knalligen Kunstwerke aus dem 20. und 21. Jahrhundert. Das Museum sei wunderschön, sagt sie. “Ich bin gespannt, alles darüber zu lesen.”

Doch jetzt steht erst einmal Arbeit an, ein Album will beworben werden. Elf neue Songs sind auf “Real Power”, und die haben es in sich. Gleich der Opener lässt alle Härchen am Körper nach oben schnellen: Im heftigen Soulbrett “Act of God” irgendwo zwischen derbem Punk und melodiösem Motown geht es um Kontrollverlust, den Glauben an Gott und das Leben.

Der vorzüglich vielseitige Sound der Platte entspringt im Großen und Ganzen dem Kopf des Gitarristen Nathan Howdeshell. “Ich vertraue auf seinen Geschmack, und ich vertraue darauf, dass er im richtigen Moment ja oder nein sagt”, erklärt die Sängerin. “Und das ist für mich das Wichtigste.”

Wer auf “Real Power” seine Finger genauso wieder mit im Spiel hat: Starproduzent Rick Rubin. Der zeigte sich schon 2009 verantwortlich für Gossips Mainstream-Durchbruch “Music For Men” und den Mega-Hit “Heavy Cross”. In Rubins Studio auf Hawaii entstehen im Laufe der vergangenen fünf Jahre die neuen Songs. Durch ihn heben sich die Tracks wieder merklich voneinander ab – anders als zuletzt auf “A Joyful Noise”.

Die Platte verabschiedet sich auch vom Dance des Vorgängers und ist in weiten Teilen viel ruhiger angelegt – samt Balladen. Es lassen sich stilistisch gänzlich unterschiedliche Glanzstücke finden. Da wäre etwa das grandiose “Tell Me Something” mit einem Mix aus tiefergelegt-dröhnenden Industrialelementen, klassischem Piano, leichten Percussions und Dittos mächtiger Soulstimme. In “Don’t Be Afraid” wiederum kommt die Dominanz der Sängerin zwischen 80er-Keyboard-Einsprengseln eindrucksvoll zum Vorschein.

Seit ihrer Teenagerzeit im US-Bundesstaat Arkansas kennen sich Ditto und Howdeshell. Vor 25 Jahren formiert sich die Band, zu der später Drummerin Hannah Blilie stößt. Die ersten Alben sind von Garage-Rock und Riot-Punk geprägt. Im Jahr 2006 beginnt mit der dritten Platte “Standing in the Way of Control” der Aufstieg auf der Karriereleiter. Vor allem in Europa spielen Gossip ihre wilden Konzerte bald in größeren Hallen. Die heute 43-jährige Frontfrau wird mit ihrer Coolness zur Ikone der LGBTQI-Community, also für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und queere Menschen. Bis heute hat die Band nach Angaben ihres Labels weltweit mehr als 10 Millionen Platten verkauft.

2016 wird die Trennung publik. “Es gab keinen großen Krach. Am Ende haben wir einfach Tschüss gesagt, das Leben geht weiter”, sagt die Sängerin damals. Kein Drama also. Und jetzt einfach wieder “Hallo”? “Irgendwie schon”, sagt Ditto in Berlin. “Es gab kein Zögern, besonders nicht zwischen mir und Nathan.” In guten Beziehungen werde verstanden, dass der oder die andere Freiheiten brauche, und dass man nicht mehr dieselbe Person sei wie 13 Jahre zuvor. “In Gossip steckt eine Schlichtheit, die ich einfach liebe”, sagt sie. “Es wird nicht viel über unsere Ziele gesprochen oder darüber, was wir wollen oder was wir nicht wollen. Es passiert einfach.”

(Das Gespräch führte Sebastian Fischer/dpa)

(S E R V I C E – www.bethditto.com)

Von: APA/dpa

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Beth Ditto sieht in Gossip "eine Schlichtheit, die ich einfach liebe"

US-Band Gossip meldet sich mit “Real Power” zurück

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Es gab eine Zeit, da haben sie im verschwitzten Berliner Technoclub Berghain die Temperatur mächtig nach oben gedreht. Später wiederum animierten sie im herausgeputzten Ambiente der “Helene-Fischer-Show” das Publikum zum Mitmach-Klatschen: Gossip und die markante Frontfrau Beth Ditto sind wahrlich ein undurchsichtiges Phänomen. Irgendwo zwischen queer-feministischem Underground und durchorchestriert-kommerziellem Mainstream hat sich die US-Band seit Jahren eingenistet.

