Von: Ivd
Bozen – Es ist ein Fundstück von außergewöhnlichem Wert: Eine historische Fotografie aus dem Jahr 1855 zeigt den Bozner Waltherplatz, wie man ihn heute nur noch aus Überlieferungen kennt. Die Aufnahme gilt als das älteste bekannte Bild des Platzes und öffnet ein Fenster in eine längst vergangene Zeit.
Zur Zeit der Aufnahme war der Platz noch namenlos – eine weitläufige, festgetretene Erdfläche, umrahmt von wenigen, schlichten Gebäuden. Wo heute Restaurant, Cafés und Geschäfte das Stadtbild prägen, herrschte damals Leere. Das Walther-Denkmal war noch nicht errichtet; der mittelhochdeutsche Lyriker Walther von der Vogelweide sollte erst 1889 Namensgeber werden – ausgerechnet durch einen politischen Beschluss als bewusst deutschnationales Gegengewicht zur zunehmenden Italianisierung.
Das Stadtbild über die Jahre
Im Hintergrund der Fotografie ist das Hotel „Kräutner“ zu erkennen, das später dem Bau der Sparkasse weichen musste. Auch das Hotel „Città“, damals noch niedriger, lässt sich ausmachen – ein Haus, das heute zu den ältesten Hotelbetrieben der Stadt zählt. Besonders auffällig: die Mädchenschule am Rand des Platzes – ein Zeichen der frühen Bildungsbestrebungen in einer Zeit, in der solche Einrichtungen noch Seltenheit waren.
Ursprünglich wurde der Platz 1808 unter dem Namen „Johannesplatz“ nach Erzherzog Johann von Österreich benannt. Erst durch das Walther-Denkmal kam es zur Umbenennung. Kurios: Nach dem Anschluss Südtirols an Italien wurde das Denkmal 1935 unter Mussolini entfernt und erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgestellt.
Heute ist der Waltherplatz das Herzstück Bozens – Bühne für den Christkindlmarkt, Treffpunkt für Einheimische und Gäste, umgeben von einer eindrucksvollen Mischung aus Tiroler Architektur, Stadtgeschichte und Alltag. Die Aufnahme aus dem Jahr 1855 erinnert eindrucksvoll daran, dass selbst der belebteste Ort einmal ganz still begann.
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