Mehr als eine Dekade nach ihrer letzten Platte und einer zwischenzeitlichen Trennung hat das Trio mit “Real Power” nun ihr sechstes Album am Start, mit dem man auch beim Lido Sounds am 27. Juni in Linz gastieren wird. Kurz vor Veröffentlichung des Albums am Freitag (22. März) absolviert die Band aus Portland (US-Bundesstaat Oregon) einen Promotion-Marathon in Europa und stoppte dafür auch in der deutschen Hauptstadt.

“Mal ehrlich, Berlin macht wirklich Spaß”, sagt Ditto der dpa in der Neuen Nationalgalerie. Die Sängerin passt mit ihrem wilden Look aus Flieder-weißem Strickkleid über schwarz-gepunkteter Tüllbluse und den orangen Haaren perfekt zwischen die knalligen Kunstwerke aus dem 20. und 21. Jahrhundert. Das Museum sei wunderschön, sagt sie. “Ich bin gespannt, alles darüber zu lesen.”

Doch jetzt steht erst einmal Arbeit an, ein Album will beworben werden. Elf neue Songs sind auf “Real Power”, und die haben es in sich. Gleich der Opener lässt alle Härchen am Körper nach oben schnellen: Im heftigen Soulbrett “Act of God” irgendwo zwischen derbem Punk und melodiösem Motown geht es um Kontrollverlust, den Glauben an Gott und das Leben.

Der vorzüglich vielseitige Sound der Platte entspringt im Großen und Ganzen dem Kopf des Gitarristen Nathan Howdeshell. “Ich vertraue auf seinen Geschmack, und ich vertraue darauf, dass er im richtigen Moment ja oder nein sagt”, erklärt die Sängerin. “Und das ist für mich das Wichtigste.”

Wer auf “Real Power” seine Finger genauso wieder mit im Spiel hat: Starproduzent Rick Rubin. Der zeigte sich schon 2009 verantwortlich für Gossips Mainstream-Durchbruch “Music For Men” und den Mega-Hit “Heavy Cross”. In Rubins Studio auf Hawaii entstehen im Laufe der vergangenen fünf Jahre die neuen Songs. Durch ihn heben sich die Tracks wieder merklich voneinander ab – anders als zuletzt auf “A Joyful Noise”.

Die Platte verabschiedet sich auch vom Dance des Vorgängers und ist in weiten Teilen viel ruhiger angelegt – samt Balladen. Es lassen sich stilistisch gänzlich unterschiedliche Glanzstücke finden. Da wäre etwa das grandiose “Tell Me Something” mit einem Mix aus tiefergelegt-dröhnenden Industrialelementen, klassischem Piano, leichten Percussions und Dittos mächtiger Soulstimme. In “Don’t Be Afraid” wiederum kommt die Dominanz der Sängerin zwischen 80er-Keyboard-Einsprengseln eindrucksvoll zum Vorschein.

Seit ihrer Teenagerzeit im US-Bundesstaat Arkansas kennen sich Ditto und Howdeshell. Vor 25 Jahren formiert sich die Band, zu der später Drummerin Hannah Blilie stößt. Die ersten Alben sind von Garage-Rock und Riot-Punk geprägt. Im Jahr 2006 beginnt mit der dritten Platte “Standing in the Way of Control” der Aufstieg auf der Karriereleiter. Vor allem in Europa spielen Gossip ihre wilden Konzerte bald in größeren Hallen. Die heute 43-jährige Frontfrau wird mit ihrer Coolness zur Ikone der LGBTQI-Community, also für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und queere Menschen. Bis heute hat die Band nach Angaben ihres Labels weltweit mehr als 10 Millionen Platten verkauft.

2016 wird die Trennung publik. “Es gab keinen großen Krach. Am Ende haben wir einfach Tschüss gesagt, das Leben geht weiter”, sagt die Sängerin damals. Kein Drama also. Und jetzt einfach wieder “Hallo”? “Irgendwie schon”, sagt Ditto in Berlin. “Es gab kein Zögern, besonders nicht zwischen mir und Nathan.” In guten Beziehungen werde verstanden, dass der oder die andere Freiheiten brauche, und dass man nicht mehr dieselbe Person sei wie 13 Jahre zuvor. “In Gossip steckt eine Schlichtheit, die ich einfach liebe”, sagt sie. “Es wird nicht viel über unsere Ziele gesprochen oder darüber, was wir wollen oder was wir nicht wollen. Es passiert einfach.”

(Das Gespräch führte Sebastian Fischer/dpa)

(S E R V I C E – www.bethditto.com)

Von: APA/dpa

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